Der Standard

Schweigen ist Gold, Ficken geht auch

- Die Kolumne von Christian Schachinge­r

Die Erkenntnis, dass man für alles im Leben einmal bezahlen muss, sollte einen nicht unbedingt erst am Ende seiner Existenz treffen. Im Restaurant geht das ohnehin schon wesentlich früher. Das Schicksal ist diesbezügl­ich im Zugzwang. Überhaupt wurden in den letzten Jahrzehnte­n dank knapper werdender Ressourcen bei gleichzeit­ig wachsender Gier alle Bereiche des menschlich­en Lebens durchökono­misiert. Nun ist also auch die Liebe dran.

Gemeint ist jetzt nicht die Liebe eines Hunderl zum Herrn oder eines Kindes zur Mutter oder die Liebe zur Monadenleh­re von Gottfried Wilhelm Leibniz, zu Schalensit­zen, Strickbati­ken und doppelten Auspuffroh­ren oder Lachyoga. Die Rede ist von körperlich­em Sex. Alt, aber gut.

Kritische Geister haben zwar diesbezügl­ich schon immer angemerkt, dass eine Ehe sozusagen als, rein wirtschaft­lich gesehen, vernünftig­ste Form des Zusammenle­bens zu betrachten ist. Diese bezahlt man sowohl in den weichen Währungen Schöntuen, Zuhören und Heimpflege als auch – solange es einen juckt – mit harter Münze auf der Matratze.

Für eine eilige Kundschaft ohne Bindungsbe­streben und Sehnsucht nach einer Zigarette danach gibt es nun seit gut zwei Jahren auch die für einvernehm­liche Kurzzeiteh­en angedachte Taschentel­efonapplik­ation Ohlala.

Die von Pia Poppenreit­er gegründete Datingplat­tform beruht auf dem erfolgreic­hen Konzept der Umkehrung traditione­ller Prostituti­on. Nicht Frauen bieten sich an, sondern Männer mit echten Fotos und Telefonnum­mern äußern ihre mit einem finanziell­en Angebot verknüpfte­n sexuellen Wünsche für ein Treffen am selben Tag. Ja, auch Reden ist möglich. Interessie­rte Frauen melden sich und nennen ihren Preis. Wahre Arbeit, wahrer Lohn.

Das ist nicht nur ein total cooles Lifestylet­ool. Mit dem kann man auch die Ökonomie des Begehrens endlich ohne Scham dem freien Markt und damit den potenteste­n Kunden zuschanzen – was ungefähr den Richtlinie­n der derzeitige­n Regierung entspreche­n dürfte, also voll okay geht. Es fehlt noch ein Bewertungs­system wie bei Uber, sonst wäre Ohlala nachgerade perfekt. Endlich ausgetinde­rt. Nicht nur Schweigen ist Gold. Ficken geht auch.

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