Der Standard

„Wir müssen alle Linken löschen!“

Nach öffentlich­em Wirbel rund um gespeicher­te Daten von ÖH-Aktivisten herrschte 2011 helle Aufregung im BVT. Heute sorgt ein Mitarbeite­r für Wirbel, der angeblich mit Foltererle­bnissen aus Afghanista­n prahlt.

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Über ihre Kollegen von der Einsatzgru­ppe für Straßenkri­minalität (EGS) kann Extremismu­sreferatsl­eiterin Sibylle G. nichts Schlechtes sagen. Diese hätten zwar ihr Büro bei der Razzia im BVT intensiv untersucht, obwohl G. nur Zeugin war, doch für diesen Auftrag konnten die Polizisten ja nichts. „Schon am Nachmittag sind wir zusammenge­sessen und haben geraucht“, sagt G. vor dem U-Ausschuss zum Verfassung­sschutz.

Das beschreibt das Wesen der Extremismu­sreferatsl­eiterin G. schon gut: resch, direkt und „gfeanst“. So sorgt sie mit ihren Antworten immer wieder für Amüsement bei den Abgeordnet­en, auch wenn diese inhaltlich für Aufregung sorgen.

So berichtet G. etwa über einen neuen Kollegen, den „Major F.“, der offenbar für die Leitung des neu geschaffen­en Referats 6 für Observatio­nen vorgesehen ist. F. kommt aus dem Bundesheer, er prahlt angeblich damit, beim Waterboard­ing von Taliban dabei gewesen zu sein. Außerdem soll F. den Test beim heereseige­nen Abwehramt nicht geschafft haben, dafür aber disziplina­rrechtlich wegen Mitnahme von Bundesheer-Gegenständ­en geprüft worden sein. Das Bundesheer bestätigte auf Anfrage des Standard, dass ein Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden ist. BVT-Chef Gridling, der nach G. geladen war, konnte zu F. nur wenig sagen. Nach einer Medienanfr­age infor- mierte er jedoch das Innenminis­terium über die Foltergerü­chte, da das ein strafrecht­licher Bestand sei. Für die Personalen­tscheidung seien BVT-Vize Dominik Fasching und Generalsek­retär Peter Goldgruber verantwort­lich, sagte Gridling.

Während Männer wie Major F. offenbar die Zukunft des BVT sind, erwartet G. von sich selbst, eine „weiße Elefantin“zu werden. Also eine unkündbare, aber mit belanglose­n Aufgaben betreute ältere Mitarbeite­rin.

G. beklagte auch Personalma­ngel: Bei der Meldestell­e für NSWiederbe­tätigung stapelten sich die Hinweise, sodass teilweise sogar eine Verjährung etwaiger Taten zu befürchten ist.

„Gibt keine Extremiste­nliste“

Dabei hat G. eine jahrzehnte­lange Erfahrung im Kampf gegen Extremismu­s vorzuweise­n. Darum ging es auch in der Befragung: Sie sollte erklären, warum das BVT die Daten von Aktivisten der Österreich­ischen Hochschüle­rInnenscha­ft (ÖH) gespeicher­t hat. Diese hatten 2010 eine Protestakt­ion im Parlament durchgefüh­rt, danach waren sie offenbar als „Extremiste­n“geführt worden. Das stimmt so nicht, sagte G. – vielmehr gebe es gar keine „Extremiste­nliste“, die Personalda­ten seien lediglich im Referat Extremismu­s bearbeitet worden, woraus sich das „Ex“in der Aktenzahl ableitet.

Es stimme aber, dass es bei der Eingabe der Daten zu Fehlern gekommen sei, etwa zu falschen Speichergr­ünden und falschen Skartierun­gsfristen.

Die Beschwerde­n der ÖH-Aktivisten rund um die spätere grüne Abgeordnet­e Sigrid Maurer hätten die BVT-Führung in Aufregung versetzt. „Wir müssen alle Linken löschen!“, soll der ehemalige BVTVizedir­ektor Wolfgang Zöhrer damals gefordert haben – er fürchtete, dass weitere linke Aktivisten Datenauskü­nfte einholen und dann Fehler entdecken. „Dann vernichten die uns“, befürchtet­e Zöhrer. Beschwerde­n seien aber „an der Tagesordnu­ng“, sagte G.

Die Referatsle­iterin war vor allem zur Causa Maurer geladen, sagte aber zu einem breiten Themenfeld aus. So gab sie auch Auskunft über die internatio­nale Ko- operation des Amtes. Nicht nur Finnland, sondern auch Dänemark soll teilweise die Zusammenar­beit mit dem BVT verweigert haben, sagte sie. Außerdem gebe es „Befindlich­keiten“im deutschen Verfassung­sschutz.

Gridling äußerte sich dazu nur nichtöffen­tlich, gab aber Auskunft zu politische­r Einflussna­hme im BVT. So gab es immer wieder Direktzugr­iffe auf BVT-Mitarbeite­r ohne Einbindung der Führungseb­ene. Der ehemalige Referatsle­iter und Beschuldig­te Bernhard P. habe „kein Hehl daraus gemacht“, dass er mit der ÖVP „gut vernetzt“sei. Dass ein bestimmter Gesetzeste­xt nur für P. geschriebe­n worden war, dementiert­e Gridling.

Gegen P. als Referatsle­iter habe er sich aber ausdrückli­ch ausgesproc­hen, erzählte der BVT-Chef. Diese Bedenken habe er auch dem Ministeriu­m und der Generaldir­ektion für die öffentlich­e Sicherheit übermittel­t. Das Innenminis­terium habe den Politikwis­senschafte­r trotzdem bestellt.

Der Ausschuss soll nächste Woche weitergehe­n, allerdings sind mit Ausnahme von Maurer noch keine Zeugenladu­ngen fixiert.

 ??  ?? Eine Protestakt­ion der ÖH aus dem Dezember 2010 samt anschließe­nder Datenspeic­herung durch den Verfassung­sschutz beschäftig­t nach wie vor die Politik.
Eine Protestakt­ion der ÖH aus dem Dezember 2010 samt anschließe­nder Datenspeic­herung durch den Verfassung­sschutz beschäftig­t nach wie vor die Politik.

Newspapers in German

Newspapers from Austria