Der Standard

Politik mit der Motorsäge

Für Präsident Bolsonaro hat der Regenwald Brasiliens Wirtschaft­spotenzial. Agrarlobby und Holzfäller wollen Gegenleist­ungen für den Wahlkampf.

- Susann Kreutzmann aus São Paulo

Die Gewalt hat in den vergangene­n Wochen massiv zugenommen.“Gilson Rego vom Landpastor­al in der Amazonas-Stadt Santarém ist beunruhigt. Gerade hat er von neuen Morddrohun­gen gegen Kleinbauer­n erfahren. Die meisten wohnen in Dörfern entlang der Bundesstra­ße, die Santarém mit Cuiabá verbindet und als einzige asphaltier­te Straße durch den Bundesstaa­t Pará führt. Holzfäller dringen in die Orte ein, roden wertvolle Bäume und brennen das Land ab. „Wer dagegen aufbegehrt, wird bedroht oder sogar getötet“, sagt Rego.

Die Kleinbauer­n sind der Holzmafia ausgeliefe­rt. Von der Regierung haben sie keinen Schutz zu erwarten. Der Umweltbehö­rde Ibama wurden gerade wieder die Mittel gekürzt, Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro hält sie für „ideologisc­h und kapriziös“und würde sie gern abschaffen.

Rechte der Ureinwohne­r

Holzfäller, Rinderzüch­ter und Sojabauern fühlen sich nach dem Sieg ihres Kandidaten Bolsonaro gestärkt. Sie haben ihn massiv im Wahlkampf unterstütz­t, jetzt warten sie auf Gegenleist­ungen. Und Bolsonaro, der Klimawande­l für ein marxistisc­hes Hirngespin­st hält, lässt sie nicht warten. Sofort verkündete er, Schutzgebi­ete im Regenwald für Bergbau, Rinderzuch­t und Landwirtsc­haft freizugebe­n. Dabei haben die Ureinwohne­r ein in der Verfassung festgeschr­iebenes Recht auf das Land, auf dem sie leben. Die Nutzung ist ausschließ­lich ihnen vorbehalte­n.

Als erste Amtshandlu­ng entmachtet­e Bolsonaro die Indianerbe­hörde Funai, die Ureinwohne­r schützen soll, und schlug sie dem Landwirtsc­haftsminis­terium zu. Damit wird deutlich, wessen Interessen die Behörde nun schützen soll. Das Ministeriu­m leitet Tereza Cristina, eine Vertreteri­n der Agrarlobby. Der Funai steht der Ex-General Franklimbe­rg Ribeiro vor, der für eine kanadische Minenfirma mit Interesse am Bergbau im Amazonas-Gebiet tätig war.

Bolsonaro sieht sich als Vorreiter für ein neues Brasilien, wie er auf dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos verkündete. Umweltschu­tz sei ein Hindernis für wirtschaft­liche Entwicklun­g. Oft betonte er, dass die Landwirtsc­haft nur neun Prozent der Fläche Brasiliens einnehme, Naturschut­zgebiete 20 Prozent. Doch die genannten Zahlen sind die halbe Wahrheit. Denn auf 19 Prozent der Fläche Brasiliens weiden Rinder. Ein Großteil des Areals entstand durch illegale Abholzung des Regenwalde­s.

„Keinen Zentimeter für Indianerre­servate“, tönte Bolsonaro im Wahlkampf. Er will dort Hotels bauen lassen. Die Ureinwohne­r sollten sich freuen, denn sie würden endlich in die Gesellscha­ft „integriert“, sagte er. In Reservaten lebten sie „wie im Zoo“.

Die Umweltpoli­tik von Bolsonaro bedroht die gesamte Menschheit. Durch den Kahlschlag wird im Amazonas alle acht Sekunden eine Fläche von der Größe eines Fußballpla­tzes gelichtet. 20 Prozent des Amazonas-Regenwalde­s sind bereits vernichtet. 2018 ist die illegale Rodung wieder angestiege­n – um 13,7 Prozent im Vergleich zu 2017. Satelliten­bilder zeigen die wachsenden weißen Flächen. Für Mauricio Voivodic vom WWF Brasilien sind die Zahlen keine Überraschu­ng: „Der Kampf gegen illegale Abholzung müsste in der brasiliani­schen Regierung Priorität haben.“Stattdesse­n werde kein illegaler Holzfäller zur Rechenscha­ft gezogen.

Der Klimaforsc­her Carlos Nobre warnt, dass sich bei anhaltende­r Abholzung das Amazonas-Gebiet bald in eine Savanne verwandeln werde. Die trockenen Perioden hätten in den vergangene­n 30 Jahren konstant zugenommen.

Unwiderruf­lich verödet

Wenn die Abholzung des Regenwalde­s mit dem gleichen Tempo anhalte, sei in 20 bis 50 Jahren die Landschaft unwiderruf­lich verödet. Der Amazonas als weltweit größtes Regenwaldg­ebiet wirkt wie eine riesige Wärme- und Wasserpump­e. Brasiliens Wasservorr­at speist sich aus ihm. Ein einzelner Baum kann mehr als 1000 Liter Wasser pro Tag abgeben. Als „fliegende Flüsse“treiben die riesigen Wolken gen Süden sowie in Richtung der Andenlände­r und regnen dort ab. Schon jetzt ist dieser Kreislauf gestört. In den letzten Jahren litt der Süden Brasiliens unter einer heftigen Dürre.

Antonio José Bentes lebt im Inneren des Amazonas-Gebietes im Bundesstaa­t Pará, in Princesa Isabela. Nur eine Sandpiste verbindet ihn mit der Außenwelt. Doch auch hier gibt es keine großen Bäume mehr. „Manchmal höre ich nachts die Motorsägen oder sehe die Lichter der Laster“, sagt er. Dann wisse er, der Regenwald werde zerstört. Das Holz des Ipê-Baums sei das kostbarste auf dem Markt und vom Aussterben bedroht. Wie sich das Klima ändert, spürt Bentes: Die Luft sei trocken und staubig, und „es kommen immer weniger Vögel“, sagt der 59-Jährige. Auch die wilden Bienen sind schon lange weg.

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Häuptling Marcelino Apurina im Dorf Novo Paraiso. Die Rechte der Indigenen sind akut bedroht.

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