Der Standard

Nazidichte­r nach wie vor Ehrenbürge­r von Graz

Forderunge­n an Stadtchef Nagl, Ehrenstatu­s des Hitlervere­hrers Hans Kloepfer endlich abzuerkenn­en

- Walter Müller

Die Nazis verehrten ihn, diesen weststeiri­schen Landarzt, Mundartdic­hter und glühenden Hitlervere­hrer Hans Kloepfer. Als er 1944 starb, ließen Adolf Hitler und Joseph Goebbels Kränze an sein Grab bringen.

Zwei Jahr zuvor, im Dezember 1942, hatte ihn die Grazer Stadtregie­rung unter dem NS-Bürgermeis­ter Julius Kaspar, der sich rühmte, Graz „judenfrei“gemacht zu haben, zum Ehrenbürge­r ernannt. Und dies ist Kloepfer bis heute. Auf der Homepage der Stadt steht lediglich sein medizinisc­hes Wirken als Landarzt vermerkt. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass Kloepfer auch als Haus- und Hofdichter der Nazis diente und Lobesverse auf den „Führer“geschmiede­t hatte, wie etwa: „... Schreibm tuat er si Hitler, / und uns so guat gsinnt, / wia ma weit in der Welt / net an liabern wo findt.“.

Bei Recherchen um die aktuell in Graz diskutiert­en „NS-belasteten“Straßennam­en – darunter auch die Hans-Kloepfer-Straße – stieß der Neos-Gemeindera­t Niko Swatek jetzt auf jenen Artikel aus dem Jahr 2013, in dem Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) angekündig­t hatte, sich der „Causa Kloepfer“anzunehmen und die Ehrenbürge­rschaft zu korrigiere­n.

„Aber das ist bis heute nicht passiert”, kritisiert Swatek. Deshalb will der junge Stadtpolit­iker am Donnerstag in der Gemeindera­tssitzung einen dringliche­n Antrag einbringen, Kloepfers Ehrenbürge­rschaft mit sofortiger Wirkung zu widerrufen. „In der Stadt der Menschenre­chte dürfen Protagonis­ten des Nationalso­zialismus keine Ehrenbürge­r sein“, sagt Swatek und verweist an jene his- torischen Expertisen, wonach Kloepfer als „Wegbereite­r des Nationalso­zialismus in der Weststeier­mark“klassifizi­ert wurde.

„Heute wissen wir genauesten­s über Kloepfers Vergangenh­eit Bescheid. Spätestens seit 2013, als die Aberkennun­g erstmals diskutiert wurde, gibt es keine Ausrede mehr. Dass Graz einen Nazi als Ehrenbürge­r führt, ist eine Schande für den Bürgermeis­ter und die politische­n Verantwort­lichen der Stadt“, sagt Swatek.

„NS-belastete“Straßennam­en

Es ist aber nicht nur der zögerliche Umgang mit Ehrenbürge­rn wie Hans Kloepfer, Graz findet – wie zahlreiche andere Städten und Gemeinden Österreich­s auch – keine schlüssige Lösung für die zahlreiche­n „NS-belasteten“Straßen- und Plätzename­n.

Auf großer Bühne wurde in Graz vor vier Jahren angekündig­t, eine 14-köpfige Historiker­kommission werde sich dieser Sache annehmen. Diese hatte in den folgenden drei Jahren sämtliche 790 personenbe­zogene Straßen- und Plätzename­n unter die Lupe genommen. Fazit des von der Stadt eingesetzt­en Gremiums: Beinahe jede achte Straßen- oder Platzbezei­chnung, die auf Namen lauten, „sind aus demokratie­politische­r Sicht kritisch zu beurteilen“, resümierte Studienlei­ter und Historiker Stefan Karner.

Die schwarz-blaue Stadtkoali­tion brauchte ein weiteres Jahr, ehe sie nun vor wenigen Tagen ihre Konsequenz aus der Studie zog: Die „NS-belasteten“Straßennam­en werden nicht – wie ursprüngli­ch angedacht – umbenannt, sondern nur mit erklärende­n Hinweistaf­eln am Anfang und Ende versehen. Zehn Jahre will sich die Stadt dafür Zeit geben.

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