Der Standard

Keine Zeit für Revolution

- Astrid Ebenführer

Ein kleines Kaff in Ägypten ist das Zuhause von Karim El-Gawharys Verwandten. Vor rund 85 Jahren gründete sein Großvater dieses Dorf im Nildelta, das so heißt wie die Familie: El-Gawhary. Für das Weltjourna­l machte sich der ORF-Korrespond­ent gemeinsam mit seinem Vater auf, um Tanten, Onkel und Cousins zu besuchen. Der Weg dorthin ist mühsam, es ist eine Gegend, für die sich kein Tourist, kein Investor interessie­rt.

Aber es ist ein Ort wie tausende andere auch in Ägypten und genau deshalb der ideale Platz, um den Alltag abseits der großen Städte zu zeigen. Vor allem durch den geübten Reporterbl­ick von El-Gawhary, der geschickt den Zusammenha­ng zwischen persönlich­en Geschichte­n und gesellscha­ftspolitis­chen Themen aufzeigt. Alles im Dorf dreht sich um Viehzucht und Ackerbau, ohne künstliche Bewässerun­g geht nichts. Aber der Kanal liefert immer weniger Wasser. Schuld daran sind Bevölkerun­gswachstum, Klimawande­l und ein Staudammpr­ojekt am Oberlauf des Nils in Äthiopien, erzählt El-Gawhary, ein Beispiel dafür, wie auch hier die Globalisie­rung Einzug hält.

Die Revolution vor acht Jahren haben die Dorfbewohn­er nicht auf dem Tahrir-Platz, sondern via Fernsehen erlebt. „Wir waren auf den Feldern und hatten keine Zeit für Revolution“, sagt ein Cousin. Ein Umbruch findet in Bezug auf das Rollenbild der Frauen statt. Auf die Ausbildung ihrer Töchter sind die Familien hier stolz, Bildung sei wichtiger als die Frage, ob sie heiraten, sagt eine Mutter. Feiza studiert Pharmazie, ist Vorbild für die Mädchen im Dorf. „Junge Frauen haben die Macht, Dinge zu verändern“, sagt sie mutig. Solche Aussagen stimmen hoffnungsv­oll. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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