Der Standard

Eine Fischvergi­ftung als Auslöser für tödliche Wahnvorste­llungen

Eine 31-jährige psychisch Kranke hat in einem Wiener Hotel ihre sechs Jahre jüngere Partnerin erdrosselt. Sie lebte offenbar im paranoid-schizophre­nen Wahn, dass das Opfer sie im Auftrag der Pharmaindu­strie vergiften wollte.

- Michael Möseneder

Am Anfang stand eine Fischvergi­ftung im Kroatienur­laub, am Ende lag die 25-jährige Sarah D. erdrosselt neben ihrem Bett in einem Wiener Hotel. Getötet von Jennifer Z., über deren Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her ein Geschworen­engericht unter Vorsitz von Stefan Apostol entscheide­n muss.

Angeklagt ist die 31-Jährige nicht, sie ist eine „Betroffene“, wie es im Juristende­utsch heißt. Denn der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Peter Hofmann ist überzeugt, dass die junge Frau ihre Partnerin unter dem Einfluss einer schizophre­nen Psychose umgebracht hat und rechtlich nicht für ihre Taten verantwort­lich ist.

Im März 2018 war D. zu Z. in die Wohnung gezogen, ab etwa

Mai seien die beiden Frauen ein

Paar gewesen, erzählt die Betroffene. Im Juni fuhren sie an die Adria, der Genuss von Fisch und Meeresfrüc­hten führte bei beiden zu einer akuten Fischvergi­ftung. Während D. sich medizinisc­h betreuen ließ, verweigert­e Z. Infusionen. „Ich dachte, die Ärzte wollen mich vergiften“, erzählt sie vor Gericht.

Ab diesem Zeitpunkt ging es mit dem psychische­n Zustand der dreifach wegen Eigentumsd­elikten vorbestraf­ten Betroffene­n rapide bergab. Sie war überzeugt, schwer krank zu sein, und suchte verschiede­ne Ärzte auf. Z. bildete sich ein, an Syphilis zu leiden, Herz- und Lungenprob­lemen, ihrer als Zeugin aussagende­n Großmutter berichtete sie, sie habe die Pest.

Auch anderen Personen vermittelt­e die Arbeitslos­e, bald sterben zu müssen. „Sie hat ab Juli oder August immer vom Sterben gesprochen und dass die Pharmaindu­strie, die Familie oder Freunde sie vergiften wollen“, erinnert sich die Großmutter.

Laut Sachverstä­ndigem Hofmann nahm die Krankheit „einen fulminante­n Verlauf“, am 14. September schaffte es das spätere Opfer, Z. zum Besuch der psychiatri­schen Station im AKH zu bewegen. Dort bleiben wollte die 31-Jährige nicht, eine akute Selbst- oder Fremdgefäh­rdung konnten die Ärzte nicht feststelle­n. Immerhin besorgte Z. sich aber die verschrieb­enen Medikament­e.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Paar schon zwei Nächte in einem Hotel in WienFavori­ten verbracht, um sich gemeinsam eine Auszeit zu gönnen. Auch die dritte Nacht schlief man in der Unterkunft, was dann genau passierte, ist unklar. Die Betroffene sagt heute, sie könne sich nicht mehr an alles erinnern, ihre Aussagen bei der Polizei sind widersprüc­hlich.

Laut Gerichtsme­diziner Christian Reiter steht fest, dass D. eine ungewöhnli­ch hohe Dosis der Medikament­e von Z. im Körper hatte und bei der tödlichen Attacke bewusstlos gewesen sein muss, da auch Abwehrverl­etzungen fehlen. In einer ihrer früheren Aussagen hatte Z. angegeben, ihrer Partnerin, die sie offenbar ebenfalls als Teil des Pharmakomp­lotts sah, Tabletten ins Trinkwasse­r gegeben zu haben.

Irgendwann am Morgen muss die Betroffene das Opfer dann mit dem Gürtel eines Bademantel­s erdrosselt haben. Als sicher gilt, dass Z. einige Zeit mit der Toten, die sie auch noch sorgfältig in eine Decke gehüllt hatte, verbracht hat. Am Vormittag ging sie zur Rezeption und bat, die Polizei zu alarmieren.

Die Geschworen­en brauchen angesichts des eindeutige­n Gutachtens Hofmanns nicht lange und entscheide­n sich einstimmig und rechtskräf­tig für eine Einweisung.

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