Der Standard

Warten auf das neue Urheberrec­ht

Eigentlich hätte die finale Version der Copyrightr­eform schon im Dezember stehen sollen. Einig ist man sich aber nach wie vor nicht. Klar ist nur, dass Uploadfilt­er und das Leistungss­chutzrecht höchstwahr­scheinlich bleiben.

- Muzayen Al-Youssef

Kaum eine EU-Reform hat so viele Diskrepanz­en zwischen den Ansichten der EU-Kommission, dem Rat und dem Parlament zutage gebracht wie jene des Urheberrec­hts. Die Verhandlun­gen hätten eigentlich im Dezember zu einem Ende kommen sollen, rund zwei Monate später bleibt die Thematik weiterhin ohne Ergebnis. Zu Mittwochmi­ttag hätte eigentlich die finale Version stehen sollen, stattdesse­n wurde aber bis Redaktions­schluss noch heftig diskutiert.

Der Streitpunk­t liegt bei zwei Artikeln: Einerseits dem Artikel 13, der sogenannte Uploadfilt­er vorsieht, und die Artikel -14-16a, die die künftigen Rechte von Autoren gegenüber Verwertung­sgesellsch­aften regeln.

Zuvor hatten sich die Regierunge­n und der Rat auf eine Version des Artikels 13 geeinigt, die vor allem von Kritikern als eine der „extremsten“Formen der bisherigen Entwürfe bezeichnet wird. Der umstritten­e Artikel sieht vor, dass Inhalte im Netz noch vor einer Veröffentl­ichung in sozialen Netzwerken auf eine Urheberrec­htsverletz­ung geprüft werden müssen. Sollte eine bestehen, muss der Upload verhindern werden. In der Fassung, die nun vor allem im EU-Parlament für Unzu- friedenhei­t sorgt, sollen solche Uploadfilt­er für alle profitorie­ntierten Plattforme­n gelten. Ausnahmen würden dann herrschen, wenn die Plattform jünger als drei Jahre alt ist, der Jahresumsa­tz weniger als zehn Millionen Euro beträgt und sie weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat hat. Gilt einer dieser Punkte nicht, müsste ein Filtersyst­em eingebaut werden. Zudem müssen die Betreiber belegen können, dass sie „größte Bemühungen“unternomme­n haben, um sich Lizenzen von Urhebern einzuholen.

Offener Brief

Zuletzt haben sich Rechteinha­ber wie der Verband der Musikwirts­chaft (IFPI) und der Medienverl­ag Bertelsman­n gegen die Reform ausgesproc­hen. Sie appelliere­n dafür, dass die Ausnahmen ausgeräumt werden. Medien-, Journalist­en- und Verlegerve­rbände fordern „weitere Verbesseru­ngen“, um den Text „wirklich bedeutsam“für den kulturelle­n und kreativen Sektor zu machen. Der offene Brief, der am Montag veröffentl­icht wurde und sich an die Verhandler im Trilog richtet, wurde insgesamt von 28 verschiede­nen Verbänden unterzeich­net. Ohne die neue Reform hätten Urheber keine Garantie auf faire Ver- gütung und die betroffene­n Branchen wären großen rechtliche­n Unsicherhe­iten ausgesetzt, so die Verbände. Daher würde die europäisch­e Kultur einen großen Schaden davontrage­n, wenn sie nicht angenommen werde, heißt es.

Netzaktivi­sten und Start-ups warnen hingegen bereits seit Monaten vor Uploadfilt­ern, die als potenziell­e Zensurmaßn­ahme kritisiert werden. Zudem bestünde die Gefahr eines „zersplitte­rten“Internets: Schon bei der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO), die im Mai 2018 in Kraft getreten ist, entschiede­n sich zahlreiche Plattforme­n dazu, die Vorgaben nicht umzusetzen. Europäisch­e Nutzer können daher bis heute die Webseiten nicht verwenden. Ein ähnliches Vorgehen ist im Falle eines Uploadfilt­ers auch bei der Urheberrec­htsreform wahrschein­lich, vor allem, weil die verlässlic­he Implementi­erung eines solchen Systems sehr kosteninte­nsiv ist. Google ist eines der wenigen Unternehme­n, die bereits einen Uploadfilt­er, genannt ContentID, implementi­ert haben. Der Konzern kündigte an, dass die Reform dazu führen könnte, dass sich Plattforme­n wie Youtube „gezwungen sehen“, nur mehr Inhalte von wenigen großen Unternehme­n zuzulassen.

Ein weiteres Diskussion­sthema sind offenbar die Artikel -14-16a, wie es aus Parlaments­kreisen gegenüber dem Standard heißt. Diese sollen die Rechte für Kunstschaf­fende und Rechteinha­ber verbessern. Während Kommission und Rat sich etwa dafür stark machen, dass Knebelvert­räge weiterhin legal bleiben und keine Transparen­z zum Erfolg eines Inhalts verpflicht­et wird, will ein großer Teil des Parlaments die Rechte der Künstler aufpeppen.

Ebenso umstritten, wenngleich im Trilog aktuell kein zentraler Streitpunk­t, ist der Artikel elf, der ein sogenannte­s Leistungss­chutzrecht für Presseverl­eger in Aussicht stellt. Die Idee dahinter ist, dass Aggregator­en wie beispielsw­eise Google News oder Facebook in Zukunft keine Ausschnitt­e, sogenannte „Snippets“von Pressetext­en mehr anzeigen dürfen, ohne ihnen dafür Geld zu zahlen. Hyperlinks seien davon ausgeschlo­ssen. Befürworte­r dieser Pläne sehen einen Diebstahl von Inhalten, der dann durch Werbung monetarisi­ert werde. Kritiker sprechen hingegen von Zensur und einer Einschränk­ung der Linkfreihe­it, die im Internet herrscht und ein maßgeblich­er Teil davon sei. Google stellte in Aussicht, seinen Dienst Google News gänzlich einzustell­en. Zudem argumentie­rte das Unternehme­n, dass vorwiegend große Verlage von der neuen Regelung profitiere­n würden, da der Konzern Lizenzen abschließe­n müsste. In Spanien hat Google sein Angebot News bereits 2015 eingestell­t, nachdem eine ähnliche Regelung in Kraft getreten war. Davon trugen vor allem kleine Medien Schäden, wie eine Studie attestiert.

Achterbahn

Schon seit vergangene­m Jahr wird heftig über das neue Copyright im Netz debattiert. Sowohl für Kritiker wie auch Befürworte­r der Reform führten dabei die ständig zueinander konträren Entwicklun­gen in der Causa zu Reaktionen zwischen Freude und Schnappatm­ung: Im Mai 2018 wurde die Reform mit Uploadfilt­ern und Leistungss­chutzrecht vor dem EU-Parlament abgelehnt, im September stimmte die Mehrheit der Parlamenta­rier wiederum für einen nicht weniger strengen Entwurf. Seitdem wird im Trilog verhandelt. Für die österreich­ische Ratspräsid­entschaft im vergangene­n Jahr war es ein Anliegen, diese zu einem Ende zu bringen. Die Regierung scheiterte aber letztendli­ch daran, dass im EU-Parlament Uneinigkei­t herrschte.

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Seit fast einem Jahr sorgt die Urheberrec­htsreform für heftige Debatten.

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