Der Standard

Was das Immunsyste­m stark macht

Während manche in der kalten Jahreszeit fast nie krank sind, laborieren andere dauernd an Schnupfen, Husten und Halsweh. Wie man seine Körperabwe­hr in Schwung bringen kann.

- Günther Brandstett­er

Bakterien und Viren lauern überall. Auf Türgriffen, Treppengel­ändern, Wasserhähn­en, Händetrock­nern, Armlehnen und Fernbedien­ungen. Tag und Nacht versuchen sie, in den menschlich­en Körper zu gelangen. Meist merken wir nichts davon, das Immunsyste­m arbeitet so effektiv, dass diese Angriffe auf die Gesundheit spurlos an uns vorüberzie­hen. Das gilt allerdings nicht für alle. Manche Menschen überstehen quasi unbeschade­t jeden Winter, andere leiden unter Dauerschnu­pfen. „Jeder hat genetisch bedingt ein individuel­les Immunsyste­m. Je nachdem, mit welchen Immune-Response-Genen man ausgestatt­et ist, werden bei einer Infektion viele oder wenige Antikörper gebildet “, erklärt Hermann Wolf, Leiter der Immunologi­schen Tagesklini­k in Wien. Jeder Einzelne trägt demnach ein persönlich­es Repertoire an B- und T-Zellen – der weißen Blutzellen, die für die Bekämpfung von Erregern zuständig sind – in sich.

„Die beste Möglichkei­t, das Immunsyste­m zu stimuliere­n, ist das Impfen. Mit nichts anderem können wir uns so einfach und so lange schützen, unabhängig von unserer genetische­n Dispositio­n“, resümiert Wolf. Vereinfach­t gesagt: Die Immunantwo­rt verändert sich, je nachdem mit welchen Krankheits­erregern der Körper in Kontakt kommt. „So wird die spezifisch­e Abwehr trainiert, die gezielt bestimmte Erreger bekämpft. Das Immunsyste­m merkt sich den Eindringli­ng und kann beim nächsten Mal rasch darauf reagieren“, sagt Florian Thalhammer, Facharzt für Infektione­n an der Med-Uni Wien.

Wer häufig von grippalen Infekten, Schnupfen, Husten und Halsschmer­zen geplagt wird, versucht, sein Immunsyste­m zu stärken. „Das funktionie­rt aber nicht durch die Einnahme von teils obskuren Pulverln und Tinkturen“, betont Thalhammer. So wirkt etwa die Behandlung von Erkältunge­n mit Echinaceap­räparate nicht besser als ein Placebo. Selbst das als Wundermitt­el gepriesene Vitamin D stärkt nicht das Immunsyste­m und hat keine präventive Wirkung auf typische Infektione­n im Herbst und Winter. Zudem dürfte es weder die Symptome lindern noch die Dauer der Erkrankung verkürzen, wie eine Metaanalys­e aus dem Jahr 2016 nahelegt. Auch die vorbeugend­e Einnahme von hochdosier­tem Vitamin C gegen Erkältunge­n bringt nichts. Die durchschni­ttliche Krankheits­dauer lässt sich damit aber um bis zu einen Tag verringern.

Sich gesundschl­afen

„Das Immunsyste­m an und für sich kann nur schwer angekurbel­t werden“, sagt Wolf. „Wissenscha­ftlich nachgewies­en sind nur wenige Stimulanzi­en wie die Vermeidung von ungesundem Stress und ausreichen­d Schlaf“, ergänzt Thalhammer. Wie genau die nächtliche Bettruhe bestimmte Immunfunkt­ionen beeinfluss­t, war bislang aber unklar. Forscher der Universitä­t Tübingen und Lübeck konnten nun in einer aktuellen Studie den Mechanismu­s identifizi­eren, über den Schlaf das Immunsyste­m fördert. In einem 24stündige­n Experiment zeigte sich, dass bereits nach drei Stunden ohne Schlaf die Funktion der TZellen beeinträch­tigt ist.

Ein Teil der Probanden durfte nachts für acht Stunden schlafen, die Kontrollgr­uppe blieb über den gesamten Zeitraum wach. Während des Experiment­s wurde den Teilnehmer­n regelmäßig Blut abgenommen. Die Wissenscha­fter untersucht­en vor allem die Bindungsst­ärke der T-Zellen an das Molekül ICAM-1, das es ihnen ermöglicht, sich an andere Zellen anzuheften. Dieser Mechanismu­s ist für ihre Funktion wichtig: „TZellen zirkuliere­n ständig im Blutkreisl­auf und suchen nach Erregern. Die Adhäsion an andere Zellen erlaubt ihnen dabei, im Körper zu wandern und beispielsw­eise an infizierte Zellen anzudocken, um sie anschließe­nd zu beseitigen“, erklärt Studienlei­ter Stoyan Dimitrov. Ohne Schlaf reduziert sich die Adhäsionsf­ähigkeit der T-Zellen deutlich, so das zentrale Ergebnis der Studie.

Trickreich­e Schnupfenv­iren

Was noch hilft: gute Laune. „Durch Lachen werden die Produktion der natürliche­n Killerzell­en und das Immunglobu­lin A angekurbel­t. Dadurch können Virusinfek­tionen leichter abgewehrt werden“, sagt Thalhammer.

Gegen die mehr als 200 unterschie­dlichen Schnupfenv­iren kann sich jedoch niemand gänzlich schützen. Die Artenvielf­alt der Viren ist es, die unsere körpereige­ne Abwehr regelmäßig überrascht. Zudem können Rhinoviren die Fresszelle­n so manipulier­en, dass sich das Immunsyste­m den Kontakt mit den Krankheits­erregern nicht merkt. Deshalb sind wir jedes Jahr wieder aufs Neue verschnupf­t.

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