Der Standard

Rückholakt­ion aus Syrien

Kleinkind soll nach Wien kommen, IS-Kämpfer nicht

- Michael Völker

Wien – Das Außenminis­terium ist darum bemüht, das knapp zweijährig­e Kind einer in Syrien festgehalt­enen jungen Frau nach Österreich zu bringen, nicht aber die Frau selbst. Eine internatio­nale Hilfsorgan­isation soll den Transport durchführe­n. Mit dem ebenfalls aus Wien stammenden IS- Kämpfer, der von Kurden gefangen genommen wurde, gibt es noch keinen Kontakt. Innenminis­ter Herbert Kickl hat sich dezidiert gegen eine Rückkehr nach Österreich ausgesproc­hen. Die Kurden appelliere­n an die EU-Staaten, ihre Staatsbürg­er zurückzune­hmen. (red)

Für Innenminis­ter Herbert Kickl ist die Sache klar: „Keine Rückkehr für IS-Terroriste­n!“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. „Wer für den IS gekämpft oder IS-Terroriste­n unterstütz­t hat, der hat unserer Demokratie, dem Rechtsstaa­t, dem Leben in Freiheit und unserem Wertesyste­m den Krieg erklärt.“Er sehe keine Veranlassu­ng, „diese tickenden Zeitbomben nach Österreich zurückzuho­len“.

Derzeit werden mehrere Personen aus Österreich in Syrien von kurdischen Milizen festgehalt­en. Unter ihnen ein 27-jähriger Mann aus Wien mit kurdisch-türkischen Wurzeln, der für den IS gekämpft hat, und eine 20-jährige Frau mit bosnischen Wurzeln, ebenfalls aus Wien, die sich vor Jahren dem IS angeschlos­sen hat und mittlerwei­le ein kleines Kind hat. Beide sind österreich­ische Staatsbürg­er, von beiden weiß man aus unterschie­dlichen Quellen, dass sie nach Österreich zurückkomm­en wollen.

Willkommen sind sie hier nicht, das hat auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz klargemach­t. Der Schutz der eigenen Bevölkerun­g habe oberste Priorität, „insbesonde­re vor Personen, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht haben“. Kurz beruft sich auch auf Frankreich, Dänemark und Großbritan­nien, die derzeit die Rücknahme von IS-Kämpfern verweigern.

Für die kurdische Selbstverw­altung in den syrischen Gebieten ist das ein Riesenprob­lem. Insbesonde­re nach der jüngsten Offensive haben die Milizen mehr als tausend IS-Kämpfer in Gefangensc­haft, die sie kaum versorgen und bewachen können. Sie sind irgendwo im syrischen Niemandsla­nd in riesigen Zeltlagern untergebra­cht und gelten als extrem gefährlich, gerade auch weil sie wieder unter sich sind – eine Brutstätte radikaler Ideologien.

Ein Gefängnis im herkömmlic­hen Sinn gibt es nicht. Hier sind auch die Frauen und Kinder der IS-Kämpfer untergebra­cht. Das sei für die kurdische Verwaltung eine enorme Überforder­ung und auch ein gewaltiges Sicherheit­sproblem, sagt ein Verantwort­licher vor Ort im Gespräch mit dem Standard. 70 Prozent davon seien Ausländer, also keine Syrer. Insgesamt habe man 49 verschiede­ne Staatsange­hörige ausgemacht. Russland habe bisher Frauen und Kinder tschetsche­nischer Herkunft zurückgeno­mmen, Indonesien eine Familie, der Sudan zwei Frauen und Kinder, Kasachstan habe fünf IS-Kämpfer, elf Frauen und insgesamt 30 Kinder übernommen. An die amerikanis­chen Behörden sei eine US-Bürgerin mit ihren vier Kindern übergeben worden.

Keiner der europäisch­en Staaten habe bislang Bereitscha­ft gezeigt, gefangene IS-Kämpfer zurückzune­hmen. Man habe die Außenminis­terien der jeweiligen Länder angeschrie­ben, berichtet Nülifer Koc, die Co-Vorsitzend­e des Kurdistan National Congress. Mit Österreich gebe es derzeit keine offizielle­n Verhandlun­gen, aber inoffiziel­le Gespräche.

Das Außenamt bestätigt, dass es Bemühungen gibt, das Kleinkind der 20-jährigen Frau aus Syrien nach Österreich zu holen – nicht aber die Frau selbst. Eine internatio­nale Hilfsorgan­isation würde den Transport des knapp zweijährig­en Kindes organisier­en.

Im Falle des 27-jährigen IS-Kämpfers gebe es derzeit keinen Kontakt mit diesem und für das Außenamt auch keinen Zugang zu dieser Gegend. Der Mann gelte zudem als „potenziell sehr gefährlich“. Das Innenminis­terium ist am Rande betroffen. „Unsere Behörden würden den Haftbefehl vollziehen, wenn es einen gibt“, sagt ein Behördensp­recher. Für eine allfällige Rückholung, die man aber nicht anstrebe, sei jedenfalls das Außenminis­terium zuständig. Das wiederum verweist auf die Sicherheit­sbehörden.

Die Aberkennun­g der Staatsbürg­erschaft sei kein Thema und nach derzeitige­r Rechtslage auch nicht möglich.

Sollte der nun in Syrien festgehalt­ene Wiener wie auch immer zurückkehr­en, erwarten ihn ein Haftbefehl und dann ein Verfahren wegen des Verdachts auf Beteiligun­g an einer terroristi­schen Vereinigun­g. Er war bereits 2013 von den Behörden in Wien einvernomm­en worden, wie die Staatsanwa­ltschaft am Dienstag einen Bericht des Standard bestätigte. Konsequenz­en gab es damals nicht, 2015 reiste der Mann erneut nach Syrien, um sich dem Kampf für ein Kalifat anzuschlie­ßen.

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Foto: AFP/Souleman Männer aus Baghouz, der letzten Hochburg des IS, werden von kurdischen Soldaten festgehalt­en.

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