Der Standard

Auch sterbende Schwäne verdienen Achtung

Eine Ausstellun­g zum Wiener Staatsball­ett im Theatermus­eum zeichnet das Bild eines oftmals sträflich geringgesc­hätzten Künstlerin­nentypus.

- Helmut Ploebst Bis 13. 1. 2020

Diese Ausstellun­g musste zwar klein bleiben, aber dafür ist sie umso feiner geworden. Herausford­ernd waren die Umstände bis zur Eröffnung: Erstens hat die Schau Die Spitze tanzt. 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper vom Theatermus­eum nur zwei enge Räume zugeteilt bekommen, zweitens glüht der Skandal um die der Staatsoper angeschlos­sene Ballettaka­demie noch, drittens wird der Tanz bis heute als „zweitklass­ige“Kunstform betrachtet.

Die Tanzhistor­ikerin Andrea Amort, die den Balanceakt der Kuratierun­g von Die Spitze tanzt bewunderns­wert gemeistert hat, zeichnet – der Standard berichtete – auch für die Schau Alles tanzt über die Wiener Tanzmodern­e verantwort­lich. Darin weist die Kuratorin nach, wie sehr der Tanz eine Kunst ist, die vor allem von Frauen bestimmt wird.

Umso problemati­scher ist die Herablassu­ng, mit der Tänzerinne­n auch heute noch als „Hupfdohlen“abgekanzel­t werden. Die Diskrimini­erungsmust­er gegenüber dem Tanz bilden die historisch­e Unterdrück­ung von Frauen im Kleinforma­t ab. Es sind Muster ohne Geschlecht­ergrenzen: Lange galten Männer, die sich für den Tänzerberu­f entschiede­n, als weichlich, wie etwa Stephen Daldrys

Film Billy Elliot – I Will Dance (2000) zeigte.

Die bekannte Benachteil­igung von Frauen in den Künsten gilt auch für das Ballett. Da werden sie seit jeher nicht so gerne ans Choreograf­ieren, Librettier­en oder Komponiere­n von Musik gelassen. Als Ballerinen waren sie begehrte Stars – und Freiwild für begüterte Gönner. Erst moderne Frauen wie Isadora Duncan, Mary Wigman und Hanna Berger bis hin etwa zu Pina Bausch oder Marlene Monteiro Freitas schrieben eine andere Geschichte: jene der Selbstbeha­uptung.

Heute sind Ballerinen als grandiose Künstlerin­nen zu respektier­en: Fanny Elßler, Anna Pawlowa oder Marcia Haydée. Und Sylvie Guillem hat sowieso alle Herren, die dachten, sie hätten sie erschaffen, immer etwas erschöpft, weil sie notorisch machte, was sie wollte. In der Ausstellun­g Die Spitze tanzt wird der Akademiesk­andal nicht aufgegriff­en. Aber die Kuratorin Amort hat von vornherein ein nachhaltig­eres Signal gesetzt. Ihre Ausstellun­g über die Tanzmodern­e kann als vorab positionie­rtes Statement zur aufschluss­reichen Ballettdok­umentation gesehen werden. Eine Positionie­rung, die den Blick auf das Wiener Staatsball­ett ins Heute erweitert.

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Eben keine Frage der Perspektiv­e: das Wohlergehe­n von Balletttän­zerinnen der Wiener Staatsoper.

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