Provokation ist sein Geschäft
Als Gast der FPÖ oder von Servus TV: Der deutsche jüdische Publizist Henryk M. Broder ließ diese Woche Österreich an seiner Islamkritik teilhaben. Das Porträt eines Aufregers.
Die große Aufregung blieb diesmal aus. Zwar verhehlten Heinz-Christian Strache und sein deutscher Gast, der Kolumnist und Publizist Henryk M. Broder, nicht ihre Verbundenheit. Aber Strache umarmte Broder am Mittwochabend im Wiener Kursalon Hübner bei einer Diskussion über „islamischen Antisemitismus“nicht wie ein Kleinkind, das dem Lieblingsteddybären seine Zuneigung zeigen will.
Alice Weidel hat das vor kurzem bei einer Veranstaltung ihrer Fraktion mit Broder getan. Jede Menge Spott gab es danach für die AfD-Fraktionsvorsitzende und viel Kritik an Broder. Der entschuldigte sich und räumte ein, ein Journalist sollte eigentlich auf Distanz zu Politikern sein.
Mutmaßungen, dem 72-Jährigen sei die Debatte ganz recht gewesen, sind durchaus erlaubt, denn die Provokation ist Broders Geschäft. „Vor die Wahl zwischen Depression und Aggression gestellt, habe ich mich immer für die Aggression entschieden“, hat er 2007 erklärt und sich damit eine Dauerkarte für deutsche Talkshows gesichert. Die Meinungen über Broder gehen weit auseinander. Für manche ist er – nebst Thilo Sarrazin – ein großer publizistischer Verräter, da er die Seiten gewechselt hat.
Über Wien nach Köln
Henryk Marcin Broder – er nennt sich selbst Henryk Modest Broder – stammt aus einer jüdischen Handwerkerfamilie. Seine Eltern überlebten Buchenwald und Auschwitz, Broder wurde im August 1946 im polnischen Katowice geboren.
Über Wien kam er mit seiner Familie 1958 nach Köln und schrieb nach dem Abitur für eine Reihe linker Postillen wie Pardon, Konkret und die St. Pauli Nachrichten – bei Letzteren gab es auch noch Sex dazu. In dieser Hamburger Zeit lernte er auch den späteren Spiegel- Chefredakteur Stefan Aust und den Aufdecker Günter Wallraff kennen.
Doch im linken Milieu fühlt sich Broder bald nicht mehr zu Hause, er kritisiert den dort seiner Meinung nach massiven Antisemitismus und die Kritik an Israel. „Euer Antizionismus ist nichts anderes als eine von links her aufgemotzte Variante des Antisemitismus“, wirft er 1981 in einem offenen Brief in der Zeit seinen „mehr oder weniger lieben linken Freunden“vor. Dann verlässt er Deutschland und lässt sich für ein Jahrzehnt in Israel nieder.
Ein „Pausenclown“
1993 kehrt er wieder zurück, er publiziert Besteller, schreibt für den Spiegel, den Tagesspiegel, das Profil, auch für die Süddeutsche Zeitung, die ihn 2010 allerdings nur noch als „Pausenclown“und „manischen Provokateur“bezeichnet.
Doch es gibt ja noch das Internet. Abgesehen von seiner Kolumne in Springers Tageszeitung Welt (deren Herausgeber Stefan Aust ist) veröffentlicht der preisgekrönte Broder (unter anderem Ludwig-Börne-Preis, Bayerischer Fernsehpreis) seit einigen Jahren mit Gleichgesinnten im Blog Die Achse des Guten.
Seine Fans feiern ihn dort für jene Positionen, die bei den linken Ex-Freunden für Schnappatmung sorgten – also früher, denn mittlerweile ist Broder ja recht berechenbar geworden. Es geht regelmäßig gegen Angela Merkels Asylpolitik, vor allem aber übt er Kritik am Islam. Den 1,5 Milliarden Muslimen weltweit attestiert er, dass sie „chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen“. Der Islamwissenschafter Thorsten Gerald Schneiders (Uni Münster) sieht bei Broder mehr als Islamkritik, nämlich Islamfeindlichkeit.
Doch Broder bekommt seinen Applaus längst auch für andere Thesen von ganz rechts. Klimawandel ist für ihn bloß „die ewige Abfolge von Winter, Frühjahr, Sommer und Herbst“, zur schwedischen Aktivistin Greta Thunberg fällt ihm demzufolge nur der Tatbestand des „Kindesmissbrauchs“ein.
Und natürlich erklärt Broder auch, dass er vom Thema „Gender“nichts hält: „Ein Hamster hat keine Wahl, auch wenn er lieber als Gazelle unterwegs wäre, man muss Mitleid mit allen Giraffen haben, die von einem Leben als Delfine träumen, kann ihnen aber nicht helfen.“
Rüge vom Chefredakteur
Für den jüngsten Auftritt bei der AfD gab es jedoch auch eine Rüge von Welt- Chefredakteur Ulf Poschardt. „Wichtige Regel: Politiker und Journalisten sollten sich nie umarmen (lassen)“, twitterte er.
Da war es dann vorbei mit der Ironie, von der Broder selbst gern Gebrauch macht. Er rechtfertigte seinen Auftritt bei der AfD nämlich so: „Wann bekommt ein Jude schon die Gelegenheit, in einem Raum voller Nazis, Neonazis, Kryptonazis und Paranazis aufzutreten?“Gar nicht mitbekommen haben viele, dass Broder AfD-Chef Alexander Gauland für dessen Aussage über die Nazizeit einschenkte: „Man legt die Füße nicht auf den Tisch, man rülpst nicht beim Essen, und man nennt die zwölf schlimmsten Jahre der deutschen Geschichte nicht einen ,Vogelschiss‘.“Das hätte auch den lieben alten linken Freunden gefallen, wenn sie es gehört hätten.