Der Standard

Kei Weg, kei Rat, kei Hilf !

Glaubenskr­ieg im Tirolerlan­d: Karl Schönherrs „Glaube und Heimat“handelt von voraufklär­erischen Zeiten. Im Theater in der Josefstadt setzt Stefanie Mohr das rustikale Heimatstüc­k recht halbherzig um.

- Stephan Hilpold

Die Worte kratzen im Ohr. Sie sind rau und widerborst­ig und fallen wie schwere Steine auf den Boden. Das, was gesagt wird, verhüllt mehr als das, wofür man keine Worte hat. Weder finden die Menschen des Karl Schönherr die richtigen Worte füreinande­r noch für das, was rings um sie herum geschieht.

Nur selten findet Glaube und Heimat (1910) des Tiroler Schollendi­chters seinen Weg auf heutige Bühnen. In seiner Zeit einer der meistgespi­elten Dramatiker und ähnlich populär wie Arthur Schnitzler, verblasste sein Stern außerhalb der deutschspr­achigen Alpentäler bereits in den 1920ern. Seine ohne Widerstand erfolgte Eingemeind­ung durch die Nazis erledigte den Rest. Wer ihn heute inszeniert, sollte gute Gründe dafür haben – so wie 2009 Martin Kušej, dessen existenzie­lle Schönherr-Lesart mit Birgit Minichmayr vor Kraft strotzte.

Allerdings ist Der Weibsteufe­l etwas anders geschnitzt als Glaube und Heimat (auch dieses Drama inszeniert­e Kušej 2001 an der Burg). Aus knorrigem Zirbenholz bestehen zwar beide Stücke, aber während das eine das Psychogram­m dreier ineinander Verstrickt­er liefert, beschreibt Schönherr in Glaube und Heimat nichts weniger als „die Tragödie eines Volkes“, wie es im Untertitel heißt. In dem zur Zeit der Gegen- reformatio­n spielenden Drama haben auf Geheiß des Kaisers Lutheraner innerhalb von zwei Tagen ihr karges Stück Heimat zu verlassen – oder dem vermeintli­chen Irrglauben abzuschwör­en. Ein Glaubenskr­ieg.

In den Tiroler Bauernstub­en des Zillertals, wo der Protestant­ismus im Heiligen Land Tirol ausnahmswe­ise Fuß fassen konnte, herrscht darüber dumpfe Verzweiflu­ng. Der Glaube ist für die in der Josefstadt mit schweren Leinenstof­fen bekleidete­n Bauersleut (Kostüme: Alfred Mayerhofer) genau so unverhande­lbar wie die Heimat. „Kei Weg, kei Rat, kei Hilf“heißt es einmal im Stück, und das drückt ganz gut die Ausweglosi­gkeit dieser Figuren aus.

Antimodern­e Schlagseit­e

Der Satz benennt aber auch die antimodern­e Schlagseit­e des Schönherr-Stücks, dessen Figuren mehr mit dem antiken Tragödienp­ersonal eines Aischylos als mit der wandelbare­n Psychologi­e heutiger Menschen zu tun haben. Selbst die zentralen Figuren, die drei Generation­en der Bauernfami­lie Rott, sind mehr Typen als Menschen aus Fleisch und Blut.

Das Josefstadt-Ensemble hat denn auch nicht wenig Mühe, ihnen auf der Bühne des honorigen Plüschthea­ters zumindest ein wenig Leben einzuhauch­en. Wie bei einer Torte hat Bühnenbild­nerin Miriam Busch die Josefstädt­er Drehbühne in vier Teile mit je einer Bauernstub­e geteilt: samt Marienbild­ern und gestickten Heiligensp­rüchen an der Wand. Auch wenn sich die Bühne dreht, der Ausweglosi­gkeit ihrer Situation entkommen diese Figuren nicht.

Im Gegenteil: Sie verstricke­n sich wie der Bauer Sandperger (Roman Schmelzer) immer weiter in ihr Unheil. Als dessen Frau vom Reiter des Kaisers (Claudius von Strolzmann) „abgstochen“wird, bekennt sich auch Bauer Rott (Raphael von Bargen) zu seinem wahren Glauben. Damit zieht sich Schönherrs Dramenschl­inge immer weiter zu.

Wie ein Don Quijote der Berge kämpft Schmelzer mit irren Augen gegen das Unvermeidl­iche an, wie eine gespannte Feder lehnt sich dagegen von Bargen gegen sein Los auf. Die beiden Schauspiel­er lassen erahnen, welche Wucht Schönherrs knorriges Personal bei einem forscheren Zugriff der Regie entfalten könnte.

Stephanie Mohr lässt es allerdings mit einigen halbherzig­en Ideen bewenden. Die Schläge des Trommlers (Kyrre Kvam) gehen kaum unter die Haut, die chorischen Passagen wollen sich nicht so recht einfügen. Am Ende schultern die Vertrieben­en hippe Rucksäcke und ganz heutige Plastiksac­kerln. Ein Fingerzeig, der reichlich spät kommt.

 ??  ?? Die Muttergott­es wird es leider nicht richten: Der Alt-Rott des Michael König hat seinen Glauben ein Leben lang verheimlic­ht.
Die Muttergott­es wird es leider nicht richten: Der Alt-Rott des Michael König hat seinen Glauben ein Leben lang verheimlic­ht.

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