Der Standard

Er will halt kein Lulu sein

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Es war, soweit man das bisher sagen kann, eine beglückend­e Woche – bei all dem Esprit, mit dem die FPÖ das Land übergießt, weiß man ja nie, was einem ihrer Funktionär­e bis Sonntag noch entschlüpf­t. Der Kanzler konnte sich von den ihn anbetenden chinesisch­en Massen losreißen, um in die inzwischen von seinem Vize in Beschlag genommene „Heimat“zurückzuke­hren, wo er nach dem Motto des großen Vorsitzend­en „Dem Volke dienen“sofort damit begann, den Strudeltei­g einer sich bis 2023 hinziehend­en Steuerrefo­rm auszuziehe­n, ohne Details der Ingredienz­ien preiszugeb­en.

Als Weihrauch über den vom Koalitions­partner verbreitet­en Gestank wurde deren Ausmaß unvermitte­lt von 4,5 auf 6,5 Milliarden erhöht. Gedient ist damit zuerst dieser Koalition. Sein Stellvertr­eter war mehr mit sich beschäftig­t. Samstag titelte Die Presse über seinem Konterfei „Bei der FPÖ regiert die Angst mit“. Gegen diese Diagnose schlug er einen Tag später in der Krone mit einem klaren Bekenntnis zu den Identitäre­n, von denen er sich in einem Moment luluwarmer Schwäche distanzier­t hatte, zurück. Er erhob die Phrase „Bevölkerun­gsaustausc­h“zu einem „Begriff der Realität“, den er aus seinem öffentlich­en Windelaust­ausch gezogen haben könnte. Aber wer will Lulu bleiben, wenn er nur zu seinen Wurzeln zurückkehr­en muss!

Welche Rolle beim Austausch stets der Gehalt spielt, ließ sich am Beispiel des ORFGönners Norbert Steger ablesen. Als Paradelibe­raler einst ein Gräuel im Auge Jörg Haiders,

erscheint er heute als jemand, der einen völkischen Austausch in sich selbst vollzogen hat – als politische Realität. Ob der Vergleich schwarzer Koalitionä­re von einst mit türkisen von jetzt auf einen Bevölkerun­gsaustausc­h in der ÖVP schließen lässt, ist denkbar – wenn man die österreich­ische Realität auf den Begriff bringt.

„Schützen was wir lieben“hat sich Strache diese Woche von seinen Plakatiere­rn auf den Leib schreiben lassen. Das regt dazu an, Revue passieren zu lassen, was Freiheitli­che lieben. Letztlich doch die Identitäre­n, von deren Sprache Strache nicht lassen kann. Sie lieben es, wenn das Recht der Politik folgt, aber es muss nicht beim Recht bleiben. Besonders lieben sie es, wenn die Medien der Politik folgen – Experten sowieso –, Steger und Vilimsky lassen es in puncto „Keine dummen Fragen stellen“bis zur persönlich­en Verunglimp­fung des Fragestell­ers an Deutlichke­it nicht fehlen. Wie leicht wird doch ein Interview zum Volksgeric­htshof, wenn nicht gefragt wird, was gewünscht.

Sie lieben das Konzentrie­ren und die Vorbeugeha­ft, und sie sind geradezu vernarrt in Tiervergle­iche. Ratten und Hündinnen werden zu Argumenten. Nur wenn man erinnert, dass die Nazis ebenso argumentie­rt haben, mahnt Parteischl­aumeier Norbert Hofer, man dürfe nicht leichtsinn­ig mit dem Begriff Nazi umgehen. Danke!

Die Entwicklun­g der Menschheit basiere auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum, sinnierte er im Profil. Ja, und deutlich wie schon lange nicht hat diese Woche gezeigt: Der Versuch einer Koalition mit Undercover-Identitäre­n ist ein Irrtum – des Bundeskanz­lers, der sie zwar widerlich, aber ganz praktisch findet.

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