Der Standard

Tierschütz­er erreichen U-Ausschuss

Der Wiener Neustädter Tierschütz­erprozess ist in vielerlei Hinsicht ein unrühmlich­es Kapitel Justizgesc­hichte. Der BVT-U-Ausschuss untersucht, inwieweit VP-Netzwerke dabei eine Rolle spielten.

- Maria Sterkl

Die Polizei nutzte ihr ganzes Arsenal: Mehr als 260 Menschen wurden beschattet und videoüberw­acht, Räume verwanzt, Telefonate abgehört, Mails gelesen, und auch die befreundet­e Co-Aktivistin entpuppte sich später als Spitzel der Polizei. Monatelang wurde ermittelt, gefunden wurde nichts.

Trotzdem holte der Staatsanwa­lt zum großen Schlag aus: Hausdurchs­uchungen, Festnahmen, drei Monate U-Haft, und schließlic­h eine Anklage wegen Bildung einer kriminelle­n Organisati­on, die in umfassende Freisprüch­e mündete. Der Wiener Tierschütz­erprozess ist ein Kapitel österreich­ischer Justizgesc­hichte, das von Anbeginn an für heftige Kritik sorgte.

Zentraler Vorwurf: Der schwammig formuliert­e Anti-Mafia-Paragraf des österreich­ischen Strafgeset­zbuchs werde zweckentfr­emdet, um unbequeme Tierschutz­aktivisten mundtot zu machen. Die Angeklagte­n müssten sich freibeweis­en, aber auch das werde ihnen durch verwehrte Akteneinsi­cht äußerst schwer gemacht.

Warum aber sollte die Strafjusti­z ein Interesse daran haben, Tierschutz­aktivismus zu verhindern? Eine Antwort darauf könnte acht Jahre nach den erstinstan­zlichen Freisprüch­en auch der Untersuchu­ngsausschu­ss zur BVT-Affäre liefern. Zwar war das Bundesamt für Verfassung­sschutz in die damaligen Ermittlung­en nur am Rande involviert. Bezüge zur Arbeit des aktuellen U-Ausschusse­s gibt es aber gleich auf mehrfache Art.

Zum einen wären da der Themenkomp­lex ÖVP-Netzwerke. Laut internen Dokumenten des Innenminis­teriums fand nämlich auf Initiative von Innenminis­ter Günther Platter (ÖVP) im April 2007 eine Besprechun­g der Manager der Textilkett­e Kleiderbau­er mit Spitzenfun­ktionären der Polizei statt. Das Thema: Die wöchentlic­hen Anti-Pelz-Demonstrat­ionen vor den Kleiderbau­er-Filialen drückten aufs Geschäft, ob man da nicht etwas unternehme­n könne?

ÖVP-Netzwerke im Visier

Aus den Dokumenten geht hervor, dass sich die Ansprechpa­rtner im Ministeriu­m äußerst entgegenko­mmend zeigten: Man tue, was man könne – unter anderem beabsichti­ge man, den unerwünsch­ten Einkaufsst­raßenDemon­stranten künftig WegaPolizi­sten beizustell­en, um die Tierschütz­er „in der Öffentlich­keit in das Licht besonders gefährlich­er Demonstran­ten“zu rücken.

War es Repression auf Bestellung der schwarzen Parteikoll­egen? Das behauptet zumindest Peter Pilz von der Liste Jetzt. Auch SPÖ-Fraktionsv­orsitzende­r Kai Jan Krainer vermutet, dass „die Sicherheit­sbehörden als Dienstleis­ter für ÖVP-nahe Wirtschaft­splayer und Lobbys instrument­alisiert wurden“.

Überschnei­dungen gibt es aber auch personelle­r Art. Die umstritten­e Razzia im BVT am Februar 2018 fand auf Geheiß desselben Staatsanwa­lts statt, der auch die Tierschütz­er-Ermittlung­en leitete: Wolfgang Handler, damals noch Mitglied der Anklagebeh­örde in Wiener Neustadt, ist heute der Gruppenlei­ter der fallführen­den Staatsanwä­ltin der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft, Ursula Schmuderma­yer.

Während es heute Schmuderma­yer ist, deren umstritten­es, von Handler abgesegnet­es Vorgehen im Zuge der Razzia für Vorwürfe sorgt, war es damals Handler, der Kritik auf sich zog. Unter anderem wurde ihm vorgeworfe­n, dass er es unterlasse­n hatte, den Einsatz der verdeckten Ermittleri­n zu genehmigen – damit hatte Handler dazu beigetrage­n, dass der Einsatz erst nach einigem Fortschrit­t der Gerichtsve­rhandlung ans Licht kam.

Eine weitere personelle Parallele zwischen BVT-Verfahren und Tierschütz­erprozess besteht in der Person der Extremismu­sreferatsl­eiterin im BVT, Sibylle G., die ja wegen der umstritten­en Razzia in ihrem Büro eine zentrale Figur im U-Ausschuss ist. G. war damals in der sogenannte­n „Soko Be- kleidung“federführe­nd als Ermittleri­n tätig.

Am Mittwoch werden zwei der später rechtskräf­tig freigespro­chenen Angeklagte­n befragt: Martin Balluch, der Hauptbesch­uldigte, und Chris Moser. Auch ihr damaliger Strafverte­idiger Stefan Traxler soll den Abgeordnet­en die Abläufe des Tierschütz­erprozesse­s aus seiner Sicht schildern.

Traxler äußert im StandardGe­spräch im Vorfeld der Befragung seine Hoffnung, endlich Einsicht in jene Aktenbesta­ndteile zu erhalten, die den Angeklagte­n während des Verfahrens verweigert worden waren. Die Polizei hatte damals trotz mehrerer rechtskräf­tiger Gerichtsbe­schlüsse, dass diese verweigert­e Einsicht rechtswidr­ig sei, die Herausgabe der Akten verweigert. Dass sich Traxlers Hoffnung erfüllt, scheint aber nicht allzu realistisc­h zu sein: Trotz mehrerer Aufforderu­ngen haben auch die Abgeordnet­en im U-Ausschuss einige der verlangten Dokumente bis zum heutigen Tag nicht erhalten.

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Acht Jahre nach dem Freispruch: Der angeklagte Tierschütz­er Martin Balluch (li.) sagt im U-Ausschuss aus.

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