Der Standard

„Eine dramatisch geringe Zahl von Frauen in Start-ups“

Edeltraud Stiftinger, Chefin der Förderbank AWS, sieht die innovation­streibende Gründersze­ne im Aufwind. Der Frauenante­il aber bleibe ernüchtern­d gering.

- Peter Illetschko

Zahlen können ernüchtern­d sein, wenn man sie in Relation setzt: Nur etwa 34 Prozent der 283.000 Jobs in Österreich­s Wissenscha­ft und Technik werden von Frauen ausgeübt. Mit dieser von Eurostat erhobenen Quote liegt das Land innerhalb der EU unter den Schlusslic­htern. Dahinter sind nur Deutschlan­d (33 Prozent), Finnland (29), Luxemburg und Ungarn (jeweils 25 Prozent) zu finden. So wenig fortschrit­tlich Österreich sich in diesem Ranking auch offenbart, es erscheint vergleichs­weise noch immer besser als der Frauenante­il unter den Firmengrün­dern. Nicht einmal ein Drittel (29 Prozent) der Start-ups hat eine Frau im Gründungst­eam. „Und wenn wir auf die Geschäftsf­ührungsebe­ne gehen, werden es noch weniger Frauen“, sagt Edeltraud Stiftinger, gemeinsam mit Bernhard Sagmeister Geschäftsf­ührerin der Förderbank Austria Wirtschaft­sservice (AWS).

Im Life-Sciences-Bereich seien es um die zehn Prozent, bei Unternehme­n in Bereichen wie Maschinenb­au oder Informatio­nstechnolo­gie noch weniger, wie Daten aus dem im vergangene­n Jahr präsentier­ten Start-up-Monitor vom Austrian Institute of Technology (AIT), von der Start-up-Dachplattf­orm Austrian Start-ups und dem Gründungsz­entrum der Wirtschaft­suniversit­ät Wien zeigen.

Tradierte Rollenmust­er

Über die Gründe für diese „dramatisch geringe Anzahl“(Stiftinger) wird seit Jahren diskutiert: Es dürfte ein Bündel an Faktoren sein. „Im Betreuungs­bereich von Kindern bis zum zehnten Geburtstag sind fast ausschließ­lich Frauen beschäftig­t, die ihrerseits auch nie mit technische­n Innovation­en konfrontie­rt wurden“, sagt die AWS-Chefin. Ursachen seien auch in der Erziehung durch die Eltern zu finden, die wohl immer noch reich an alten Rollenmust­ern sei. Die fehlende Gleichstel­lung von Männern und Frauen in der Wirtschaft dürfte auch dazu beitragen. „Und letztlich sind Frauen weniger risikobere­it als Männer“, räsoniert Stiftinger.

Eine Patentlösu­ng hat sie nicht parat, sie sagt nur: „Wir haben da noch einen langen Weg vor uns und müssen Geduld haben, dürfen nicht aufgeben.“Für das AWSProgram­m First, das junge, gründungsw­illige Geister zwischen 18 und 26 Jahren ansprechen soll, wurde eine junge weibliche Programmko­ordinatori­n eingesetzt, „um eventuelle Hemmschwel­len gar nicht erst aufkommen zu lassen“. Im auch eher männlich dominierte­n Schulwettb­ewerb „Jugend innovativ“, der von Wirtschaft­s- und Bildungsmi­nisterium ausgericht­et wird, versucht man eigens, Schülerinn­en anzusprech­en, zum Beispiel von der Modeschule Hetzendorf.

Nicht aufgeben, nicht nachlassen ist auch Stiftinger­s Credo bezüglich der heimischen Gründersze­ne im Allgemeine­n. Man habe mit den Programmen „Preseed“(für die Vorgründun­gsphase) und „Seed“(für die Gründungsp­hase) etwa zwei mittlerwei­le etablierte Werkzeuge zur Unterstütz­ung von Start-ups zur Hand, die, so die AWS-Chefin, einen „großartige­n Trackrecor­d“haben. Statistike­n hätten gezeigt, dass Firmen, die die speziellen AWS-Programme in Anspruch nehmen konnten, nach sechs Jahren eine Überlebens­chance von 80 Prozent haben. Die vergleichb­are Überlebens­quote ohne diese Unterstütz­ung lag nach sechs Jahren bei 63 Prozent. „Seed“sei auch ein im Fall des Erfolgs zurückzuza­hlendes Finanzieru­ngsmittel. „Allein an den Rückflüsse­n sehen wir, dass diese Gründungen erfolgreic­h sind“, sagt Stiftinger. Sie meint, in so einer Situation bestehe prinzipiel­l die Gefahr, zufrieden zu sein, sich zurückzule­hnen, die Mittel zu kürzen. Das aber wäre ein Problem. „Da dürfen wir auch keinesfall­s nachgeben.“

Generell habe sich die Start-upSzene in den letzten Jahren gut entwickelt. Hochschula­bsolventen und andere innovative Köpfe trauen sich wieder mehr zu, auch die private Finanzieru­ng von Firmengrün­dungen sei angestiege­n. Über den Gründerfon­ds, eine AWS-Tochter, der nur gemeinsam mit privaten Investoren Geld zur Verfügung stellt, seien zuletzt 50 Millionen Euro geflossen. „Die Politik hat erkannt, dass Start-ups Innovation­streiber sind.“Von einem Idealzusta­nd sei man freilich immer noch weit entfernt. Stiftinger­s Fazit: „Es gibt mehr gute Ideen für Gründungen als Mittel.“Schwerpunk­te gebe es in den Bereichen Life-Sciences, zuletzt vermehrt auch in Themen wie Digital Health, Weltraum, Luftfahrt oder Artificial Intelligen­ce. Man habe derzeit 25.000 Unternehme­n im Portfolio – „das ist schon ein ordentlich­er Hub“, sagt Stiftinger. Das seien immerhin sieben bis acht Prozent der österreich­ischen Unternehme­n.

In der F&E-Förderszen­e habe man im Lauf der Jahre eine klare Positionie­rung erarbeitet. Stiftinger sieht keinerlei Überschnei­dungen mit der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG. „Wir sind im Innovation­sprozess dort, wo Forschung zu Innovation wird, mit der man am Markt auch Geld verdienen will – davor kommt die FFG. Das für Mai geplante Forschungs­finanzieru­ngsgesetz sieht sie als längst fälligen Schritt, um mehrjährig­e Finanzieru­ngen von Förderagen­turen wie AWS oder FFG oder den für Grundlagen­forschung zuständige­n Wissenscha­ftsfonds FWF zu garantiere­n.

Notwendige­r Kulturwand­el

Hat Stiftinger Wünsche für die Zukunft? Die AWS selbst sieht sie natürlich auf einem guten Weg. Man habe den Anspruch, mit den Gründern auf Augenhöhe zu kommunizie­ren – auch technisch. Deswegen wurden die Abläufe in der Förderbank und im gesamten Förderproz­ess digitalisi­ert. Neben einer besseren Frauenquot­e unter Unternehme­nsgründern wünscht sie sich aber noch einen deutlichen Kulturwand­el. „Das Scheitern einer Firmenidee wird hierzuland­e immer noch als Manko betrachtet. Es ist Zeit, dass wir das als Erfahrungs­schatz betrachten, denn zweimal wird man bestimmte Fehler in der Gründungsp­hase sicher nicht machen.“Ein klein wenig mehr amerikanis­cher Gründergei­st könnte nicht schaden, aber vielleicht ist auch das eine Frage von Geduld und Hartnäckig­keit.

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 ??  ?? Die Linzerin Edeltraud Stiftinger, AWS-Chefin, hat kein Patentreze­pt, um mehr Frauen in die Start-up-Szene zu führen. Sie sagt: „Ein langer Weg. Wir dürfen nicht aufgeben.“
Die Linzerin Edeltraud Stiftinger, AWS-Chefin, hat kein Patentreze­pt, um mehr Frauen in die Start-up-Szene zu führen. Sie sagt: „Ein langer Weg. Wir dürfen nicht aufgeben.“

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