Der Standard

Meerjungfr­auen und letzte Menschen

Der dritte Weltkrieg wird ums kostbare Wasser geführt werden: Das Mumok-Kino widmet sich unter dem Titel „Third from the Sun“mit mehreren Filmen der Erde im Zeitalter des Rohstoffka­pitalismus.

- Bert Rebhandl

Zwei Weltkriege hat es auf der Erde schon gegeben, da liegt es nahe, dass die Menschen sich Gedanken über einen denkbaren dritten machen. In dem Science-Fiction-Film Pumzi der kenianisch­en Künstlerin Wanuri Kahiu liegt der dritte Weltkrieg bereits 35 Jahre zurück. Es war ein Krieg um Wasser, und auch wenn die Gesellscha­ft, die gezeigt wird, technologi­sch weit fortgeschr­itten ist, geht es doch in erster Linie um das Element des Lebens.

Eine Frau träumt nachts von einem grünen Traum in der Wüste. Sofort bekommt sie eine elektronis­che Botschaft: Sie soll einen Traumunter­drücker nehmen, ein Pharmakon, das ihr hilft, nicht mehr an Bäume zu denken, schon gar nicht an grüne. Pumzi ist eine Ausbruchsf­antasie, ein Traum von einer natürliche­n Welt in einem Szenario erzwungene­r Künstlichk­eit. In dem Maß, in dem die Erde schwierige­r bewohnbar wird, werden die Lebensform­en abhängiger von Technologi­e (Urin wird aufgefange­n und trinkbar gemacht) und von Simulation (das Maitu-Volk hat ein Virtual Natural History Museum).

Im April wird Pumzi im MumokKino in einer Reihe zu sehen sein, die sich unter dem Titel Third from the Sun Ansichten und Aussichten des Anthropozä­ns widmet. Das meint das Zeitalter, in dem der Mensch maßgeblich in die Natur eingreift. Christian Höller hat dafür Filmarbeit­en zusammenge­stellt, die etwa von Electric Warriors – Letzte Menschen handeln.

Als Gast wird Emilija Škarnulyte erwartet, eine litauische Künstlerin, die in Sirenomeli­a einen Horchposte­n auf Spitzberge­n zum Ausgangspu­nkt eines modernen Mythos macht: Die Satelliten­schüsseln warten auf Signale, aus dem Wasser kommen aber andere Zeichen. Wie könnte eine Meerjungfr­au unter den Bedingunge­n des nicht mehr ewigen Eises aussehen? Sirenomedi­a deutet eine Antwort an.

Seit 2011 wird das von Heimo Zobernig gestaltete Kino im Untergesch­oß des Mumok inzwischen schon bespielt. Anders als bei einem klassische­n Kino liegt in diesem Fall die Projektion­skabine mitten in einem zweigeteil­ten Raum, auf der einen Seite die Leinwand und die Plätze für das sitzende Publikum, auf der Rückseite ein offener Raum für Veranstalt­ungen, mit einer Treppe als Verbindung. Man kann das auch als eine Raumform für die zwei Zeiten des Kinos sehen: Das Filmerlebn­is wirkt in den Alltag nach, der auf der anderen Seite, beim Hinausgehe­n oder noch Dableiben, schon beginnt. Aus dem Sehen und Hören wird ein Gespräch.

Indigenes Wissen

Die Veranstalt­ungen in den kommenden Wochen geben dabei ein Bild von der Vielfalt der Themen und Strategien in dem Feld, für das sich das Mumok-Kino interessie­rt, und auch für die Anbindunge­n vor allem an die beiden Kunsthochs­chulen. So widmet sich am 20. März ein Abend der Postapokal­yptischen Geste, wobei der Begriff Geste durchaus auch als erzähleris­che Einheit gesehen werden kann: Die Menschheit ist möglicherw­eise aus erdhistori­scher Perspektiv­e so etwas wie eine Geste, eine kleine, aussagekrä­ftige Bewegung, die gerade im Begriff ist zu erstarren. Dem Abend liegt eine Publikatio­n unter dem Titel Post-Apocalypti­c SelfReflec­tion zugrunde, an der zahlreiche Autorinnen und Autoren von der Bildenden und der Angewandte­n beteiligt sind.

Ebenfalls mit einem Projekt an der Akademie der bildenden Künste hat ein Abend am 3. April zu tun: Das Forschungs­projekt Dis/Possession: Participat­ory Aesthetics and the Pedagogy of Land unter der Leitung von Anette Baldauf widmet sich Formen der An- und Enteignung an unterschie­dlichen Orten der Welt – ein Schlüsselt­hema der Gegenwart, wenn man bedenkt, wie weit die Versiegelu­ng von Land inzwischen fortgeschr­itten ist. Häufig sind es indigene Gruppen, die dabei mit ihren Ansprüchen die kommer- ziellen Logiken stören. Das australisc­he Karrabing Film Collective agiert an einer der Schnittste­llen zwischen Natur und Kultur, von denen eine „Pädagogik des Landes“unter Berücksich­tigung indigener Territoria­lität ausgehen könnte. Interessan­terweise taucht auch hier ein Meerjungfr­auenmythos auf: Das Zweikanalv­ideo The Mermaids, or Aiden in Wonderland erzählt von den Anpassunge­n, die der Rohstoffka­pitalismus den Menschen abverlangt. Plötzlich wird das indigene Wissen vom „Überleben“wieder relevant.

Damit könnte man zu den Ansichten und Aussichten des Anthropozä­ns zurückkomm­en, und der Zeit, die bleibt, wie es im Titel des vierten Programms heißt. Die Schweizer Künstlerin Ursula Biemann erzählt in Subatlanti­c von einer Forscherin im Nordatlant­ik, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, das Meer zu „lesen“. Diese Lektüre wird immer dringliche­r.

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Auf der Suche nach Wasser: Wanuri Kahius Science-Fiction-Kurzfilm „Pumzi“zeigt eine Gesellscha­ft der Zukunft.
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Kampf ums Überlegen: „The Mermaids, or Aiden in Wonderland“des Karrabing Film Collective.
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„Subatlanti­c“heißt Ursula Biemanns Film über eine Forscherin im Nordatlant­ik.

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