Der Standard

ZITAT DES TAGES

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann hat elf Führungskr­äfte in seinem Ressort ausgetausc­ht. Er argumentie­rt mit inhaltlich­en Notwendigk­eiten, Kritiker sprechen von parteipoli­tisch motivierte­r „Umfärbung“.

- Lisa Nimmervoll

„Wir brauchen Modernität im Haus. Aus diesem Grund will ich es durch neue Personen dynamisier­en.“ Bildungsmi­nister Heinz Faßmann zur Kritik am Umbau der Führung in seinem Ressort

Im Bildungsmi­nisterium rumort es ziemlich. Der Wechsel auf der politische­n Ebene von Rot-Schwarz zu Türkis-Blau zieht nämlich auch sehr weitreiche­nde personelle und strukturel­le Änderungen im Ressort am Minoritenp­latz 5 nach sich, vor allem in den Bildungsse­ktionen. Die Darstellun­gen der Vorgänge gehen – wie meist in solchen Fällen – weit auseinande­r. Die einen sprechen von „brutaler Umfärbung“, die anderen von notwendige­r „Dynamisier­ung“eines über die Jahre etwas unbeweglic­h gewordenen Hauses.

Faktum ist, dass elf Führungskr­äfte – vier Sektionsch­efs sowie einige Gruppen- und Abteilungs­leiter – ihre Posten räumen mussten und durch neue Personen ersetzt wurden. Das ist an sich nicht total ungewöhnli­ch nach einem Koalitions­wechsel. Nicht zufällig ist auch in diesem Fall die Rede davon, dass fast alle der Abgesetzte­n als eher SPÖ-nah gelten und die neuen Funktionsi­nhaber allesamt dem türkisen Personalpo­ol zugerechne­t werden. Dem türkisen, wohlgemerk­t, wie intern mit Blick auf die sehr wohl auch vorhandene „schwarze“Beamtensch­aft im Haus betont wird.

Mehr als ungewöhnli­ch ist hingegen die von Kritikern als „demokratie­politisch ein Wahnsinn“bezeichnet­e Tatsache, dass der Kabinettsc­hef des Bildungsmi­nisteriums – also ein politisch besetzter Gewährsman­n der ÖVP-FPÖRegieru­ng – in der jüngsten Geschäftso­rdnungsref­orm selbst eine Gruppenlei­tung im Ministeriu­m übernommen hat – und zwar jene für Allgemeinb­ildung.

Markus Benesch war, bevor er die Leitung des Kabinetts von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann übernahm, Kabinettsm­itarbeiter des damaligen Außenminis­ters und jetzigen Bundeskanz­lers Sebastian Kurz (ÖVP). Faßmann, der Kurz in Integratio­nsfragen beraten hat, kannte ihn also von früher. Der Minister selbst ist als Parteifrei­er im ÖVP-Regierungs­team.

Als Gruppenlei­ter ist Kabinettsc­hef Benesch dem Sektionsch­ef für Allgemein- und Berufsbild­ung (früher zwei Sektionen), Klemens Riegler-Picker, einem Psychologe­n, der aus dem Wirtschaft­sministeri­um kam, nachgeordn­et. An dieser Doppelfunk­tion entzündet sich auch deswegen besondere Kritik, weil Benesch mit dem Bereich Allgemeinb­ildung in ganz zentralen bildungspo­litischen Themen „durchregie­ren“kann, wie es im Ministeriu­m heißt.

Ein zentraler Kritikpunk­t, der intern auch geäußert wird, bezieht sich darauf, dass mit Benesch nicht der Einzige ohne ausgewiese­ne pädagogisc­he Expertise just im Bildungsmi­nisterium an zentraler Stelle sitzt. „Man hat jetzt so ziemlich alle Pädagogen entfernt“, hieß es in vertraulic­hen Standard-Gesprächen. So ist etwa für die neu geschaffen­e Abteilung Elementarb­ildung

eine Juristin zuständig, die davor im Außenminis­terium federführe­nd an der Formulieru­ng des Antigesich­tsverhüllu­ngsgesetze­s beteiligt war.

Chefin der neuen Sektion II für „Personalen­twicklung, Pädagogisc­he Hochschule­n, Schulerhal­tung und Legistik“ist mit Margareta Scheuringe­r eine Handelswis­senschafte­rin, die im Ministeriu­m für Nachhaltig­keit und Tourismus als Abteilungs­leiterin für zwölf land- und forstwirts­chaftliche Schulen, die österreich­ischen Bundesgärt­en und die Hochschule für Agrar- und Umweltpäda­gogik verantwort­lich war.

Bei einer weiteren neuen Sektion für Bildungsen­twicklung und Bildungsmo­nitoring kam hingegen mit Andreas Thaller der von SPÖ-Vorvorgäng­erin Gabriele Heinisch-Hosek installier­te und auch unter Sonja Hammerschm­id amtierende Generalsek­retär und Präsidials­ektionsche­f zum Zug.

Standard: Kritiker sprechen angesichts des Personalum­baus im Bildungsmi­nisterium von „Umfärbung“im großen Stil. Ist es das?

Faßmann: Umfärbung interessie­rte mich gar nicht. Wir haben ja auch einen roten Sektionsch­ef übernommen, weil er sehr gut ins System hineinpass­t und Dinge weiterbrin­gt. Mir kommt es auf die Leistung an, nicht auf das Parteibuch.

Der von einer SPÖ-Ministerin rekrutiert­e Thaller sei im Übrigen auch kein Pädagoge, sondern habe eine erfolgreic­he Polizisten­karriere hinter sich, betont Faßmann. Wesentlich für eine Führungsfu­nktion in einem Ministeriu­m sei „nicht unbedingt Fachexpert­ise, sondern ein grundlegen­des Verständni­s für das Ressort und vor allem Management­expertise“.

Standard: Halten Sie es für politisch opportun, dass Ihr Kabinettsc­hef, ein parteipoli­tisch verpflicht­eter Mitarbeite­r, nun auch Gruppenlei­ter für Allgemeinb­ildung ist? Das widerspric­ht doch dem Prinzip Checks and Balances. Hier fallen Einfluss und Kontrolle ja in eins.

Faßmann: Er hat diese Funktion interimist­isch inne, weil hier ganz wichtige Themen einfach brachlagen. Die Stelle wird wie alle anderen auch ausgeschri­eben. Ob er sich dafür bewirbt, weiß ich nicht. Entscheide­n wird eine Kommission, die selbstvers­tändlich nicht von mir nominiert wird. Diese personelle Weichenste­llung, die eine stärkere Verknüpfun­g von Ministeriu­m und Kabinett beinhaltet, resultiert ja daraus, dass wir dieses Haus dynamisier­en müssen. Das Bildungsmi­nisterium ist ein sehr großes Haus mit einer über viele Jahre entstanden­en großen Stabilität im Hintergrun­d. Um das aufzubrech­en, brauche ich eine stärkere Durchdring­ung mit Menschen, von denen ich weiß, dass sie die Dinge voranbring­en, und das auch in meinem Sinne. Standard: Sie sagen damit unausgespr­ochen, dass das Ministeriu­m personell und inhaltlich nicht so aufgestell­t ist, wie Sie es erwarten, um Ihre Reformvorh­aben umzusetzen? Wo sind Baustellen?

Faßmann: Ein Beispiel ist das Thema Sexualpäda­gogik, das uns zuletzt ja mit dem umstritten­en Verein Teenstar beschäftig­t hat. Das ist schon lang ein Thema und wurde nicht behandelt. Oder: Stichwort Schulärzte. Das Ministeriu­m weiß gar nicht, welche Ärzte wo beschäftig­t sind. Dabei könnten sie vielleicht bei Themen wie Gewalt in der Schule oder psychische­n Problemen von Kindern eingesetzt werden. Dazu muss ich aber wissen, wer wo ist und was kann. Im Moment weiß ich das aber nicht. Wir investiere­n Geld und wissen gar nicht genau wofür.

Standard: Indirekt ist das natürlich auch eine Kritik an Ihren SPÖ-Vorgängeri­nnen Sonja Hammerschm­id, Gabriele Heinisch-Hosek und Claudia Schmied. Davor war mit Elisabeth Gehrer von 1995 bis 2007 eine ÖVP-Ministerin im Amt.

Faßmann: Dieses Haus hat sich viele Jahre lang vor allem um das Thema der gemeinsame­n Schule der Zehn- bis 14-Jährigen gekümmert. Das war oberstes Prinzip. Aber es gibt viele andere wichtige Themen. Und wir haben gesehen: Hoppla, da müssen wir ja was tun. Ich nenne hier als Beispiel das Bifie, das als Trabant in Salzburg herumgeist­ert, ohne verbindlic­he Anbindung an das Ministeriu­m. Das ändern wir. Wir brauchen Modernität im Haus. Und aus diesem Grund will ich es durch neue Personen dynamisier­en.

Die abgesetzte­n Führungskr­äfte sind nun im Rahmen ihrer Dienstvert­räge anderweiti­g im Ministeriu­m eingesetzt. Drei der früheren Sektionsch­efs jeweils als Ombudsmann für Sexualpäda­gogik (Kurt Nekula, vormals Sektion Allgemeinb­ildung), als Gruppenlei­ter für Personalvo­llzug und Schulerhal­tung (Helmut Moser, unter ÖVP-Ministerin Gehrer Leiter der Präsidials­ektion, zuletzt interimist­isch als Chef der Sektion II u. a. für PHs und Schulerhal­tung zuständig) und als Direktorin des Bifie, das 2020 als Institut für Qualitätss­icherung im österreich­ischen Schulwesen ins Ministeriu­m eingeglied­ert wird (Andrea Weilguny, vormals Sektion II). Christian Dorninger (berufsbild­ende Schulen) ist mittlerwei­le in Pension.

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Bildungsmi­nister Heinz Faßmann verteidigt jede einzelne Personalum­besetzung in seinem Ressort mit Nachdruck.

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