Der Standard

Zu stark nach links geblinkt

- Birgit Baumann

Niemand muss an Wuchermiet­en und kargem Lohn verzweifel­n. Stattdesse­n wohnen alle Deutschen im Genossensc­haftsbau und gehen morgens in die staatseige­nen Motorenwer­ke (ehemals BMW) zur Arbeit, wo sie fröhlich vor sich hin schrauben.

So sähe die Welt von Juso-Chef Kevin Kühnert aus, wäre er SPD-Chef und Kanzler einer sozialisti­schen Alleinregi­erung. Um zunächst eine kleine Lanze für den 29-Jährigen zu brechen: Es gehört zum Berufsbild eines Juso-Chefs, auch die eigene Parteispit­ze aufzuschre­cken.

Das ist Kühnert gut gelungen, als er nach der Bundestags­wahl 2017 mit nachvollzi­ehbaren Argumenten gegen die große Koalition mobilmacht­e und die Interessen vieler in der SPD vertrat. Seither hat sein Wort Gewicht.

Doch seine Utopie von der klassenlos­en Gesellscha­ft, in der es keine privaten Vermieter und in großen Betrieben keine kapitalist­ische Ordnung mehr gibt, schießt völlig übers Ziel hinaus. Offenbar hat Kühnert ein paar Anleihen zu viel beim vieldiskut­ierten Berliner Volksbegeh­ren zur Enteignung von Immobilien­konzernen genommen.

Einen solchen Systemwech­sel wollen in Deutschlan­d nur eine Handvoll Leute ernsthaft. Der Rest ist froh, dass der Sozialismu­s mit all seinen negativen Ausprägung­en mit der DDR untergegan­gen ist. Richtig ist: Wohnungsno­t und geringe Löhne gehören diskutiert. Aber wer es wie Kühnert angeht, der macht sich dabei lächerlich.

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