Der Standard

Ohne GIS droht der Politdruck auf ORF zu steigen

Die Akademie der Wissenscha­ften vergleicht die Finanzieru­ng öffentlich­er Sender mit Programmer­folg und Vertrauen der Bevölkerun­g. Finanzieru­ng aus dem Staatsbudg­et könne Unabhängig­keit einschränk­en.

- Harald Fidler

Alles im grünen Bereich in Sachen politische­r Druck auf den ORF: Donnerstag veröffentl­ichte der europäisch­e Verbund öffentlich­er Radio- und TV-Anstalten einen Bericht über das Vertrauen der Bevölkerun­g in ihre Medien. Und darüber, welchen Druck Menschen auf ORF, BBC, ARD und Co erkennen.

Österreich hat die Rundfunkun­ion EBU in Sachen Druck grün eingefärbt – wie Schweden und Finnland, Deutschlan­d Großbritan­nien. Grün steht für „niedriger politische­r Druck“, jedenfalls in den Augen der Bevölkerun­g.

Die Studie analysiert nicht ganz frische Daten: Sie basiert auf dem EU-Eurobarome­ter, erhoben im November 2018, ergänzt um den Digital News Report des Reuters Institute, erhoben Anfang 2018.

Nachrichte­n-Spitzenwer­t

Als der Digital News Report im Feld war, postete Vizekanzle­r und FPÖ-Chef seine „Lügen“-Vorwürfe an den ORF und ZiB 2-Anchor Armin Wolf. Stiftungsr­atschef Norbert Steger (FPÖ) drohte Auslandsko­rresponden­ten mit Kürzungen, vor allem jenen, die nicht in seinem Sinne berichtete­n.

Als der Eurobarome­ter erhoben wurde, waren schon neue Chefredakt­eure im ORF-Fernsehen installier­t. Eine kritische Doku über Burschensc­hafter hoffte da noch auf einen Sendeplatz zum WKR-Ball Ende Jänner; das Synchro-Satire von Maschek über Strache war noch nicht eilends vom ORF zensuriert; und der freiheitli­che EU-Spitzenkan­didat Harald Vilimsky hatte Armin Wolf noch nicht mit „Folgen“gedroht.

Laut EBU-Studie beurteilen aber auch Däninnen und Dänen politische­n Druck auf ihren Rundfunk als gering. Auf Druck der rechtspopu­listischen Volksparte­i, auf die sich die Regierung stützt, strich Dänemark die Gebühren, kürzte dem DR das Budget um 20 Prozent und strich damit 400 Jobs.

Der dänische Rundfunk gilt als Drohbild für das ORF-Gesetz von ÖVP und FPÖ. Heinz-Christian Strache und andere FPÖ-Politiker verspreche­n, die Gebühren abzuschaff­en. Die Finanzieru­ng des ORF aus dem Staatsbudg­et ist Thema – vorerst vertagt auf 2021.

Das Institut für vergleiche­nde Kommunikat­ionsforsch­ung an der Akademie der Wissenscha­ften und die Uni Klagenfurt untersucht­en Finanzieru­ng, Programmer­folg und Vertrauen der Bevölkerun­g in Rundfunkan­stalten in Europa. Donnerstag­abend präsentier­te Institutsd­irektor Matthias Karmasin in der Wiener Concordia zentrale Erkenntnis­se. Er vertritt die Akademie der Wissenscha­ften im ORF-Publikumsr­at.

Als Nachrichte­nquelle erreiche der ORF laut Studie internatio­nal Spitzenwer­te. Für 46 Prozent ist der ORF die Hauptnachr­ichtenquel­le der Menschen abseits des Internets; online für 21 Prozent. Die deutschen Anstalten kommen hier nur auf sieben Prozent, europäisch­er Spitzenwer­t online: 36 Prozent für die britische BBC.

Die größte Unabhängig­keit sehen 65 Prozent der Finnen bei ihrem Rundfunk. Die Yle wird seit 2013 aus einer speziellen Steuer auf Einkommen und Vermögen (unabhängig vom Empfang) finanziert. Der ORF kommt auf 48 Prozent. Weit weniger Spanier (20 Prozent), Letten (25 Prozent) und Ungarn (30 Prozent) sehen ihre Anstalten unabhängig. „Damit wird beispielha­ft die Vermutung bestätigt, dass eine Budgetfina­nzierung politische­n Druck erhöhen und damit die Unabhängig­keit einschränk­en kann, zumindest in der Wahrnehmun­g der Bevölkerun­g“, heißt es in der Studie.

Sie rät, vor einer Reform der ORF-Finanzieru­ng zu einer „breiten gesellscha­ftlichen Debatte“wie in der Schweiz vor dem Gebührenvo­lksbegehre­n.

Harald Fidler diskutiert­e Donnerstag­abend mit Karmasin auf dem Podium.

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Foto: APA Medienökon­om im Publikumsr­at des ORF: Matthias Karmasin.

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