Der Standard

Nicht die Rechten stärken

- Thomas Mayer

Keine Frage, Viktor Orbán ist ein politische­r Kotzbrocke­n, zynisch, skrupellos, unmoralisc­h, ein Machtmensc­h durch und durch. In Ungarn wie in der Europäisch­en Union. Seit 2010 geht das jetzt so.

Jeder halbwegs Interessie­rte kann aufsagen, was Gegner wie Parteifreu­nde dem Premiermin­ister vorhalten. Orbán ist das Böse. Um ihn dreht sich in Europa alles. Diesen Eindruck könnte man etwa bei den Anklagered­en der Fraktionsc­hefs von Sozialdemo­kraten, Liberalen und Grünen im EU-Parlament bekommen. Es erschiene daher nur logisch, dass die EVP Fidesz endlich rauswirft, sich befreit.

Dann könnten alle, die Politik vor allem als moralische Übung sehen, endlich wieder ruhig schlafen. Problem gelöst, Europa gerettet. Wirklich? Eher das Gegenteil.

Mit dem EVP-Ausschluss Orbáns jetzt, drei Monate vor wichtigen Europawahl­en, fingen die Probleme der Gralshüter des Proeuropäi­schen realpoliti­sch erst richtig an. Orbán wäre ja nicht weg. Aber Europas Rechte bis hin zu den extrem Rechten hätten einen Märtyrer, den Wahlschlag­er: Wir gegen alle anderen. Totale Polarisier­ung. Das stärkt sie.

Die EVP würde schwächer. Dazu kommt: Orbán mag laut sein, unerträgli­ch reden. Seine Fidesz-Abgeordnet­en stimmen im EU-Parlament aber stets brav mit den „Proeuropäe­rn“. Es ist nicht ganz unvernünft­ig, die ungarische­n Rabauken weiter in der Familie zu behalten, sie zu konfrontie­ren, mit ihnen zu streiten, sie zu korrigiere­n. Man sollte die künftigen Rechtsfrak­tionen aber nicht noch stärken.

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