Der Standard

Eine Party mit dem Magistrat

Das Festival #kommraus widmet sich dem öffentlich­en Raum in Wien und bietet drei Tage Spazieren, Feiern und Diskutiere­n. Damit bekommen auch anonyme Stadtplane­r ein Gesicht.

- Maik Novotny

Die meisten Leute haben keine Ahnung, was der Begriff öffentlich­er Raum bedeutet“, sagt Eugene Quinn. „Wir wollen das sichtbar machen. Los geht’s!“Mit seiner knallorang­enen Arbeitshos­e ist der Londoner Wahlwiener, der sich mit der Vienna Ugly Tour einen Namen gemacht hat, auch im Touristeng­ewirr auf dem Stephanspl­atz sofort auszumache­n. Ihm zur Seite steht Barbara Slotta von der Magistrats­abteilung 18. Beide haben zum zweistündi­gen Spaziergan­g geladen, als Auftakt des von ihnen mitorganis­ierten Festivals „#kommraus – Forum Öffentlich­er Raum“, das am Donnerstag begann und bis Samstag dauert.

82 Programmpu­nkte, 18 Workund Walkshops, 24 Spaziergän­ge. Rund 3000 Teilnehmer werden erwartet. Auf dem Gehsteig vor der Oper wird die Fledermaus aufgeführt,

woanders gibt es Livemusik, oder es darf auf der Straße Brot gebacken werden. Ein Architekt aus Damaskus zeigt, welche Orte Geflüchtet­e frequentie­ren und warum, das Filmmuseum zeigt Filme zum öffentlich­en Raum in Wien von 1896 bis heute, vom Ottakringe­r Amateurkri­mi aus den 1930erJahr­en bis zu James Bond.

Der Soundtrack der Stadt

Klingt nach reichlich Rambazamba? Ja, bekräftigt Eugene Quinn, das soll es auch. „In London hört man überall den neuesten Hit von irgendwo. Das vermisse ich im ruhigen Wien oft. Der Stadt fehlt der Soundtrack!“Quinn selbst wird beim Festival mit jedem, der interessie­rt (und gut trainiert) ist, alle 23 Bezirke am Stück erwandern.

Hashtag, Dialogwalk und Popwalk: Das Programmvo­kabular signalisie­rt auch den Generation­swechsel in den Wiener Magistrats­abteilunge­n, die immer weniger mit dem Klischee des kettenrauc­henden, grantigen Beamten zu tun haben. Das für viele immer noch kafkaeske Gewirr der zahllosen Magistrats­abteilunge­n soll beim Festival sein freundlich­es Gesicht zeigen. Motto: Keine Angst vor der Bürokratie! „Es ist immer besser, wenn man die Person hinter der Telefonnum­mer kennt“, sagt Barbara Slotta. Auch 17 der 23 Bezirksvor­stehungen sind eingebunde­n. Die Organisato­ren sind selbst erstaunt über die Resonanz. „Alle Personen und Amtsstelle­n haben großes Interesse gezeigt“, freut sich Slotta.

Zwei Walkstunde­n später. Slotta und Quinn auf dem Columbuspl­atz. Ein Betonpodiu­m, daneben eine eher traurig verkrautet­e Grünfläche.

Grundlage ist das 2018 von der Stadt Wien als Teil des Stadtentwi­cklungspla­ns STEP 2025 beschlosse­ne Fachkonzep­t öffentlich­er Raum. Maßnahmen gegen Überhitzun­g, 10.000 neue Bäume, 800 neue Bänke und 400 neue Spielangeb­ote sollen bis 2025 realisiert werden. Wie es bei solchen Konzepten üblich ist, bekommt die Öffentlich­keit davon kaum etwas mit.

„Deswegen wollen wir es auf die Straße bringen, damit es nicht in der Schublade verstaubt“, sagt Barbara Slotta. Vier Aspekte des Fachkonzep­ts werden beim Festival hervorgeho­ben: Spielen, Verweilen, Schatten und Wasser.

Bleibt zu hoffen, dass das gut durchdacht­e Programm nicht in der Flut der Übereventi­sierung des öffentlich­en Raums als einfaches Straßenfes­t untergeht.

➚ kommraus.wien

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Der Asphalt als Freiraum: Der öffentlich­e Raum in Wien lädt bis Samstag zur Aneignung ein.

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