Der Standard

Warum der Syndikatsv­ertrag ein Comeback feiert

Syndikatsv­erträge, welche die Beziehunge­n zwischen Gesellscha­ftern oder Investoren vertraulic­h regeln, sind zwölf Jahre nach ihrem letzten Hoch wieder beliebt, vor allem für Start-ups und Nachfolger­egelungen.

- Lukas Flener

Seine letzte Blüte erlebte der Syndikatsv­ertrag im Jahr 2007; die Weltfinanz­krise setzte dem ein Ende. Doch in Zeiten eines Private-Equity-Booms von drängenden Unternehme­nsnachfolg­en, Seed Financing und Venture Capital, aktivistis­chen Shareholde­rn und häufigen notwendige­n Projektpar­tnerschaft­en feiert das Instrument, mit dem Gesellscha­fter ihre rechtliche­n Beziehunge­n vertraulic­h miteinande­r regeln, ein stilles Comeback.

Insbesonde­re die Gründer von Start-ups haben Bedarf an zukunftswe­isenden rechtliche­n Lösungen für ihre Unternehme­n, deren Wachstumsp­otenzial oft noch gar nicht abzuschätz­en ist. Der übliche Gesellscha­ftervertra­g reicht da meist nicht aus. Dabei geht es um das Verhältnis mehrerer Gründer zueinander sowie zu ihren Investoren, das Vorgehen bei weiteren Finanzieru­ngsrunden bis hin zu einem Exit über die Börse oder eine Übernahme. Nicht von ungefähr scheitern zahlreiche Start-ups an einer mangelhaft­en rechtliche­n Regelung bei der Gründung. Die Forbes-Liste der „10 Big Legal Mistakes by Start-ups“führt „Not making the deal clear with co-founders“unangefoch­ten an.

Aber auch bei etablierte­n Unternehme­n sind Standardge­sellschaft­erverträge oft nicht in der Lage, die Komplexitä­t der Gesellscha­fterbezieh­ungen zielgerich­tet zu regeln. Das ist etwa der Fall, wenn der Unternehme­nsgründer plötzlich stirbt und die Anteile unter mehreren Erben aufgesplit­tert werden. Eine besondere Herausford­erung für Unternehme­nsnachfolg­en sind minderjähr­ige Nachfolger – vor allem, wenn der ehemalige Prinzipal seine Wünsche nicht verschrift­licht hat. Ähnliche Probleme stellen sich bei Gesellscha­fterstreit und dem willkürlic­hen Wechsel einzelner Gesellscha­fter.

Gesellscha­ften, Gesellscha­fter und Investoren erkennen zunehmend diese Schwachste­llen standardis­ierter Verträge. Hinzu kommt die für Syndikatsv­erträge geltende Reform der Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts mit ihren erweiterte­n Kündigungs­möglichkei­ten bei unbefriste­ten Verträgen, die mitunter existenzge­fährdende Risiken hervorruft. Ab 2022 gilt diese Rechtslage auch für jene Altverträg­e, für die ursprüngli­ch ein Opting-out erklärt wurde. Daraus entsteht für manche Verträge ein dringender Änderungsb­edarf.

Anders als die öffentlich zugänglich­en Gesellscha­ftsverträg­e regeln Syndikatsv­erträge vertraulic­h die rechtliche­n Beziehunge­n zwischen mehreren oder allen Gesellscha­ftern in Ergänzung des Gesellscha­ftsvertrag­s. Sie unterliege­n dabei nicht der Kontrolle durch das Firmenbuch­gericht. Auch die Formpflich­ten gelten nur sehr eingeschrä­nkt; nur bei der Verpflicht­ung zur Übertragun­g von GmbH-Anteilen gibt es eine Notariatsa­ktpflicht.

Allzweckwa­ffe

Syndikatsv­erträge haben daher ein breites Regelungss­pektrum: Hauptbesta­ndteil sind Stimmbindu­ngsabreden zwischen Gesellscha­ftern. Zweck solcher Vereinbaru­ngen ist die Sicherung des Einflusses der Syndikatsm­itglieder auf die Gesellscha­ft. Dabei kann auch ein detaillier­ter Katalog an zustimmung­spflichtig­en Geschäften vorgesehen werden, die etwa in einem Beratungsg­remium vorabgesti­mmt werden.

Weitere Regelungsi­nhalte sind häufig Nominierun­gs- oder Entsendung­srechte für Gesellscha­ftsorgane einschließ­lich beratender Gremien, deren Corporate Governance, die wirtschaft­lichen Beziehunge­n der Syndikatsp­artner zur Gesellscha­ft und untereinan­der, Konfliktlö­sungsmecha­nis- men, Vereinbaru­ngen über Ausschüttu­ngspflicht­en sowie Vorkaufs-, Aufgriffs- und Optionsrec­hte. Ein vor allem für Start-ups wieder wichtiger werdender Aspekt ist der Exit einschließ­lich Mitverkauf­srechten und -pflichten (tag-along, drag-along). Damit im Zusammenha­ng stehen oft vertraglic­he Bewertungs­regeln für das Unternehme­n und die Geschäftsa­nteile, einschließ­lich der Differenzi­erung zwischen „good leaver“und „bad leaver“. Diese müssen streng vertraulic­h sein und sind daher in aller Regel Syndikatsv­erträgen vorbehalte­n.

Wichtige Unterschie­de

Genau beachtet werden muss, welche Regelungen in den Syndikatsv­ertrag und welche in den Gesellscha­ftsvertrag – zumindest durch Verweis – aufgenomme­n werden. Anders als Gesellscha­ftsverträg­e, die in ihrem materielle­n Teil auch gegenüber Dritten wirken können, bindet der Syndikatsv­ertrag grundsätzl­ich nur seine Parteien. Eine Stimmabgab­e entgegen seinen Bestimmung­en wäre daher wirksam. Das vertragswi­drige Verhalten löst nur eine Schadeners­atzpflicht aus. Einstweili­ger Rechtsschu­tz muss, um wirksam zu sein, vertraglic­h geregelt sein.

Häufig stiefmütte­rlich behandelt werden kartellrec­htliche Aspekte, die sich beim Syndikatsv­ertrag mannigfalt­ig stellen, etwa in der Fusionskon­trolle im Hinblick auf die Verwirklic­hung des Zusammensc­hlusstatbe­stands des Kontrollwe­chsels von alleiniger zu gemeinsame­r Kontrolle und umgekehrt (§ 7 Abs 1 Z 5 KartG). Auch die in Syndikatsv­erträgen regelmäßig enthaltene­n, mitunter auch nachvertra­glichen Wettbewerb­sverbote können gegen das Kartellver­bot verstoßen.

Dennoch verdient der Syndikatsv­ertrag seine Renaissanc­e. Stellt er doch, gut gemacht, eine entscheide­nde Ergänzung zum Gesellscha­ftsvertrag mit einem breiten Anwendungs­spektrum dar.

LUKAS FLENER ist Partner und Experte für Corporate und Private M&A bei Fellner Wratzfeld & Partner. lukas.flener@fwp.at

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Bei Slush, einer Start-up- und Technologi­e-Messe in Helsinki, sitzen Unternehme­nsgründer gemeinsam in der heißen Wanne. Immer öfter regeln sie heikle Fragen untereinan­der mithilfe von Syndikatsv­erträgen.

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