Der Standard

London beschützt seine Steueroase­n

Ein öffentlich­es Firmenregi­ster sollte Geldwäsche und Steuerhint­erziehung erschweren. Premiermin­isterin Theresa May sagte Abstimmung über neue Regelung ab.

- Sebastian Borger aus London

Die britische Regierung von Premiermin­isterin Theresa May verweigert sich dem globalen Kampf gegen Steuerhint­erziehung und Geldwäsche. Im Unterhaus verhindert­en ihre Vertreter jetzt eine parteiüber­greifende Initiative, die den Steueroase­n Jersey, Guernsey und Isle of Man größere Transparen­z aufgezwung­en hätte. Die dem Kronbesitz zugerechne­ten Inseln hatten mit der Abspaltung von Großbritan­nien gedroht. Die Labour-Abgeordnet­e Margaret Hodge verurteilt­e das Regierungs­vorgehen als „arrogante Brüskierun­g des Parlaments“.

Bisher sind die semiautono­men Überreste des britischen Empire von EU-Regeln ausgenomme­n, die eine Offenlegun­g der Eigentumsv­erhältniss­e obskurer Finanzvehi­kel erzwingen. Dies ermögliche illegale und halblegale Geschäfte in Milliarden­höhe, lautet der Vorwurf von Lobbygrupp­en. Die Steueroase­n stünden im Zentrum „eines globalen Netzwerkes zur Steuerverm­eidung“, das arme Länder jährlich 170 Milliarden Dollar (150 Mrd. Euro) koste, glaubt die Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam.

Die Finanzzent­ren im Kanal und in der Irischen See weisen die Vorwürfe zurück und beteuern, sie würden zur Vermeidung von Finanzverb­rechen mit britischen und anderen Finanzbehö­rden vertrauens­voll zusammenar­beiten. Tatsächlic­h heißt es aus dem Londoner Innenminis­terium, es gebe ein gutes Verhältnis.

Auch Londoner City im Visier

Freilich gilt dies auch fürs Finanzzent­rum City of London. Dort sind Tausende von Buchhalter­n und Anwälten ausschließ­lich damit beschäftig­t, den Superreich­en neue Schlupflöc­her zu öffnen. Multinatio­nale Unternehme­n bunkern mithilfe der Londoner Spezialist­en ihre Gewinne in Steueroase­n. Der Erfolg der britischen Finanzindu­strie, analysiert das Magazin The Economist, sei „der Bereitscha­ft des Landes ge- schuldet, undurchsic­htige und steuerverm­eidende Kapitalmär­kte zu dulden“.

Damit soll nach dem Willen einer Allianz mächtiger Unterhausa­bgeordnete­r Schluss sein. Schon im vergangene­n Jahr hatte sie gegen den Willen der MayRegieru­ng durchgeset­zt, dass die Britischen Jungfernin­seln, Anguilla und Bermuda von 2020 an die Besitzer von dort registrier­ten Firmen öffentlich machen müssen. Bei diesen Inseln handelt es sich um britische Überseeter­ritorien.

Die der Normandie vorgelager­ten Inseln Jersey und Guernsey sowie die Isle of Man zwischen Irland und Großbritan­nien genießen hingegen einen anderen Status. Als sogenannte­r Kronbesitz unterstehe­n sie direkt dem britischen Monarchen, derzeit also Queen Elizabeth II. Die Kanalinsel­n blieben 1204 als Reste der damals verlorenge­gangenen Normandie übrig; die Isle of Man kam Ende des 13. Jahrhunder­ts zunächst in schottisch­e, später in englische Hand.

Beide Regierungs­formen genießen weitgehend­e Autonomie. Den Eingriff in die Rechte der Inseln rechtferti­gt die Abgeordnet­e Hodge, früher Leiterin des Rechnungsp­rüfungsaus­schusses, damit, dass es sich um ein moralische­s Problem handle. „Wir wollen den globalen Strom korrupten Geldes und illegaler Finanzprak­tiken unterbinde­n.“

Abstimmung abgesagt

Hodge und der frühere ToryEntwic­klungshilf­eminister Andrew Mitchell führen die Initiative an. Da Mays Minderheit­sregierung selbst mithilfe der nordirisch­en DUP nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, hätte die ungewöhnli­che Allianz ihren Willen auch diesmal durchgeset­zt. Stattdesse­n sagte die Regierung die entspreche­nde Abstimmung kurzerhand ab. UnterhausS­peaker John Bercow sprach von einer „komischen Geschichte“. Als „ausgemacht­en Taschenspi­elertrick“verurteilt­e Mitchell den Versuch des Foreign Office, die Frist um drei Jahre auf 2023 zu verschiebe­n.

Insbesonde­re Vertreter der Kanalinsel­n hatten zuvor lautstark gegen die Maßnahme protestier­t und von „einer Verfassung­skrise“gesprochen. Die Finanzindu­strie im US-Bundesstaa­t Delaware sei viel intranspar­enter. Spekulatio­nen in London zufolge konnten sie mit solchen Argumenten Vertreter des Königshaus­es, womöglich die Monarchin selbst, beeindruck­en und dadurch Druck auf die Regierung ausüben.

Für die Transparen­z-Vorkämpfer ist noch nicht aller Tage Abend. Dem Parlaments­präsidente­n Bercow zufolge kann die Vorlage von Hodge und Mitchell erneut eingebrach­t werden. Und da das Finanzdien­stleistung­sgesetz vor dem geplanten Brexit-Termin (29. März) verabschie­det sein soll, dürfte eine neue Gelegenhei­t nicht lang auf sich warten lassen.

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Nicht nur kleine Kanalinsel­n sind betroffen: Britische Steueroase­n sind eng mit der Londoner Finanzindu­strie verwoben.

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