Nicht die Rechten stärken
Keine Frage, Viktor Orbán ist ein politischer Kotzbrocken, zynisch, skrupellos, unmoralisch, ein Machtmensch durch und durch. In Ungarn wie in der Europäischen Union. Seit 2010 geht das jetzt so.
Jeder halbwegs Interessierte kann aufsagen, was Gegner wie Parteifreunde dem Premierminister vorhalten. Orbán ist das Böse. Um ihn dreht sich in Europa alles. Diesen Eindruck könnte man etwa bei den Anklagereden der Fraktionschefs von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen im EU-Parlament bekommen. Es erschiene daher nur logisch, dass die EVP Fidesz endlich rauswirft, sich befreit.
Dann könnten alle, die Politik vor allem als moralische Übung sehen, endlich wieder ruhig schlafen. Problem gelöst, Europa gerettet. Wirklich? Eher das Gegenteil.
Mit dem EVP-Ausschluss Orbáns jetzt, drei Monate vor wichtigen Europawahlen, fingen die Probleme der Gralshüter des Proeuropäischen realpolitisch erst richtig an. Orbán wäre ja nicht weg. Aber Europas Rechte bis hin zu den extrem Rechten hätten einen Märtyrer, den Wahlschlager: Wir gegen alle anderen. Totale Polarisierung. Das stärkt sie.
Die EVP würde schwächer. Dazu kommt: Orbán mag laut sein, unerträglich reden. Seine Fidesz-Abgeordneten stimmen im EU-Parlament aber stets brav mit den „Proeuropäern“. Es ist nicht ganz unvernünftig, die ungarischen Rabauken weiter in der Familie zu behalten, sie zu konfrontieren, mit ihnen zu streiten, sie zu korrigieren. Man sollte die künftigen Rechtsfraktionen aber nicht noch stärken.