Der Standard

Falsches blaues Selbstlob

- Irene Brickner

Das Sicherheit­sgefühl trägt zur Lebensqual­ität entscheide­nd bei. Also ist die Nachricht, dass die Kriminalit­ät 2018 auf ein 20-Jahres-Tief gesunken ist, ein Grund zur Erleichter­ung.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dieser Rückgang nur zum Teil mit der Qualität der Verbrechen­sbekämpfun­g zu erklären ist. Auch die von Walter Rosenkranz gelobte „Handschrif­t der FPÖ“fällt hier eher blass aus, denn ausschlagg­ebend ist vielmehr das Altern der Gesellscha­ft. Nimmt der Anteil junger Männer aus der kriminell aktivsten Gruppe der 15- bis 25-Jährigen ab, so gehen auch die Anzeigenza­hlen zurück. Das sei in Europa und in den USA so, sagt der Kriminalso­ziologe Reinhard Kreissl.

Unwohl wiederum stimmt der Umgang des Innenminis­teriums mit manchem Hotspot der Kriminalit­ät. Die Zahl der Morde an Frauen nahm 2019 weiter zu, doch auf eine Wiederkehr der multidiszi­plinären Fallkonfer­enzen, die in zugespitzt­en Fällen von Beziehungs­gewalt einst so effektiv waren, wartet man vergebens. Und Kickls seit 1. Mai geltender Kommunikat­ionserlass für Ministeriu­m und Polizei hüllt sexuelle Verbrechen gegen Frauen in Schweigen. Medienarbe­it darf nur noch nach Delikten im öffentlich­en Raum stattfinde­n – nur dann, wenn weitere Opfer oder Zeugen gesucht werden. Dafür herrscht Großzügigk­eit bei der Herkunftsn­ennung von Verdächtig­en. Diese hat nunmehr in fast allen Fällen zu erfolgen, bei Strafe eines Disziplina­rverfahren­s.

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