Klimakrise! Muss ich aufhören zu fliegen?
Ich bin im Vorjahr sechsmal geflogen. Der Schaden für das Klima war enorm. Lässt sich Vielfliegen heute noch rechtfertigen?
Weiterfliegen wie bisher? Dass wir unsere Flugemissionen ganz kompensieren können, ist recht unwahrscheinlich. Lena Boysen Das lösen wir nicht mit einer Kerosin- oder CO - Steuer. Zum 50Euro-Flug kommen dann vielleicht 20 Euro dazu. Stefan Schleicher
Ich bin mit schuld an der Klimakrise. Im Vorjahr bin ich sechsmal geflogen. Ich liebe es, in kurzer Zeit irgendwo anders, weit weg, zu sein. Nur damit habe ich genauso viel CO in die Luft geblasen wie ein durchschnittlicher Österreicher mit Heizen, Auto, Urlaub und allem Drum und Dran im ganzen Jahr. Wir sind auf dem Weg zu vier Grad Erderwärmung. Muss ich aufhören zu fliegen?
Fangen wir von vorn an, damit, wie schlecht Fliegen für das Klima ist. Das ist schnell beantwortet: sehr. Flugzeuge verbrennen Kerosin, dadurch entsteht CO . Sie tragen damit pro Kilometer und Passagier doppelt so viel zur Erhitzung der Erde bei wie ein benzinbetriebener Pkw (auch kein Klimavorbild). Stickoxide und Kondensstreifen treiben die Erhitzung mit an.
Weil ein Flugzeug weiter fliegt, als das durchschnittliche Auto fährt, ist seine Klimabilanz eine einzige Katastrophe. Ich bin fast nur mit dem Rad unterwegs und esse kaum Fleisch, das bessert meine Bilanz aber nur wenig auf. Doch: Nur 17 Prozent der Österreicher fliegen mehr als einmal im Jahr, der Rest selten bis nie. Kaufen sie mich frei?
Tatsächlich ist das Fliegen laut dem Weltklimarat IPCC nur für drei Prozent der globalen Erhitzung verantwortlich. Und: Wenn wir für irgendetwas CO in die Luft pumpen, dann ist die Welt anzu- schauen vielleicht einer der besten Gründe dafür. Leider mache ich es mir damit zu einfach.
Denn auch Häuser zu heizen, in die Arbeit zu kommen oder eine Fabrik zu betreiben, ist nützlich und erhitzt den Planeten. Weil die Dekarbonisierung dort nicht von heute auf morgen geht, ist Fliegen ein großes Problem. Um das wichtige Paris-Ziel von 1,5 Grad mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln zu erreichen, haben wir nur noch 420 Gigatonnen CO übrig – und wir blasen an die 40 Gigatonnen im Jahr in die Luft!
Emissionen steigen stark
Wir müssen also so schnell wie möglich so viel CO wie möglich einsparen. Noch fliegen global nur ein paar Prozent der Menschen, aber das ändert sich gerade rasch. Immer mehr haben das Geld, um in den Urlaub zu fliegen, das ist toll, aber für das Klima schlecht. Die Emissionen aus dem Flugverkehr dürften sich, trotz mehr Effizienz, bis 2030 verdoppeln.
Weniger zu fliegen würde mir aber extrem schwerfallen: Was ist, wenn ich mein CO einfach kompensiere? Anbieter dafür gibt es seit vielen Jahren. Man gibt an, wohin man geflogen ist, und zahlt für das angefallene CO Geld. Je nach Anbieter mehr oder weniger.
Mit dem Geld werden dann, wie beim angesehensten Anbieter Atmosfair, alte Holzöfen in Ruanda ausgetauscht oder Windparks in Nicaragua finanziert. Die Idee ist, dass das CO , das ich mit Flügen verursache, anderswo ausgeglichen wird. Das Problem: Wir können nicht so viel kompensieren, wie wir CO in die Atmosphäre blasen. „Dass wir unsere Flugemissionen ganz kompensieren können, ist recht unwahrscheinlich“, sagt Lena Boysen vom MaxPlanck-Institut für Meteorologie.
Das geht, wenn es einige machen, ist aber kein wirkliches Modell für einen sinnvollen Umgang mit der Klimakrise. Helga KrompKolb von der Wiener Boku sagt, der Fokus müsse sein, CO erst gar nicht zu verursachen. „Wenn man seine Flüge so stark reduziert hat wie nur möglich, ist es besser, man kompensiert, als man tut es nicht.“Gefährlich sei das Gefühl, dass Fliegen dann eh okay sei, „das verträgt der Planet aber nicht“.
Ich habe vergangenes Jahr knapp 1700 Euro für Flüge ausgegeben. Dafür muss ich bei Atmosfair um 210 Euro kompensieren. Ziemlich günstig. Aber warum sollte eigentlich ich mich um die Rettung des Klimas kümmern? Gibt es dafür nicht die Politik? Die Klimakrise ist eine enorme Bedrohung für die Art und Weise, wie wir leben. Wenn freiwilliger Verzicht und Kompensation unsere klügste Antwort darauf sind, wäre das ziemlich traurig. Nun ja.
Anreize sind völlig verfehlt
Derzeit wird bestraft, wer klimafreundlich unterwegs ist. Zugfahren ist häufig teurer als zu fliegen. Die Anreize sind völlig verfehlt. Wenn Sie Ihren Opel tanken, zahlen Sie Mineralölsteuer, die AUA zahlt für ihr Kerosin keine. Außerdem sind Tickets von der Mehrwertsteuer ausgenommen. In Österreich geht es sogar in die gegensätzliche Richtung: Im Vorjahr wurde die Ticketsteuer halbiert. Aus ohnehin niedrigen sieben Euro für Kurzstreckenflüge wurden mickrige 3,50 Euro.
Aber gerade Kurzstreckenflüge wie mein Wochenendtrip nach Bukarest im Vorjahr sind am schlimmsten. Beim Starten und Landen der tonnenschweren Flieger fallen laut Nasa ein Viertel aller CO -Emissionen des Flugverkehrs an. Wenn es um politische Lösungen für die Klimakrise geht, wird zudem oft ein Preis für CO gefordert. In der EU gibt es den schon. Betriebe, die viel CO verursachen, müssen Zertifikate dafür kaufen. Auch Airlines.
Die billigen Flüge nach Berlin, Paris oder Brüssel zeigen aber, wie gut das funktioniert. Um die Industrie zu schonen, wurden viele Papiere verschenkt. Airlines erhalten 82 Prozent gratis. Und auch wenn der Preis für die restlichen Papiere zuletzt gestiegen ist, ist er mit derzeit gut 20 Euro viel zu niedrig. „Das Ziel war es, Firmen damit zu motivieren, in innovative Technologien zu investieren. Das ist nicht erreicht worden“, sagt der Ökonom Stefan Schleicher. Dass der Preis bis 2030 stark steigt, etwa auf 40 Euro, sei sehr unwahrscheinlich.
Großer politischer Einfluss
Die Luftfahrt hat es außerdem geschafft, sich sowohl aus dem Kyoto- als auch aus dem Pariser Klimaabkommen zu lobbyieren. Die Industrie hat einen eigenen Pakt verhandelt, die Corsia-Resolution. Sie legt fest, dass die Airlines CO , das über das Niveau von 2020 hinausgeht, kompensieren müssen. Flieger tragen auch über Stickoxide zur Erhitzung bei, das sei nicht berücksichtigt, sagt Martin Cames vom Öko-Institut. Und wenn die CO -Emissionen auf dem Niveau von 2020 bleiben, sei das noch immer sehr viel CO .
Die Politik scheint also zu schlafen. Und technische Lösungen? E-Flieger, so wie E-Autos, zum Beispiel? Die Batterien sind viel zu schwer, sagt Andreas Schafer vom University College London. „Derzeit würde ein Passagierjet damit wohl nicht einmal abheben.“Würden Akkus aber weiter so schnell besser werden wie zuletzt, könnten wir vielleicht in ein paar Jahrzehnten einen Teil der Luftfahrt elektrisch betreiben.
Zeit, die wir nicht haben. „Wir brauchen radikalen Wandel“, sagt Schafer. Andere Idee: Biokraftstoffe. Kerosin soll künstlich hergestellt werden. Etwa indem man aus Wasserstoff und CO wieder Kerosin macht. Auch das ist noch am Anfang, und so kriege man das CO beim Fliegen nicht ganz weg, „mindestens 20 Prozent CO -Ausstoß bleiben. Wenn die Zahl der Flüge so steigt wie derzeit, bleiben die Emissionen damit hoch.“
Technische Lösungen sind also Zukunftsmusik, und bevor ich in Pension gehe – ich bin 28 – kein Ausweg, „die Luftfahrt ist, anders als die Elektrizität, sehr schwierig zu dekarbonisieren“, sagt Schafer. Und jetzt? Ist die Antwort auf die Klimakrise kaum mehr zu fliegen?
„Wir haben immer noch einen berechtigten Bedarf an Flügen“, sagt Klimaökonom Schleicher. Beruflich seien persönliche Kontakte oft notwendig. „Das müssen wir akzeptieren. Ich fahre in zwei Wochen von Wien nach Zürich und werde die Bahn nehmen. Wien–Berlin wäre aber ein Problem.“
„Ein Ärgernis ist der Freizeitverkehr“, sagt Schleicher. „Etwa der Shoppingausflug nach Mailand.“Oder mein Kurztrip nach Bukarest. Wir hätten auch mit der Bahn woanders hinfahren können, denke ich mir. Ich bin zweimal nach Berlin, mit besserer Planung hätte ich Busse nehmen kön- nen. Der Einzelne sei gefragt. „Das lösen wir nicht mit einer Kerosinoder CO -Steuer. Dann kommen zum 50-Euro-Flug nach Malaga vielleicht 20 Euro dazu.“
Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb sagt, Konferenzen könne man auch online machen, manchmal sei es notwendig zu fliegen, „aber wir müssen unseren Lebensstil ändern, schnell einmal ein, zwei Wochen irgendwohin, das verträgt der Planet nicht. In Schweden fangen die Leute an, sich für das Fliegen zu genieren“, sagt sie. „Diese geänderte Stimmung ist es, was wir brauchen.“