Kommt ein Kameel in die Bar
Zugegeben, Gästebücher liegen in Zeiten wie Krisen nicht wirklich im Trend – freundlich drückt das den Umstand der Unmoderne aus. Ganz bewusst verwendet Heinz P. Adamek den Terminus, die wie aus der Zeit gefallene Nomenklatur, um das vergangene Jubiläum eines Kultlokals möglichst stilvoll zu begehen: 400 Jahre Schwarzes Kameel. Um der illustren Gästeschar der Institution in der Bognergasse gerecht zu werden, lud der Autor, Jurist und Kulturmanager den Maler, Szenografen und Bildhauer Étienne Yver ein, ein Imaginäres Gästebuch zu zeichnen. Als ob die reale Melange aus Noblesse und Mätresse, Society, Künstlern, Musen, bourgeoisen Bohemiens, Geld- und Adel nicht illuster genug wäre. Aber ernst: „Das Kameel“ist und bleibt eines der grandiosesten verlängerten Wohnzimmer der Wiener City. Zugleich Bühne und Zuschauerraum, Refugium und öffentliches Atrium. Sakral und profan, diskret indiskret. In dem pointierten Sketchbook begegnet man allen Stars der Wiener Gesellschaft, von Kaiser Franz Joseph und Sisi, vom Strauß-Schani über Freud und Musil zum heiligen Trinker Joseph Roth und Barfly Helmut Berger, von Gustav Mahler, Karajan bis zu Haneke, Jelinek, Klimt und Lauren Bacall. Liebenswert, mit Augenzwinkern. Wie ein Eintrag ins Gästebuch eben. Eine Karawane erlesenen Geschmacks ... Na oisdann. Da soll ja nur einmal einer sagen, „eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr“. Gregor Auenhammer
Heinz P. Adamek, Étienne Yver, „400 Jahre Schwarzes Kameel. Imaginäres Gästebuch“. € 20,– / 72 S. PuM Friese, Wien 2019