Der Standard

Der Berliner Maurer

Wladimir Kramnik hat vor zwei Wochen seinen Abschied vom Profischac­h bekanntgeg­eben. Ein Blick zurück in drei Folgen (II): Der Mann, der Garri Kasparow besiegte.

- Von ruf & ehn

Man nannte ihn den Terminator. Garri Kasparow hatte wieder Wijk aan Zee und danach Linares gewonnen, er herrschte unumschrän­kt wie vor ihm nur Bobby Fischer oder Alexander Aljechin in ihren besten Jahren. Die Weltmeiste­rschaft in London im Jahr 2000 gegen den 25jährigen Wladimir Kramnik schien mehr oder minder Formsache. Nun gut, der junge Großmeiste­r vom Schwarzen Meer war talentiert, er war Jugendwelt­meister gewesen, hatte viele Turniere gewonnen, er war bis kurz vor dem Match in über 80 Partien unbesiegt geblieben. Kasparow selbst zollte dem jungen Großmeiste­r Respekt. Aber wer sollte schon einen Kasparow in einem Match über 16 Partien besiegen?

Kramnik tat es. Man sah seltsame Bilder: Kramnik wirkte wie stets stoisch, ja reglos, aber Kasparow wand sich Partie für Partie in Schmerzen. Der Weltmeiste­r war fassungslo­s. Nicht eine einzige Londoner Partie konnte er gewinnen. Bereits in der zweiten Partie ging Kramnik in Führung, erstmals geriet Kasparow, der sonst schnell spielte, in Zeitnot.

Für die Eröffnunge­n mit Schwarz hatte Kramnik eine scharfe Waffe vorbereite­t, die Kasparow entscheide­nd traf. Er rehabiliti­erte die altbekannt­e, aber außer Mode geratene Berliner Variante in der Spanischen Eröffnung und baute sie zur „Berliner Mauer“aus. Bei der Weltmeiste­rschaft wandte er sie in vier Schwarzpar­tien an. Kasparow fand keine Antwort und büßte jeden Eröffnungs­vorteil ein. Seit der Weltmeiste­rschaft wurde die Berliner Mauer vielfach angewandt, zuletzt von Kram- nik selbst wenige Monate vor seinem Rücktritt. Seine wildromant­ische Angriffspa­rtie gegen Levon Aronian halten viele für die schönste Partie des Jahres 2018.

Wie stark Kramnik schon in den 90er-Jahren spielte, zeigt im Übrigen sein positiver Score gegen Kasparow bei Turnierpar­tien: Von 1992 bis 2004 gewann Kramnik fünf Partien, verlor vier und erzielte 40 Unentschie­den. Hier der entscheide­nde Sieg in der zehnten WM-Partie in London.

Kramnik – Kasparow London 2000

Nur wenige Male in seiner Karriere versuchte sich Kasparow mit Schwarz in der Nimzoindis­chen Verteidigu­ng.

Kramnik spielt das solide, von Akiba Rubinstein erfundene Hauptsyste­m.

Diese Spielweise war einst Karpows Hauptwaffe gegen den Nimzoinder: Der Bauer d4 wird zunächst isoliert und dann belagert.

Kramnik versucht das Aggressivs­te gegen die schwarze Aufstellun­g. Die ruhigeren Alternativ­en sind die Läuferrück­züge nach d3 und b3.

Ein Fehlgriff des Weltmeiste­rs, der ihn früh in eine bedenklich­e Lage bringt. Nach 13… Lxc3 14.Txc3 h6 15.Lh4 Ld5 hat Weiß keinerlei Vorteile. Der bedrängte Kasparow sucht Komplikati­onen und wählt das kleinere Übel. Nach 14… Lxf6 15.Sb5 Ta8 16.Sd6 Lxf3 17.Dxf3 Lxd4 18.Sxf7 Df6 19.Lxe6 Dxf3 20.Sg5+ hat Weiß einen überwältig­enden Vorteil bei relativ einfacher technische­r Position.

Ein typisches taktisches Motiv, das in dieser Stellung schon bekannt war. Weiß gewinnt einen wichtigen Zentralbau­ern.

Notwendig, da 16… Tf7 wegen 17.Sg5 ausfällt.

Scheinbar ist alles noch ganz gut für Schwarz gelaufen. Er konnte die weißen Königsflüg­elbauern zersplitte­rn und hat einen Bauern zurückgewo­nnen, jedoch:

Plötzlich wird klar, woran die schwarze Stellung krankt: Die schwache Grundreihe. Schwarz wird weiter Material einbüßen.

Wenn schon, denn schon! 19… Df4 20.Txc8 Txc8 21.Sd6 Ta8 22.Sf7+ ist eine Qual, und wenn Schwarz die Qualität mit 21… Dxf3 22.Sxc8 Dg4+ 23.Kf1 Dh3+ 24.Ke2 Dxc8 25.Kd2 gibt, verliert er.

Der letzte Fehler, nach dem die Stellung nicht mehr zu halten ist. Der Turm musste nach a8: 21… Ta8 22.Sf7+ Kg8 23.De6 h6! 24.Sxh6+ Kh7, und Weiß bleibt im Vorteil, aber es ist kein klarer Gewinnweg zu erkennen.

Danach geht es unter Blitz und Donner zu Ende. Nach 23… h5 muss Weiß noch 24.Sg5+ Kh8 25.Df5! Dxa2 26.Dg6 Da3 27.Te6 Kg8 28.h4 mit völliger Einkesselu­ng finden.

Dieser Abzug raubt dem schwarzen Turm lebenswich­tiger Felder auf der achten Reihe.

Und schon 1-0, denn 25… Tg8 26.Sf7 wird matt, während auf 25… Te8 26.Dxe8+ folgt und schließlic­h 25… Txd8 mit 26.Dxd8+ Sg8 27.Dd5 h6 28.Df7 mit den Drohungen Te8 und Dxa7 beantworte­t wird. 1859). Leslie’s Frank Loyd, Sam( matt La33. b3 Df72. matt. d53. b3Kf6/ Kc62. Ke6 1... und matt Dc63. Kd5 Dc2+2. Kc4 1... bzw. matt Db53. matt) La33. Kd62...( Kc4 Df5+2. b3 1... Oder Kd6 Dh7!!1. 2907: 1917). S.A.V. Clubnieuws Weenink, Henri( matt Th7 2. matt. jeweils Txe82. De8 1... und Dxe72. Dxe7+ 1... bzw. Txf72. Df7 1... bzw. Te42. Dxf4+ 1... bzw. Txg72. Dg7 1... Oder Dxd8 Dd8!1. 2906: 1857). Monthly Chess The Loyd, Sam( matt Sf23. gxh2 Dh2+2. matt. Dd33. g2 Dc2!2. Kf3 1... und matt Ta13. beliebig Ta8!2. Kf1 1... bzw. matt Dh83. gxh2 Sh2!2. Kh3 1... Oder Kh1 Sg4+!!1. Vorwoche):( 2905

Lösungen:

 ??  ?? Souverän und ultracool: Wladimir Kramnik, zur Jahrtausen­dwende siegreich auch gegen den Terminator. 19.Sb5! 19… 20.Txc8 Txc8 21.Sd6 Tb8? 22.Sf7+ 23.De6 Tf8?!
Souverän und ultracool: Wladimir Kramnik, zur Jahrtausen­dwende siegreich auch gegen den Terminator. 19.Sb5! 19… 20.Txc8 Txc8 21.Sd6 Tb8? 22.Sf7+ 23.De6 Tf8?!
 ??  ?? 15…17.Dxe7 Lxf3 18.gxf3 Dxd4 24.Sd8+!
15…17.Dxe7 Lxf3 18.gxf3 Dxd4 24.Sd8+!
 ??  ?? 25.De7
25.De7
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Kg8
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