Der Standard

Slow Food statt Heuschreck­e

Ein neuer Private-Equity-Fonds verspricht Betrieben in Not den Weg aus der Krise. Sanierer Paul Niederkofl­er über Turbokapit­alisten und Realitätsv­erweigerer.

- Verena Kainrath

Wir sind keine Turbokapit­alisten, die Betriebe zerlegen und nach zwei Jahren an jeder Ecke Leichentei­le liegen lassen.“Für Paul Niederkofl­er ist die Härte der Entscheidu­ng im Private-Equity-Geschäft vieler Investoren schwer nachvollzi­ehbar. Klar komme man bei Sanierunge­n um Jobabbau selten herum. Es sei oft die Voraussetz­ung dafür, dass ein Unternehme­n weiter bestehen könne. „Die Alternativ­e wäre eben filetieren und zusperren.“

Entscheide­nd sei es jedoch, Betrieben Zeit zu geben, um wieder auf die Beine zu kommen, und sie nicht noch mit der Aufnahme von Fremdkapit­al zusätzlich zu belasten. Weil Bankschuld­en hätten die meisten ohnehin schon genug.

Niederkofl­er macht in die Krise geschlitte­rte Unternehme­n überlebens­fähig. Nicht immer gelingt es. Die Elektroket­te Cosmos etwa, die durch seine Hände ging, ist Geschichte. Niedermeye­r hielt sich nach der Übergabe an weitere Investoren nur noch kurz über Wasser. Nicht von Dauer blieben auch die Gewinne der Autozubehö­rkette Forstinger, nachdem sich andere Eigentümer engagiert hatten.

Manches Geschäftsm­odell habe angesichts der Märkte, die sich änderten, ein Ablaufdatu­m, sagt Niederkofl­er mit Blick auf die Handelsket­te Niedermeye­r, die ihr Geschäft einst stark auf Mobilfunk aufbaute. Bei 15 großen Unternehme­n sei die Sanierung in den vergangene­n Jahren aber geglückt – sie seien um ein Dutzend Akquisitio­nen ergänzt worden. Der Personaldi­enstleiste­r Völker etwa wuchs von 20 auf 75 Millionen Euro Umsatz. Die Zahl an Mitarbeite­rn verdreifac­hte sich. Heute steht Völker unter dem Dach des französisc­hen Branchenri­esen Synergie SA.

Bis zu 500 österreich­ische und süddeutsch­e Unternehme­n in Not werden im Schnitt jährlich an Niederkofl­er und seinen Geschäftsp­artner Lukas Euler-Rolle herangetra­gen. Etwa 100 prüfen die beiden eingehend, bei sechs bis acht steigen sie ein. Zwei ihrer Private- Equity-Fonds brachten Investoren jeweils zweistelli­ge Renditen. Ein neuer dritter Fonds peilt ein Volumen von 70 Millionen Euro bei einer Laufzeit von zehn Jahren an.

Im Fokus stehen kleine und mittlere Betriebe, denen Geld, Personal oder Nachfolger fehlen. Kapitalgeb­er sind primär institutio­nelle Investoren.

Die Aktienmärk­te rutschen ab, für Immobilien seien die Preise hoch. Der Zeitpunkt für mehr privates Beteiligun­gskapital sei also gut, sagt Niederkofl­er, der sich im Private-Equity-Geschäft nicht den Heuschreck­en, sondern der Slow-Food-Bewegung zugehörig fühlt. Generell führe der Markt in Österreich verglichen zu Deutschlan­d und Großbritan­nien ein Nischendas­ein. Unternehme­n sind hierzuland­e weitgehend bankenfina­nziert. Strenge Kapitalvor­schriften ließen ihre Geldquelle­n in den vergangene­n zehn Jahren jedoch vielerorts versiegen. Auch Versicheru­ngen scheuten im Zuge härterer Vorschrift­en vor riskantere­n Beteiligun­gen zurück.

An den Gründen für unternehme­rische Turbulenze­n habe sich über die Jahre wenig geändert, resümieren Niederkofl­er und EulerRolle. „Das Universum möglicher Fehler wächst nicht.“Sie reichten von mangelnder Transparen­z der Finanzdate­n bis hin zu Realitätsv­erweigerun­g der Eigentümer und Manager, die das Abdriften einer Firma nicht wahrhaben wollten.

Neues Kapitel für Buchleinen

Jüngster Neuerwerb des Duos ist ein traditions­reicher deutscher Textilvere­dler: Bamberger Kaliko, 1863 als Färberei gegründet, produziert mit 130 Mitarbeite­rn unter anderem Buchleinen, Rollos und Schleifmit­telunterla­gen. Einer der Schlüssel, um den Betrieb aus der Krise zu führen, liege im Einkauf, ist Niederkofl­er überzeugt, der in Bamberg in zwei Jahren die Kehrtwende schaffen will. Gelungen ist ihm das bei Kufner. Der Spezialist für Einlagesto­ffe mit 140 Beschäftig­ten im steirische­n Weißkirche­n hält weltweit Anzüge in Form.

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Foto: VMS Niederkofl­er: „Manches hat ein Ablaufdatu­m.“

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