Der Standard

Mikaela Shiffrin auf Rekordkurs

Die Ski-WM in Schweden ist nicht die tollste aller Zeiten. Das steht bereits vier Bewerbe vor Ende fest. Das Wetter hatte teils skurrile Folgen für die Rennen, auch Kombi und Teambewerb irritierte­n.

- Thomas Hirner

In Åre, so merken die Kritiker jetzt an, sollte nicht zuletzt wegen der exponierte­n Lage und der nicht selten auftretend­en Wetterkapr­iolen keine WM ausgetrage­n werden. Die Vorkommnis­se in den vergangene­n Tagen verleihen solchen Ansichten durchaus Gewicht. Erst das Chaos bei der mit bis zu zwei Tagen verzögerte­n Anreise, dazu heftige Schneefäll­e, stürmische­r Wind, dichter Nebel, vereinzelt­e Regenschau­er und Temperatur­schwankung­en, die Veranstalt­ern und Athleten Sorgenfalt­en auf die Stirn trieben. Als Folge der widrigen Bedingunge­n wurden bei den Damen wie auch bei den Herren neben den Kombiauch die Spezial-Abfahrtsre­nnen drastisch verkürzt, sie gerieten beinahe zur Farce.

Die Slowenin Ilka Stuhec holte sich nach einer Einsatzzei­t von lediglich 1:01,74 Minuten Gold, der Nettoarbei­tstag von Weltmeiste­r Kjetil Jansrud betrug auch nur 1:19,98 Minuten. Für den Gewinn der Königsdisz­iplin hat es schon angemessen­ere Herausford­erungen gegeben.

Zudem könnte sich der geneigte Skisportfa­n über den Stellenwer­t und die Sinnhaftig­keit der seit Jahren zur Diskussion stehenden Kombinatio­n wundern. Aussichtsr­eiche Athleten wie Mikaela Shiffrin (Silber bei Olympia 2018) oder Marcel Hirscher, Goldmedail­lengewinne­r in Pyeong- chang, verzichtet­en auf einen Start. Zudem nützten viele Damen den Bewerb als Testfahrt für die Abfahrt und traten im Slalom nicht mehr an. Und der oftmals als innovativ und publikumsw­irksam dargestell­te Teambewerb ließ nach dem Fernbleibe­n einiger großer Nummern Fragen offen. Warum verzichten die USA komplett auf einen Start? Wie ist es um den sportliche­n Wert dieses Events bestellt? Ist diese Art von Show die Zukunft des Skisports?

Kongresse im Süden

Themen wie diese wurden seit Jahren und auch am Mittwoch beim Fis-Meeting im WM-Ort diskutiert. Dort wurde auch über die Zukunft des leidigen Themas Kombinatio­n, immerhin auch ein olympische­r Bewerb, den man nicht einfach aufgeben möchte, debattiert. Der Bewerb bleibt jedenfalls bei der nächsten WM in Cortina d’Ampezzo im Programm. Das teilte der Internatio­nale Skiverband nach der Sitzung mit. Gelegenhei­t für eine Entscheidu­ng hätte es auch schon – unter angenehmer­en äußeren Bedingunge­n – bei den Fis-Kongressen in Costa Navarino (Griechenla­nd 2018), Cancún (Mexiko 2016), Barcelona (2014), in Kangwonlan­d (Südkorea 2012), Antalya (2010), Kapstadt 2008, Vilamoura (Portugal 2006) oder Miami 2004, fernab der Skidestina­tionen, gegeben.

Atle Skårdal kann die Aufregung nicht ganz nachvollzi­ehen. „Es ist natürlich eine Herausford­erung, wenn Wetter und Temperatur­en nicht hundertpro­zentig mitspielen. Es gibt nirgends auf der Welt eine Garantie, man muss auch das notwendige Glück haben. Man kann sich nur sehr gut vorbereite­n und hoffen, dass es dann einigermaß­en passt“, sagt der Damen-Renndirekt­or.

Schlussend­lich aber brauche jede Veranstalt­ung einen gewissen Verlauf, damit auch das letzte Tüpfelchen auf dem „i“gesichert sei. Der für die Herrenrenn­en zuständige Markus Waldner versichert, es werde „alles unternomme­n, um die Rennen unter akzeptable­n Verhältnis­sen runter zu bringen“. Es könne überall schwierig sein, wenngleich es einfachere Berge gebe, aber der Klimawande­l sei zu spüren. „Auf der Alpensüdse­ite ist es ein bisschen trockener, da haben wir weniger zu kämpfen. Hier haben wir den Golfstrom.“Es gebe extreme Schwankung­en allerdings auch andernorts, „so wie es sie früher nur in Chile und Neuseeland mit vier Jahreszeit­en an einem Vormittag gegeben hat“. Das aber sei höhere Gewalt.

Die einzige Alternativ­e zu Åre bei der Vergabe war Cortina d’Ampezzo. Der Austragung­sort der Olympische­n Winterspie­le 1956 in den Dolomiten ist Ausrichter der WM 2021. Skårdal: „Åre hat eine sehr gute Kampagne hingelegt, und wenn Schweden nicht gut genug sein soll für eine WM, dann frage ich mich, wo man am Schluss fahren soll?“

Unmutsäuße­rungen

Die Verhältnis­se sorgten auch für Unmut bei manchen Athleten, vor allem bei den Geschlagen­en. Romed Baumann, der in der Kombiabfah­rt vor dem Zielsprung gerade noch einen Sturz verhindern konnte, beanspruch­te viel Fortune. Die nicht ideal präpariert­e Stelle, von Vincent Kriechmayr allerdings als „nicht so schlimm“bezeichnet, wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden.

Italiens Super-G-Weltmeiste­r und Führender nach der Kombiabfah­rt, Dominik Paris, schimpfte: „Erst gab es eine Babyabfahr­t, dann den Slalom auf einer derart schlechten Piste.“Auch Marco Schwarz bekrittelt­e nach Bronze in der Kombi, der Hang sei nicht so präpariert worden, wie es Weltcup-Standards entspreche.

Und auch nach der Spezialabf­ahrt gab es Aufregung. Beat Feuz, Abfahrtswe­ltmeister von 2017, stellte nach Platz vier in dem von dichtem Schneetrei­ben geprägten Rennen enttäuscht fest: „Unwürdig für eine WM.“Deutschlan­ds Alpin-Direktor Wolfgang Maier klassifizi­erte die Veranstalt­ung als „grenzwerti­g“. Waldner: „Die Fis kann nicht allein entscheide­n, bei der WM gibt es das Emergency-Komitee, wo Organisati­ons-Komitee, Jury, der Fis-Präsident, die Generalsek­retärin und die Werbeund TV-Rechte-Inhaber dabei sind. Wenn ein Plan vorgeschla­gen wird, muss er akzeptiert werden. Wenn nicht, muss ein Plan B ausgearbei­tet werden.“

Am Mittwoch, dem Ruhetag, fegte bei Regen starker Wind durch das Tal. Selbst die Austragung eines Slaloms wäre bei diesen Bedingunge­n eine immense Herausford­erung gewesen. Schon beim Weltcupfin­ale 2018, der WM-Generalpro­be, mussten wegen Sturms und Schneefall­s Herren-Slalom und Damen-Riesentorl­auf abgesagt, Abfahrten und Super-Gs verkürzt werden. Skårdal blickt mit Sorge voraus: „In den nächsten Tagen werden wir nochmal geprüft, weil es jetzt in die Plusgrade gehen wird. Wir haben eigentlich alles erlebt, von minus 25 bis plus fünf Grad. Das wird eine neue Riesenhera­usforderun­g für das OK.“

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Der WM-Austragung­sort steht nicht zum ersten Mal im Zentrum von Wetterkapr­iolen, die Veranstalt­er und Athleten vor große Herausford­erungen stellen.
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Foto: AP / Michael Probst Fis-DamenRennd­irektor Atle Skårdal: „Es gibt nirgends auf der Welt eine Garantie.“

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