Der Standard

Klimakrise! Muss ich aufhören zu fliegen?

Ich bin im Vorjahr sechsmal geflogen. Der Schaden für das Klima war enorm. Lässt sich Vielfliege­n heute noch rechtferti­gen?

- Andreas Sator

Weiterflie­gen wie bisher? Dass wir unsere Flugemissi­onen ganz kompensier­en können, ist recht unwahrsche­inlich. Lena Boysen Das lösen wir nicht mit einer Kerosin- oder CO - Steuer. Zum 50Euro-Flug kommen dann vielleicht 20 Euro dazu. Stefan Schleicher

Ich bin mit schuld an der Klimakrise. Im Vorjahr bin ich sechsmal geflogen. Ich liebe es, in kurzer Zeit irgendwo anders, weit weg, zu sein. Nur damit habe ich genauso viel CO in die Luft geblasen wie ein durchschni­ttlicher Österreich­er mit Heizen, Auto, Urlaub und allem Drum und Dran im ganzen Jahr. Wir sind auf dem Weg zu vier Grad Erderwärmu­ng. Muss ich aufhören zu fliegen?

Fangen wir von vorn an, damit, wie schlecht Fliegen für das Klima ist. Das ist schnell beantworte­t: sehr. Flugzeuge verbrennen Kerosin, dadurch entsteht CO . Sie tragen damit pro Kilometer und Passagier doppelt so viel zur Erhitzung der Erde bei wie ein benzinbetr­iebener Pkw (auch kein Klimavorbi­ld). Stickoxide und Kondensstr­eifen treiben die Erhitzung mit an.

Weil ein Flugzeug weiter fliegt, als das durchschni­ttliche Auto fährt, ist seine Klimabilan­z eine einzige Katastroph­e. Ich bin fast nur mit dem Rad unterwegs und esse kaum Fleisch, das bessert meine Bilanz aber nur wenig auf. Doch: Nur 17 Prozent der Österreich­er fliegen mehr als einmal im Jahr, der Rest selten bis nie. Kaufen sie mich frei?

Tatsächlic­h ist das Fliegen laut dem Weltklimar­at IPCC nur für drei Prozent der globalen Erhitzung verantwort­lich. Und: Wenn wir für irgendetwa­s CO in die Luft pumpen, dann ist die Welt anzu- schauen vielleicht einer der besten Gründe dafür. Leider mache ich es mir damit zu einfach.

Denn auch Häuser zu heizen, in die Arbeit zu kommen oder eine Fabrik zu betreiben, ist nützlich und erhitzt den Planeten. Weil die Dekarbonis­ierung dort nicht von heute auf morgen geht, ist Fliegen ein großes Problem. Um das wichtige Paris-Ziel von 1,5 Grad mit einer Wahrschein­lichkeit von zwei Dritteln zu erreichen, haben wir nur noch 420 Gigatonnen CO übrig – und wir blasen an die 40 Gigatonnen im Jahr in die Luft!

Emissionen steigen stark

Wir müssen also so schnell wie möglich so viel CO wie möglich einsparen. Noch fliegen global nur ein paar Prozent der Menschen, aber das ändert sich gerade rasch. Immer mehr haben das Geld, um in den Urlaub zu fliegen, das ist toll, aber für das Klima schlecht. Die Emissionen aus dem Flugverkeh­r dürften sich, trotz mehr Effizienz, bis 2030 verdoppeln.

Weniger zu fliegen würde mir aber extrem schwerfall­en: Was ist, wenn ich mein CO einfach kompensier­e? Anbieter dafür gibt es seit vielen Jahren. Man gibt an, wohin man geflogen ist, und zahlt für das angefallen­e CO Geld. Je nach Anbieter mehr oder weniger.

Mit dem Geld werden dann, wie beim angesehens­ten Anbieter Atmosfair, alte Holzöfen in Ruanda ausgetausc­ht oder Windparks in Nicaragua finanziert. Die Idee ist, dass das CO , das ich mit Flügen verursache, anderswo ausgeglich­en wird. Das Problem: Wir können nicht so viel kompensier­en, wie wir CO in die Atmosphäre blasen. „Dass wir unsere Flugemissi­onen ganz kompensier­en können, ist recht unwahrsche­inlich“, sagt Lena Boysen vom MaxPlanck-Institut für Meteorolog­ie.

Das geht, wenn es einige machen, ist aber kein wirkliches Modell für einen sinnvollen Umgang mit der Klimakrise. Helga KrompKolb von der Wiener Boku sagt, der Fokus müsse sein, CO erst gar nicht zu verursache­n. „Wenn man seine Flüge so stark reduziert hat wie nur möglich, ist es besser, man kompensier­t, als man tut es nicht.“Gefährlich sei das Gefühl, dass Fliegen dann eh okay sei, „das verträgt der Planet aber nicht“.

Ich habe vergangene­s Jahr knapp 1700 Euro für Flüge ausgegeben. Dafür muss ich bei Atmosfair um 210 Euro kompensier­en. Ziemlich günstig. Aber warum sollte eigentlich ich mich um die Rettung des Klimas kümmern? Gibt es dafür nicht die Politik? Die Klimakrise ist eine enorme Bedrohung für die Art und Weise, wie wir leben. Wenn freiwillig­er Verzicht und Kompensati­on unsere klügste Antwort darauf sind, wäre das ziemlich traurig. Nun ja.

Anreize sind völlig verfehlt

Derzeit wird bestraft, wer klimafreun­dlich unterwegs ist. Zugfahren ist häufig teurer als zu fliegen. Die Anreize sind völlig verfehlt. Wenn Sie Ihren Opel tanken, zahlen Sie Mineralöls­teuer, die AUA zahlt für ihr Kerosin keine. Außerdem sind Tickets von der Mehrwertst­euer ausgenomme­n. In Österreich geht es sogar in die gegensätzl­iche Richtung: Im Vorjahr wurde die Ticketsteu­er halbiert. Aus ohnehin niedrigen sieben Euro für Kurzstreck­enflüge wurden mickrige 3,50 Euro.

Aber gerade Kurzstreck­enflüge wie mein Wochenendt­rip nach Bukarest im Vorjahr sind am schlimmste­n. Beim Starten und Landen der tonnenschw­eren Flieger fallen laut Nasa ein Viertel aller CO -Emissionen des Flugverkeh­rs an. Wenn es um politische Lösungen für die Klimakrise geht, wird zudem oft ein Preis für CO gefordert. In der EU gibt es den schon. Betriebe, die viel CO verursache­n, müssen Zertifikat­e dafür kaufen. Auch Airlines.

Die billigen Flüge nach Berlin, Paris oder Brüssel zeigen aber, wie gut das funktionie­rt. Um die Industrie zu schonen, wurden viele Papiere verschenkt. Airlines erhalten 82 Prozent gratis. Und auch wenn der Preis für die restlichen Papiere zuletzt gestiegen ist, ist er mit derzeit gut 20 Euro viel zu niedrig. „Das Ziel war es, Firmen damit zu motivieren, in innovative Technologi­en zu investiere­n. Das ist nicht erreicht worden“, sagt der Ökonom Stefan Schleicher. Dass der Preis bis 2030 stark steigt, etwa auf 40 Euro, sei sehr unwahrsche­inlich.

Großer politische­r Einfluss

Die Luftfahrt hat es außerdem geschafft, sich sowohl aus dem Kyoto- als auch aus dem Pariser Klimaabkom­men zu lobbyieren. Die Industrie hat einen eigenen Pakt verhandelt, die Corsia-Resolution. Sie legt fest, dass die Airlines CO , das über das Niveau von 2020 hinausgeht, kompensier­en müssen. Flieger tragen auch über Stickoxide zur Erhitzung bei, das sei nicht berücksich­tigt, sagt Martin Cames vom Öko-Institut. Und wenn die CO -Emissionen auf dem Niveau von 2020 bleiben, sei das noch immer sehr viel CO .

Die Politik scheint also zu schlafen. Und technische Lösungen? E-Flieger, so wie E-Autos, zum Beispiel? Die Batterien sind viel zu schwer, sagt Andreas Schafer vom University College London. „Derzeit würde ein Passagierj­et damit wohl nicht einmal abheben.“Würden Akkus aber weiter so schnell besser werden wie zuletzt, könnten wir vielleicht in ein paar Jahrzehnte­n einen Teil der Luftfahrt elektrisch betreiben.

Zeit, die wir nicht haben. „Wir brauchen radikalen Wandel“, sagt Schafer. Andere Idee: Biokraftst­offe. Kerosin soll künstlich hergestell­t werden. Etwa indem man aus Wasserstof­f und CO wieder Kerosin macht. Auch das ist noch am Anfang, und so kriege man das CO beim Fliegen nicht ganz weg, „mindestens 20 Prozent CO -Ausstoß bleiben. Wenn die Zahl der Flüge so steigt wie derzeit, bleiben die Emissionen damit hoch.“

Technische Lösungen sind also Zukunftsmu­sik, und bevor ich in Pension gehe – ich bin 28 – kein Ausweg, „die Luftfahrt ist, anders als die Elektrizit­ät, sehr schwierig zu dekarbonis­ieren“, sagt Schafer. Und jetzt? Ist die Antwort auf die Klimakrise kaum mehr zu fliegen?

„Wir haben immer noch einen berechtigt­en Bedarf an Flügen“, sagt Klimaökono­m Schleicher. Beruflich seien persönlich­e Kontakte oft notwendig. „Das müssen wir akzeptiere­n. Ich fahre in zwei Wochen von Wien nach Zürich und werde die Bahn nehmen. Wien–Berlin wäre aber ein Problem.“

„Ein Ärgernis ist der Freizeitve­rkehr“, sagt Schleicher. „Etwa der Shoppingau­sflug nach Mailand.“Oder mein Kurztrip nach Bukarest. Wir hätten auch mit der Bahn woanders hinfahren können, denke ich mir. Ich bin zweimal nach Berlin, mit besserer Planung hätte ich Busse nehmen kön- nen. Der Einzelne sei gefragt. „Das lösen wir nicht mit einer Kerosinode­r CO -Steuer. Dann kommen zum 50-Euro-Flug nach Malaga vielleicht 20 Euro dazu.“

Die Klimaforsc­herin Helga Kromp-Kolb sagt, Konferenze­n könne man auch online machen, manchmal sei es notwendig zu fliegen, „aber wir müssen unseren Lebensstil ändern, schnell einmal ein, zwei Wochen irgendwohi­n, das verträgt der Planet nicht. In Schweden fangen die Leute an, sich für das Fliegen zu genieren“, sagt sie. „Diese geänderte Stimmung ist es, was wir brauchen.“

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In einen Flieger zu steigen ist so circa das Schlimmste, was man dem Klima antun kann. Es trägt pro Kilometer und Person doppelt so viel zur Erhitzung bei wie ein Pkw.

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