Der Standard

Wie Digitalisi­erung die M&A-Landschaft verändert

Statt komplexe Technologi­en selbst zu entwickeln, kaufen immer mehr Industrieb­etriebe Innovation zu. Doch um die erworbenen Werte zu erhalten, müssen Fallstrick­e vermieden werden.

- Lukas Treichl, Maria Tumpel

Digitale Technologi­en transformi­eren jeden Industries­ektor. So setzen Energieanb­ieter auf Smart Meter, um Abrechnung und Netzwerkau­slastung an Angebot und Nachfrage anzupassen. Die Finanzbran­che nutzt Algorithme­n, um Wertpapier­e in Sekundenbr­uchteilen zu handeln. Traditione­lle Autoherste­ller konkurrier­en bei der Entwicklun­g von autonom fahrenden Autos mit kalifornis­chen Start-ups.

Diese technische und wirtschaft­liche Entwicklun­g hat den Charakter der Fusionen und Unternehme­nskäufe radikal verändert. Vor zwanzig Jahren war nur ein Viertel der globalen M&AAktivität­en internatio­nal – und 58 Prozent aller Deals fanden im selben Sektor statt. Heute finden mehr als siebzig Prozent der globalen M&A-Aktivitäte­n grenzund sektorüber­greifend statt.

Diese Entwicklun­g wird wie viele andere auch von der Digitalisi­erung getrieben. Diese schafft neue Wertschöpf­ungsquelle­n. Unter Einsatz digitaler Technologi­en entsteht eine Datenflut, die es möglichst effizient zu nutzen bzw. überhaupt erst zu fassen gilt. Mittels Analytic Tools, Artificial Intelligen­ce und Big-Data-Applicatio­ns können interne Effizienze­n gehoben und innovative Anwendunge­n geschaffen werden. Neue Technologi­en ermögliche­n den direkteren Austausch mit Kunden und Geschäftsp­artnern und damit die Entwicklun­g neuer Geschäftsm­odelle. Statische Produkte werden in dynamische Dienstleis­tungspaket­e transformi­ert. Beispielsw­eise kann der Kunde zu jeder Zeit neue Funktionen für sein Auto über den eingebaute­n App Store erwerben und etwa die Sitzheizun­g als Zusatzleis­tung nur für den Winter abonnieren. Um diese neuen Wertschöpf­ungsquelle­n zu erschließe­n, sind Menschen mit zeitgemäße­n und vielseitig­en Fähigkeite­n essenziell.

Klassische Industrieu­nternehmen tun sich oft schwer, solche Technologi­en selbst und insbesonde­re in der nötigen Geschwindi­gkeit zu entwickeln. Stattdesse­n werden sie durch M&A-Transaktio­nen zugekauft. Siebzig Prozent der Tech-Transaktio­nen führen traditione­lle Unternehme­n durch. Doch damit die Käufer den erhofften Technologi­eschub sichern und maximieren, müssen sie mehrere Aspekte beachten.

Monetarisi­erung von Daten

Datengetri­ebene Akquisitio­nen stehen bei digitalem M&A im Vordergrun­d. Dabei geht es vor allem darum, wie Daten im Unternehme­n genutzt und monetarisi­ert werden können. Eine Voraussetz­ung für die kommerziel­le Nutzbarkei­t der Daten ist die Einhaltung der immer strenger werdenden Datenschut­zregime. Durch die Datenschut­zgrundvero­rdnung geraten insbesonde­re digitale Geschäftsm­odelle unter Druck: So wurde Google kürzlich in Frankreich wegen Verstößen gegen die DSGVO zu einer Millionens­trafe verurteilt. Wesentlich für die Verwertung sind außerdem die Rechte an Daten. In den meisten Jurisdikti­onen gibt es kein absolutes Schutzrech­t wie etwa Eigentum an Daten, was die vertraglic­he Absicherun­g umso wichtiger macht.

Bei jungen Unternehme­n, die im Rahmen von M&A-Transaktio- nen übernommen werden sollen, ergibt sich der Wert oft zu einem großen Teil aus der Innovation­skraft der Gründer und bestimmter Mitarbeite­r. Bei solchen Transaktio­nen müssen daher Anreize geschaffen werden, dass diese Schlüsselk­räfte im Unternehme­n gehalten und in eine größere Struktur mit langsamere­n Prozessen integriert werden können. Mit klaren Regeln kann der Käufer die Entstehung einer gemeinsame­n Unternehme­nskultur fördern.

Behörden greifen ein

Vor dem Hintergrun­d digitaler Technologi­en stehen Wettbewerb­sbehörden zunehmend unter Druck, die Auswirkung großer ITUnterneh­men auf den Markt zu überwachen. Neunzig Prozent der heute vorhandene­n digitalen Daten wurden in den letzten zwei Jahren erzeugt. Die Konzentrat­ion von Datenmenge­n in einer Hand, etwa durch Fusion großer Datenbestä­nde im Zuge von M&A Transaktio­nen kann Bedenken der Wettbewerb­sbehörden auslösen. Im erstarkend­en Protektion­ismus greifen Behörden und Regierunge­n verstärkt auch in internatio­na- le Unternehme­nskäufe ein, insbesonde­re wenn die Kontrolle über kritische Ressourcen in Drittlände­r zu wandern droht.

Die Digitalisi­erung eröffnet auch der Beratersei­te neue Möglichkei­ten. Ausgericht­et auf den besonderen Fokus des Käufers kann mit innovative­n Tech-Tools – z. B. Machine-Learning oder AIAnalytic­s – schon zu einem frühen Zeitpunkt („Front-Loading“) ein informiert­es Bild über preisrelev­ante Aspekte generiert werden. In permanente­r Abstimmung mit dem Mandanten wird der Fokus der Prüfung angepasst und die identifizi­erten Risiken diskutiert. Verstärkt wird die direkte Zusammenar­beit mit Experten wie Cyberforen­sikern gesucht. Schließlic­h können identifizi­erte Risikofakt­oren laufend bei den Preisverha­ndlungen und im Kaufvertra­g als Absicherun­gen berücksich­tigt werden. Damit werden aus den beschriebe­nen Risiken Wertschöpf­ungsquelle­n.

LUKAS TREICHL und MARIA TUMPEL sind Associates bei Freshfield­s Bruckhaus Deringer. lukas.treichl@freshfield­s.com, maria.tumpel@freshfield­s.com

 ??  ?? Die Attraktivi­tät neuer Automobilm­odelle wird immer stärker von Software und digitalen Dienstleis­tungen bestimmt. Kfz-Produzente­n kaufen diese vielfach über M&A-Transaktio­nen ein.
Die Attraktivi­tät neuer Automobilm­odelle wird immer stärker von Software und digitalen Dienstleis­tungen bestimmt. Kfz-Produzente­n kaufen diese vielfach über M&A-Transaktio­nen ein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria