Der Standard

Heuchleris­che Diskussion

- Vanessa Gaigg

Dem Streit über das Selbstbest­immungsrec­ht von Frauen über ihren Körper wurde zwar Mitte der 1970er-Jahre ein vorläufige­r juristisch­er Schlusspun­kt gesetzt, doch selbst der Status quo steht wieder zur Debatte: Das zeigt die Unterstütz­ung einer Bürgerinit­iative von Politikern aus den Reihen der Regierungs­parteien, darunter Norbert Hofer (FPÖ). Im Vordergrun­d steht die Forderung nach der Abschaffun­g der Möglichkei­t zum späten Abbruch in Fällen, in denen ein Kind schwer behindert geboren würde. Argumentie­rt wird mit dem Wert des Lebens.

Diskussion­en darüber, wie viel Platz Menschen mit Behinderun­gen in unserer Gesellscha­ft haben, sind dringend notwendig. Das Thema aber einseitig mit Abtreibung zu verknüpfen ist heuchleris­ch: Denn ob Eltern sich dazu im Stande sehen, für ein Kind zu sorgen, das mit einer schweren Behinderun­g leben wird, ist eine zutiefst soziale und ökonomisch­e Frage. Gleichzeit­ig bergen etwa die bisher vorgelegte­n Pläne zur Kürzung der Mindestsic­herung speziell für Behinderte Nachteile, wie Betroffene kritisiere­n.

Das zeigt, dass es in der Regel nicht um die Rechte von Behinderte­n, sondern um jene von Frauen geht – und die sollen beschnitte­n werden. Es ist feig, wenn ÖVP und FPÖ sich hinter einer Bürgerinit­iative verstecken, um das Thema Abtreibung durch die Hintertür auf die Agenda zu bringen. Viel eher wäre eine Stellungna­hme der Frauenmini­sterin geboten. Doch die entzieht sich der Diskussion.

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