Der Standard

Handelsstr­eit „verkompliz­ierte“Chinas wirtschaft­liche Lage

Pekings Führung will trotz sinkenden Wirtschaft­swachstums und steigender Staatsschu­lden auch 2019 beim Militär nicht sparen

- Johnny Erling aus Peking

Um den Zustand der Wirtschaft Chinas ist es schlecht bestellt. So schlecht, dass Premier Li Keqiang nicht nur das Wachstumsz­iel für 2019 um einen halben Prozentpun­kt auf eine Bandbreite zwischen sechs und 6,5 Prozent absenken musste. Li, der mit seinem Rechenscha­ftsbericht am Dienstag den Volkskongr­ess eröffnete, nahm auch kein Blatt vor den Mund, um seine Landsleute zu warnen. Wachsende Risiken aus dem Aus- und Inland bedrohten Chinas Wirtschaft. „Instabilit­ät und Unsicherhe­it nehmen sichtbar zu“, sagte Li.

Das waren ungewohnte Töne für das sozialisti­sche Parlament. Noch in keinem Regierungs­bericht wurde so oft über Risiken und potenziell­e Probleme gesprochen wie in Lis 115 Minuten langer Rede. China, so der Premier, hätte sich im vergangene­n Jahr mit 6,6 Prozent Wachstum behaupten können, aber in einem so „komplizier­ten Umfeld, wie es das selten zuvor erlebte. Seine Wirtschaft ist unter erneuten Abwärtsdru­ck geraten.“

Der werde auch 2019 unverminde­rt anhalten. Der Premier gestand erstmals öffentlich ein, dass sich die Lage seines Landes durch den Handelsstr­eit mit den USA „verkompliz­iert“habe.

Trotz der trüberen Aussichten darf sich die Armee über eine rund 7,5-prozentige Erhöhung freuen. Auch 2020 wolle China dem „Ziel der Partei“folgen, „stärkere Streitkräf­te für das neue Zeitalter aufzubauen“, sagte Li. „Wir in der Regierung müssen auf allen Ebenen entschiede­n die Entwicklun­g der Landesvert­eidigung und der bewaffnete­n Streitkräf­te unterstütz­en und uns darum sorgen.“Die Armee erhält 2019 demnach 1189 Milliarden Yuan (rund 155 Mrd. Euro) nach rund 1107 Milliarden Yuan im Vorjahr. Mit dem Zuschlag weitet China seinen zweiten Platz bei den Rüstungsau­sgaben nach den USA aus.

Internatio­nales Wettrüsten

Li kündigte an, dass das „militärisc­he Training unter Kampfbedin­gungen“verstärkt werden soll. Die Erhöhungen dienten zum „Schutz der Souveränit­ät, Sicherheit und territoria­len Integrität“Chinas. Am Vortag hatte der Sprecher des Volkskongr­esses erklärt, es komme nicht darauf an, wie viel Geld ein Staat für seine Armee ausgibt, sondern darauf, ob er eine friedferti­ge Außen- und Verteidigu­ngspolitik verfolgt. „China stellt keine Gefahr für andere Staaten dar.“

Das sehen die Anrainerst­aaten ganz anders, besonders jene, die an das Südchinesi­sche Meer angrenzen. Dort versucht Peking seit Jahren, mit seiner Marine brachial Fakten zu schaffen und seine Besitzansp­rüche durchzuset­zen. China ist um Ausflüchte aller Art nicht verlegen, um seine Aufrüstung zu rechtferti­gen. Als Erstes verweist Peking auf die USA, die 2019 mit mehr als 700 Mrd. USDollar in ihrem Armeehaush­alt einen viermal höheren Etat für ihre Streitkräf­te stellen kann, als es China tut. Die Global Times, die seit Wochen Stimmung für mehr Geld für die Armee macht, zitierte Militärexp­erten, dass China deshalb und aus vielen anderen Gründen aufholen muss. Es hätte unter anderem für seine Modernisie­rung von Waffen und Ausrüstung wegen früherer Versäumnis­se großen Nachholbed­arf.

Schon 2016 schrieb hingegen das unparteiis­che Internatio­nale Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut (Sipri), dass Peking für sein Militär 50 Prozent mehr ausgibt, als es offiziell berichtet. China verbuche viele seiner Kosten etwa für militärisc­he Forschung - und Entwicklun­g nicht unter seinem Armee-Etat. Es verstecke in anderen Haushaltsp­ositionen Ausgaben für die Demobilisi­erung von Soldaten, für den Bau militärisc­h nutzbarer Infrastruk­turprojekt­e oder für Waffenimpo­rte.

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