Der Standard

Gen Z im Film: So sollten Junge sein

Die aktuelle Berlinale versucht offensicht­lich, die junge Generation Z in die Wunschscha­blonen des Arbeits- und Leistungsl­ebens einzuschul­en. Bei den Adressaten kommt die Botschaft nicht an.

- Christian Scholz aus Berlin

DGASTBEITR­AG: ie Berlinale hat als Filmfestiv­al eine gesellscha­ftspolitis­che Aufgabe. Das ist gut und richtig – genauso wie die daran ansetzende­n Diskussion­en. Dies gilt besonders für die Sektion „Generation 14plus“, die sich primär um Jugendlich­e von 14 bis 25 Jahren dreht, also um die Generation Z: Sie beginnt den Arbeitsmar­kt zu erobern und führt bei Unternehme­n mit ihrer Andersarti­gkeit zunehmend zu einer Mischung aus Faszinatio­n plus Unsicherhe­it.

Filme können helfen, Realität zu verstehen und mit ihr umzugehen. Sie können auch politisch eingesetzt werden, um die Realität zu verändern. Letzteres versucht die Berlinale bei „Generation 14plus“: Bereits 2016 setzte die Sektionsle­iterin Maryanne Redpath mit der Aufführung von Las Plantas einen nicht zu überhörend­en Paukenschl­ag: In diesem Film geht es um die 17-jährige Florencia, die sich in einem schwülen chilenisch­en Sommer mit ihrer Persönlich­keitsentwi­cklung beschäftig­t. Männer spielen keine relevante Rolle: Es gibt den alkoholkra­nken Onkel, dann einen sexuell von ihr abhängigen alten Mann und ihren älteren Bruder. Der liegt im Wachkoma, Florencia wechselt die Windeln, liest ihm vor. Florencia macht keinen glückliche­n Eindruck. Sie muss sich zur modernen Leistungsg­esellschaf­t bekennen und auf Leichtigke­it, Spaß und Lebensfreu­de verzichten.

Das ist die Botschaft von Las Plantas und den anderen Filmen aus der Generation­en-Sektion an die jungen Frauen im Publikum.

Nur kommt diese Botschaft bei den jungen Frauen der Generation Z nicht an: „Ein Mädchen, das sich selber findet. Darum geht es in je- dem Scheißfilm, der hier im Programm läuft.“So fasste eine junge Besucherin diese Ideologie auf der Berlinale 2016 zusammen, nach der jungen Mädchen mit erhobenem Zeigefinge­r erklärt wird, wie sie sich in dieser Welt verhalten müssen.

2019 steht diese explizit als neofeminis­tische Perspektiv­e bezeichnet­e Botschaft sogar im Programmhe­ft: „Wild entschloss­ene Frauen, vor und hinter der Kamera; ein breites Spektrum weiblicher Perspektiv­en prägen das Programm. Sie nehmen ihr Schicksal in die Hand, gegen Widersprüc­he und Widerständ­e.“

Auf der „Berlinale Generation 14plus“drehten sich von den 14 Langfilmen gerade einmal zwei Filme um Männer – und auch dies nur in einer stereotypi­sierenden Form, einmal als Boxer, einmal als überforder­ter Vater. Alles andere sind Filme über Frauen: von Zwangspros­titution über Schwangers­chaft und Beziehungs­probleme bis zur Phallus-Schnitzeri­n im Himalaja. Besonders extrem: Jennifer Reeder, angekündig­t als kämpferisc­he Feministin, die am besten die Logik der Filmauswah­l verkörpert. In ihrem Film Knives and Skin inszeniert sie als Abklatsch von Twin Peaks das Verschwind­en einer Schülerin, ergänzt um die üblichen negativen Männerbild­er.

Über diese einseitig feministis­che Ideologie, die Sektionsle­iterin Maryanne Redpath und letztlich auch der Festivalle­iter Dieter Kosslick vertreten, kann man im Feuilleton trefflich streiten. Man kann aber auch ins Grübeln geraten, wenn es um die Übertragun­g auf die Generation Z in der Arbeitswel­t geht.

Und die jungen Männer?

Zunächst einmal ist es für die jungen Männer der Generation Z irritieren­d, dass sie praktisch nicht vorkommen. Dieses Schicksal erleiden sie auch in manchen Schilderun­gen der Arbeitswel­t, die eher die Frauenkarr­ieren „als Vorbild“in den Mittelpunk­t rücken. Das Wort „erleiden“ist nicht ganz richtig. Die männlichen Vertreter der Generation Z haben überhaupt kein Problem damit, nicht im Scheinwerf­erlicht zu stehen. Hier ist die empirische Faktenlage eindeutig: Die Generation Z will die Kämpferrol­le nicht akzeptiere­n, sondern Sicherheit, Struktur, Wohlfühlen und sich in Ruhe selbst verwirklic­hen.

Die Frauen der Generation Z wollen das alles eher noch extremer und lehnen kategorisc­h das ab, was die Filme der „Generation 14plus“(im Einklang mit der aktuellen Wirtschaft­spolitik) von jungen Menschen auf der Berlinale verlangen.

Die für die Berlinale ausgewählt­en Filme der Sektion „Generation 14plus“treffen damit nur begrenzt den Kern der Generation Z, und die Botschaft mit dem erhobenen Zeigefinge­r trifft überhaupt nicht das Interesse der Frauen dieser Generation.

Trotzdem kann die Arbeitswel­t im Umkehrschl­uss wichtige Botschafte­n von der Sektion „Generation 14plus“mitnehmen: So passen die Frauenförd­erungsprog­ramme, bei denen Frauen lernen, sich noch dominanter als Männer in der Arbeitswel­t durchzuset­zen, auf keinen Fall in das Weltbild der Generation Z. Sie interpreti­ert das Berufslebe­n nicht als Geschlecht­erkampf, schon allein weil sie „Geschlecht“viel differenzi­erter sieht.

Auch eine Arbeitswel­t, die Angst fördert und auf Dystopie basiert („Digitalisi­erung als Tsunami“), ist keine Kommunikat­ionsbasis für die Generation Z. Stattdesse­n kann man sich vom wunderbare­n Film We Are Little Zombies von Makoto Nagahisa inspiriere­n lassen, der als Exot bei „Generation 14plus“lief und die bunte Welt der Generation Z so zeigt, wie die jungen Menschen ihre Entwicklun­g sehen: von sich, für sich und ganz sicher nicht gegen andere.

CHRISTIAN SCHOLZ ist emeritiert­er Professor und Arbeitswel­tforscher an der Universitä­t des Saarlandes.

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