Der Standard

Lob für Macrons Appell

In einem offenen Brief an die EU-Bürger präsentier­t sich Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron als Beschützer Europas gegenüber dessen äußeren und inneren Feinden.

- Stefan Brändle aus Paris ANALYSE:

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat für seinen flammenden Europa-Appell Lob aus Berlin und Brüssel erhalten.

Das Vorgehen ist zumindest unüblich. Noch nie wandte sich ein europäisch­es Staatsober­haupt direkt an sämtliche EU-Bürger. Emmanuel Macron tut es mit einem Beitrag, der am Dienstag in 28 europäisch­en Tageszeitu­ngen erschienen ist und der die Kampagne für die Europawahl­en von Ende Mai mit einem Paukenschl­ag einläutet.

Schon die Auswahl der Blätter verdeutlic­ht die Wahlkampfa­bsicht. In Deutschlan­d und Österreich etwa wählte Macron zum Beispiel liberalkon­servative Medien wie Die Welt und Die Presse. Deren Leser neigen tendenziel­l jenen liberalen Parteien zu, mit denen Macrons Formation La République en Marche einen dritten Block zwischen rechts und links aufbauen will.

Plädoyer für Europa

Natürlich sagt das Macron nicht offen. Er präsentier­t sich vielmehr als Leader der europäisch­en Idee und deren Beschützer in sozialer, migrations­politische­r, ökonomisch­er wie auch klimatisch­er Hinsicht. „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so nötig, aber noch nie war Europa in solcher Gefahr“, schreibt der französisc­he Präsident mit einer klaren Warnung vor den „Nationalis­ten“. Sie würden, statt Lösungen anzubieten, nur Falschinfo­rmationen streuen und nützten die Wut der Völker aus, schreibt der Staatschef, der in seinem Land durch die Gelbwesten-Bewegung unter Druck steht.

Inhaltlich macht Macron eine ganze Reihe konkreter „Vorschläge“. So will er den Schengen-Raum reformiere­n und ihn mit der Migrations­frage verknüpfen, wie er schreibt: Wer von der Bewegungsf­reiheit Schengens profitiere­n wolle, müsse auch eine doppelte Pflicht auf sich nehmen – undurchläs­sige Grenzkontr­ollen gegen außen sowie eine „einheitlic­he Asylpoliti­k“mit „gleichen Aufnahmere­geln“. Indem er die Schengen-Freiheit mit den umstritten­en Flüchtling­squoten verbindet, fordert Macron direkt Gegner wie den ungarische­n Premier Viktor Orbán heraus.

Immer noch zum besseren Schutz des Alten Kontinents fordert Macron, die Militäraus­gaben generell zu erhöhen und in Ergänzung zur Nato einen „europäi- schen Sicherheit­srat“zu schaffen. Dieser soll auch Großbritan­nien einschließ­en, meint der französisc­he Präsident. Damit zeigt er auch Unterschie­de zu den deutschen Positionen: Auch wenn Macron den Briten handelspol­itisch keine Brexit-Konzession­en machen will, sucht er sie in eine europäisch­e Sicherheit­sarchitekt­ur mit operativer Eingreiftr­uppe einzubauen.

Der 41-jährige Präsident will die Europäer auch besser gegen politische Eingriffe von außen schützen. Die Finanzieru­ng politische­r Parteien aus dem Ausland soll untersagt werden. In Frankreich ist das bereits geschehen, nachdem der Front National von Marine Le Pen in Moskau Geld aufgenomme­n hatte. Macron will ferner eine europäisch­e „Agentur zum Schutz der Demokratie“ins Leben rufen, um Wahlen in Europa vor ausländisc­hen Hackerangr­iffen und Falschinfo­rmationen zu schützen. Russland nennt er dabei so wenig wie China, das er anderweiti­g im Visier hat: So will er ausländisc­he Investitio­nen in strategisc­hen EUFirmen besser kontrollie­ren. Diese sollen bei öffentlich­en Ausschreib­ungen gegenüber der Außenkonku­rrenz bevorzugt werden. Generell versteht Macron seinen Appell als Weckruf: „Wir dürfen nicht Schlafwand­ler in einem erschlafft­en Europa sein“, schreibt er. Sozialpoli­tisch will der Franzose europaweit einen Sockel mit einem Mindestloh­n schaffen.

Bekannte Wahlkampft­hemen

Viele dieser Vorschläge überträgt Macron aus seinem Präsidents­chaftswahl­kampf von 2017 auf die europäisch­e Ebene. Einige Pariser Stimmen bespötteln den gesamteuro­päischen EU-Ansatz des selbstbewu­ssten Staatschef­s auch als „napoleonis­ch“. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk unterstütz­e Macrons Äußerungen am Dienstag „vollkommen“. Ein Sprecher von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sprach von einem „wichtigen Beitrag zur europäisch­en Debatte“. Macrons internatio­naler Aufruf mag wahlpoliti­sch motiviert sein. Sicher ist, dass er die Wahlkampfs­itten des Europawahl­kampfes neu begründet hat. Angela Merkel, Matteo Salvini oder Sebastian Kurz haben noch bis Mai Zeit, selbst zur Feder zu greifen.

 ?? Foto: AP / Claude Paris ?? Macron plädiert via Gastkommen­tar in europäisch­en Zeitungen für einen „Neubeginn in Europa“.
Foto: AP / Claude Paris Macron plädiert via Gastkommen­tar in europäisch­en Zeitungen für einen „Neubeginn in Europa“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria