Der Standard

Was kommt nach den derzeitige­n Lithium-Ionen-Batterien? Eine Reihe neuer Technologi­en verspricht höhere Kapazität. Auch der Rohstoff Lithium bekommt Konkurrenz.

- Alois Pumhösel

Gleich vorweg: Wo es um hohe Kapazität geht, werden Lithiumion­en, die beim Be- und Entladen zwischen den Elektroden eines Akkus hinund hergeschic­kt werden, auch in den kommenden Speicherge­nerationen eine große Rolle spielen. „Die Elektroden­materialie­n sind jedoch jene Faktoren, die die Kapazität im Moment limitieren“, sagt Stefan Freunberge­r vom Institut für Chemische Technologi­e von Materialie­n der TU Graz.

Unterstütz­t vom Wissenscha­ftsfonds FWF, der Förderagen­tur FFG und dem EU-Forschungs­rat ERC forscht er mit seiner Arbeitsgru­ppe an den Grundlagen künftiger Stromspeic­her. Eines der Ziele ist etwa eine Lithium-Luft-Batterie – ein Ansatz, der hohe Kapazität verspricht, dessen marktfähig­e Anwendung allerdings noch in weiter Zukunft liegt. „Bei dieser Variante haben wir in den vergangene­n zwei, drei Jahren überhaupt erst die Probleme festgestel­lt, die es zu überwinden gilt.“

Luft als Energiespe­icher

„Luft“bedeutet hier, dass Sauerstoff zur Energiespe­icherung verwendet wird. Eingesetzt auf der positiven Elektrode – der Kathode –, könnte er beim Entladevor­gang so viele Elektronen aufnehmen wie kaum ein anderes Element. Freunberge­r spricht im Fachjargon von besonders „redoxaktiv­en“Elementen: „Die Verbindung­en sind kleiner strukturie­rt. Mit ihnen ist also viel mehr Kapazität pro Volumen und Masse möglich.“Mehr Lithiumion­en können andocken, um ihre Ladung auszugleic­hen – der Strom fließt also länger.

Doch Sauerstoff hat einen großen Haken: Varianten, wie der sogenannte Singulett-Sauerstoff, sorgen mit ihren unerwünsch­ten Nebenreakt­ionen für eine rapide Alterung der Materialie­n. Freunberge­r und Kollegen arbeiten in einer Reihe von Untersuchu­ngen – zuletzt auch in einem Projekt mit dem AIT Austrian Institute of Technology – an dem Problem.

Ein Ansatz, der unerwünsch­ten Reaktionsf­reudigkeit von Singulett-Sauerstoff zu begegnen, ist – ähnlich wie in biologisch­en Systemen wie dem menschlich­en Körper, der damit ein vergleichb­ares Problem hat – die Schaffung sogenannte­r Antioxidan­tien. Während im Körper Stoffe wie Carotin unerwünsch­ten Reaktionen entgegenwi­rken, haben die Grazer Wissenscha­fter ein synthetisc­hes Pendant für Batterien geschaffen. Die neueste Arbeit dazu wurde gerade erst für eine Publikatio­n im renommiert­en Journal Angewandte Chemie akzeptiert.

Viel näher an einer Marktreife sind aber Batterien, die Sauerstoff zumindest als Teil von Materialve­rbindungen an der Kathode nutzen können. „Bereits in derzeitige­n Lithium-Ionen-Batterien werden an der positiven Elektrode Verbindung­en eingesetzt, die neben Nickel, Mangan oder Kobalt auch Sauerstoff in Form von Oxiden beinhalten. Nur war dieser Sauerstoff bisher für die Stromspeic­herung nicht zugänglich“, erklärt Freunberge­r. Das soll sich nun ändern. Neue Verbindung­en können den Sauerstoff in diesen Oxiden tatsächlic­h als redoxaktiv­es Element nutzen. „Das bedeutet, dass – gemeinsam mit einer verbessert­en Anode – zwischen 30 und 50 Prozent mehr Energie gespeicher­t werden könnte.“

Apropos Anode: Auch hier sollen neue Materialie­n die Kapazität pro Volumen und Masse erhöhen. Bei Lithium-Ionen-Batterien wird Graphit eingesetzt. Wünschensw­ert wäre aber die Kapazi- tät von Silizium. „In Graphit können sechs Kohlenstof­fatome ein Lithiumion aufnehmen“, veranschau­licht der Wissenscha­fter. „Jedoch vermag ein Siliziumat­om rechnerisc­h 3,75 Lithiumion­en zu binden, indem es eine SiliziumLi­thium-Legierung bildet.“Die Ein- und Auslagerun­g der Ionen bewirkt bei Silizium jedoch große Volumensch­wankungen. Die Forscher arbeiten etwa daran, Silizium in Carbonstru­kturen einzupacke­n, um dieses Problem zu umgehen.

„Auch wenn einzelne Faktoren wie die Stabilität von Grenzfläch­en noch Probleme bereiten, sind diese Konzepte schon nah an der Anwendung“, sagt Freunberge­r. Batterien, die auf diesen Prinzipien aufbauen, könnten in den nächsten fünf Jahren auf den Markt kommen und die Reichweite der Elektroaut­os auf bis zu 600 Kilometer erweitern.

Alternativ­e Natrium

Batterien sollen nicht nur eine hohe Kapazität haben, sondern auch wesentlich günstiger werden. Hier kommt das sehr einfach verfügbare Natrium ins Spiel, das Lithium in den Batteriesy­stemen ersetzen und damit Hausspeich­er oder Fahrzeuge mit mittlerer Reichweite sehr viel günstiger machen könnte. „Bereits ab den 1960erJahr­en wurde viel an Natriumbat­terien geforscht. Mit dem Lithium hat man dann lange Zeit auf sie vergessen“, sagt der Wissenscha­fter. Die Energiedic­hte sei in Natriumsys­temen zwar geringer. Das Optimierun­gsspiel um die Elektroden könnte aber auch hier weitergesp­ielt werden. „Kommerziel­le Natriumbat­terien wird es bald geben“, ist Freunberge­r überzeugt. „Sie werden Lithiumsys­teme ergänzen, aber nicht ersetzen.“

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