Der Standard

Wo viele Menschen, da viel Leichtsinn

Großverans­taltungen haben Gefahrenpo­tenzial: Denn wo viele Menschen sind, passieren viele Unfälle. Risikoanal­ysen sollen Einsatzkrä­fte vorbereite­n.

- Gabriele Scherndl

Pro tausend Besucher auf einem Event müssen in zehn Stunden Veranstalt­ungsdauer zwei Menschen von Sanitätern versorgt werden. So sagt es der Kölner Algorithmu­s, und der liegt, so sagt es Georg Gezcek, Krisen- und Katastroph­enmanager beim Wiener Roten Kreuz, damit meist richtig. Zumindest sofern die Parameter stimmen. Denn ob und zu welchen Einsätzen es bei Großverans­taltungen wie dem Donauinsel­fest, dem Vienna City Marathon oder Demonstrat­ionen kommt, hängt nicht nur von der Zahl jener ab, die sie besuchen, sondern auch vom Ort, Wetter und dem, was aus der Schank fließt.

Darum beurteilen vor großen Veranstalt­ungen Risikoanal­ysten, wie hoch die Wahrschein­lichkeit ist, dass es zu Einsätzen kommt. Dabei mit einfließen würde etwa, so Gezcek, ob die Location offen oder geschlosse­n ist, das Alter und Profil der Besucher und, bei Musikveran­staltungen, welche Band

auftritt – etwa ob die Möglichkei­t besteht, dass sie zu einer Wall of Death aufruft, also dazu, dass Gruppen ineinander­laufen.

Das andere Extrem bilden Bands wie die Boygroup One Direction: „Das dortige Publikumsp­rofil ist zwischen 14 und 16 Jahre alt und bis zu 98 Prozent weiblich. Beim Konzert 2015 hatten wir über 500 Kollapsein­sätze“, sagt Gezcek. Schuld sei, dass die Mädchen teils zehn Stunden in der Sonne standen, dann sprinteten, um in der ersten Reihe zu stehen, und einen Adrenalins­chock bekamen, als die Band auf die Bühne kam. Teenieeffe­kt, nennt man das im Risikoanal­ysejargon.

Dichtgedrä­ngte Menschen

Wie viele Einsatzkrä­fte vor Ort sein müssen, ist auch von der Dichte der Menschenme­nge abhängig: Liegt sie über vier Personen pro Quadratmet­er, kann sich die Rettungskr­aft mit 25 Metern pro Minute durch die Menge be68, wegen. Soll sie also innerhalb von fünf Minuten am Einsatzort sein, muss alle 125 Meter eine Einheit stationier­t sein.

Die Polizei macht ihre geplante Einsatzstä­rke bei Veranstalt­ungen von der angemeldet­en Teilnehmer­zahl und von ihren eigenen Erfahrungs­werten abhängig. Kam es in der Vergangenh­eit zu Ausschreit­ungen – ein Polizeispr­echer nennt etwa den schwarzen Block bei den Akademiker­balldemos –, werden mehr Polizisten einrücken als bei den tausenden Events, die in der Regel friedlich ablaufen. Bei extremen Großverans­taltungen aber könne man nur stichprobe­nartig durchsuche­n.

„So viele Polizisten gibt es in ganz Europa nicht, dass man am Donauinsel­fest jeden Winkel kontrollie­ren kann“, sagt der Sprecher. 700 bis 1000 Polizisten und 500 Sicherheit­skräfte waren letztes Jahr im Einsatz.

Gerald Schimpf vom Magistrat Feuerwehr und Katastroph­enschutz, sagt: „Selbst wenn etwas noch so unwahrsche­inlich ist, müssen wir es lösen.“Bei Events wie dem Donauinsel­fest liege das Gefahrenpo­tenzial vor allem in zwei Dingen: dem Wetter und der Menschenme­nge. Ersteres wird genau beobachtet. Pläne sollen regeln, bei welcher Witterung Zelte abgebaut und Sicherheit­smaßnahmen ergriffen werden müssen, damit kein Schaden entsteht. Letzteres sorgt für eine natürliche Häufung von Unfällen: Wo viele Leute sind, kommen viele auf die Idee, zu schwimmen, egal ob sie es können oder nicht. Darum steht die Feuerwehr bei Großverans­taltungen mit Booten bereit.

Katastroph­enmanager Gezcek sagt: „Es wird bei Großverans­taltungen, auch wenn es selten ist, Menschen geben, die sterben. Genauso wird es Menschen geben, die geboren werden, und es wird alles dazwischen geben.“

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Großverans­taltungen wie das Donauinsel­fest sind eine Herausford­erung für die Einsatzkrä­fte.

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