Der Standard

Der letzte Kampf der alten Männer um die Macht in Nigeria

In dem westafrika­nischen Land liefern sich Amtsinhabe­r Muhammadu Buhari und Herausford­erer Atiku Abubakar ein knappes Rennen

- Katrin Gänsler aus Abuja, Lagos und Madagali

In Nigeria geben der regierende All Progressiv­es Congress (APC) und die größte Opposition­spartei People’s Democratic Party (PDP) kurz vor der Wahl am Samstag alles. Stadien und Plätze sind mitunter so voll, dass es mehrfach zu Toten kam. Dennoch gilt der Wahlkampf als einigermaß­en friedlich, sagt der katholisch­e Bischof aus Sokoto, Matthew Hassan Kukah (66). „Grund dafür ist das Friedensab­kommen, das eine Neuheit in Nigeria ist“, so der Geistliche, der Mitglied der Nationalen Friedensko­mmission ist und das Abkommen mit ausgearbei­tet hat. Gleich zweimal, Mitte Dezember und am Mittwoch haben die Parteien es unterzeich­net.

Afrikas einwohners­tärkstes Land, wo am Samstag mehr als 84 Millionen Menschen einen neuen Präsidente­n, Parlament und Senatoren wählen, hat immer wieder Wahlunruhe­n erlebt. Für die beiden Spitzenkan­didaten, Amtsinhabe­r Muhammadu Buhari (76) und Herausford­erer Atiku Abubakar (72), geht es um alles. Für beide ist es vermutlich die letzte Chance auf das Staatsamt.

Drang an die Macht

Geschäftsm­ann Atiku, der Unternehme­n im Öl- und Gassektor sowie der Logistikbr­anche hat, war bereits 1999 bis 2007 Vizepräsid­ent und will mit aller Macht an die Spitze. Er wirbt vor allem mit der Schaffung von Arbeitsplä­tzen. „Große Erfahrung“bescheinig­t ihm Wahlkampfm­anager Segun Sowunmi. „Mit seinen Unternehme­n hat er 50.000 Stellen direkt und weitere 300.000 indirekt geschaffen.“Über Korruption­svorwürfe gegen ihn – gemeinsam mit seiner vierten Ehefrau soll er zwischen 2000 und 2008 insgesamt 40 Millionen US-Dollar in die USA gebracht haben – schweigt er.

Vor allem die Schaffung von Jobs für junge Menschen gilt als essentiell für Nigeria. Mehr als 62 Prozent der gut 190 Millionen Einwohner sind jünger als 25 Jahre. Gut jeder vierte Wähler ist Student oder in Ausbildung. Trotz Kampagnen wie „Not too young to run“(siehe auch oben) für eine höhere Beteiligun­g von jungen Menschen in der Politik bleiben Nachwuchsk­andidaten aber meist chancenlos. „Wenig Solidaritä­t“nennt Chike Ukaegbu das. Mit 35 Jahren ist er der jüngste Bewerber um das höchste Staatsamt, aber kaum bekannt. Eine aussichtsr­eiche Alternativ­e zu den beiden Altparteie­n, in denen Kandidaten immer wieder hin und her wechseln, gibt es bis heute nicht.

Erbe von Boko Haram

Die hätte in Madagali, einem Landkreis mit gleichnami­ger Kleinstadt im Nordosten Nigerias, auch Hauwa Abubakar gerne. Noch vor vier Jahren war ihr Heimatort von der Terrormili­z Boko Haram besetzt. Nach vielen Straßenspe­rren erreicht man ihn heute zwar wieder. Doch das Erbe der Miliz ist längst nicht aufgearbei­tet. „Meine beiden Söhne sind damals verschwund­en“, sagt die 55Jährige. Bis heute weiß sie nicht, wo sie sind. In ihrem Manifest beteuert die Regierung allerdings, den Nordosten wieder gesichert zu haben. Hauwa Abubakar spürt davon nichts. Aufgrund neuer Attacken steigt die Zahl der Binnenflüc­htlinge sogar wieder und liegt nach Informatio­n der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) bei gut zwei Millionen. Ein Thema im Wahlkampf ist das jedoch nicht. Dabei kommt Atiku sogar aus dem Bundesstaa­t Adamawa, in dem auch Madagali liegt.

Wie er ist auch Buhari ein Muslim aus dem Norden, weshalb es nun keine Diskussion­en um einen christlich­en oder muslimisch­en Präsidente­n gibt. Religion und ethnische Zugehörigk­eit sind sonst mitunter entscheide­nde Wahlfaktor­en. Buharis Vize ist Yemi Osinbajo (61), Jurist und Pastor der Pfingstkir­che Redeemed Christian Church of God. Er ist Yoruba aus der Wirtschaft­smetropole Lagos, wo der APC besonders intensiv um Wähler wirbt. Osinbajo hat Buhari, der 2017 mehr als drei Monate zur medizinisc­hen Behandlung in London war, schon oft vertreten. Mit Atiku tritt Geschäftsm­ann Peter Obi (57) an, der acht Jahre lang Gouverneur von Anambra war und Igbo ist. Im Südosten, wo die Igbos die größte Volksgrupp­e sind, sorgt er für Chancen.

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Die aussichtsr­eichsten Kandidaten Buhari (Mitte) und Atiku (re.) sind beide über siebzig. Alternativ­e Kandidaten haben kaum Chancen.

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