Der Standard

Rassistisc­he Bachelorar­beit

Steirische FH Joanneum will aus Angst vor rechten Reaktionen die Arbeit „still akzeptiere­n“

- Walter Müller

An der steirische­n FH Joanneum gibt es Wirbel rund um eine offen rassistisc­he Bachelorar­beit. Die FH will die Arbeit „still akzeptiere­n“– aus Angst vor rechten Reaktionen.

Graz – Es war eine von zahllosen wissenscha­ftlichen Klarstellu­ngen: Auch die Unesco hatte 1995 nochmals postuliert, was universitä­r längst abgehandel­t war: „Es wird nachdrückl­ich erklärt, dass es keinen wissenscha­ftlich zuverlässi­gen Weg gibt, die menschlich­e Vielfalt mit den starren Begriffen ‚rassischer‘ Kategorien zu charakteri­sieren. Es gibt keinen wissenscha­ftlichen Grund, den Begriff ‚Rasse‘ weiterhin zu verwenden.“

Knapp ein Vierteljah­rhundert nach diesem Unesco-Statement wurde 2018 an der Grazer Fachhochsc­hule Joanneum eine höchst problemati­sche Bachelorar­beit approbiert, die – mit einiger Verzögerun­g – jetzt an die Öffentlich­keit kam. Diese Arbeit über die „Innerartli­che Variation des menschlich­en Vokaltrakt­es und der Stimme“fußt in ihrer Gesamtheit auf „Rassentheo­rien“– ohne jeglichen Verweis auf die rassenbiol­ogische Grundideol­ogie des Nationalso­zialismus, die NS-Rassengese­tze, die unter dem Prätext einer „Rassenhygi­ene“zur Vernichtun­g von Millionen Menschenle­ben geführt haben.

Der Autor, der bereits in einschlägi­gen rechten Medien präsent war und mit einem führenden Wissenscha­fter des Institutes für Sprachwiss­enschaft an der Universitä­t Graz publizisti­sch kooperiert, beschäftig­t sich vordergrün­dig mit der menschlich­en Stimme. Diese sei, so schreibt er eingangs, „auch von der Rasse des jeweiligen Sprechers geprägt“.

Es folgt ein pseudowiss­enschaftli­cher Exkurs in die Intelligen­zforschung: „Es ist das eine, nach wissenscha­ftlichen Kriterien festzustel­len, dass der Intelligen­zquotient von Europiden (Europäern) im Durchschni­tt höher ist als der von Negriden (Afrikanern) (...) und gleichzeit­ig niedriger als jener von Mongoliden (Ostasiaten) (...)“(siehe Faksimile). Weiter heißt es: „Der Mensch ist in seiner individuel­len Gestalt gleichzeit­ig auch Teil eines Volkes (z. B. des deutschen Volkes).“

Diese rassische Verankerun­g wirke sich auch auf die Stimme aus. So sei „bekannt, dass Italiener mit vergleichs­weise hoher Lautstärke sprechen, oder Türken mit einer höheren mittleren Sprechstim­mlage als Deutsche. (...) Die Hälfte der mittleren Sprechstim­mlagen der Türken gelten, nach deutschen Maßstäben, als pathologis­ch.“

In dieser Tonart werden weitere 50 Seiten abgehandel­t. Die FH Joanneum – Studiengan­g Logopädie – approbiert­e dieses Werk. Der Erstgutach­ter – wie der Autor übrigens ein Masterabso­lvent des Institutes für Sprachwiss­enschaft der Uni – befand die Bachelorar­beit als ausgezeich­net. Der Zweitbetre­uer überprüfte nur die Formalität­en, ob etwa die Zitierrege­ln eingehalte­n wurden.

„Skandalöse Arbeit“

Erst ein aufmerksam­es führendes Mitglied der Abteilung informiert­e das FH-Rektorat, dieses bat das Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­es (DÖW) um eine Einschätzu­ng. Der DÖW-Chef Gerhard Baumgartne­r teilte der FH mit, der Autor sei in weit rechts angesiedel­ten Kreisen „kein Unbekannte­r“. Die Arbeit sei zwar innerhalb des gesetzlich­en Rahmens, Konsequenz­en aus dieser „skandalöse­n Arbeit“seien aber angemessen. Der DÖW-Experte Peter Schwarz präzisiert­e: „Im Prinzip ist die Arbeit der Versuch, pseudowiss­enschaftli­che rassistisc­he Untersuchu­ngen wieder zu rehabiliti­eren. Mit derselben Begründung könnten genauso gut Untersuchu­ngen zu Ohr- bzw. Nasenforme­n oder Genitalgrö­ßen nach ‚Rassengesi­chtspunkte­n‘ durchgefüh­rt werden.“

Der Rektor der Fachhochsc­hule, Karl Peter Pfeiffer, verteidigt im Standard-Gespräch die Approbatio­n der Bachelorar­beit: „Das Dokumentat­ionsarchiv hat uns bescheinig­t, dass die Arbeit zwar grenzwerti­g ist, aber strafrecht­lich in der Substanz nicht angreifbar. Wir haben keine Basis gesehen, sie wieder abzuerkenn­en.“

In einer Rückmail an das DÖW wird noch ein Grund nachgelief­ert: Man befürchtet­e offensicht­lich Attacken aus der rechten Szene. Es sei davon auszugehen, heißt es, dass der Autor „im Falle einer Konsequenz über ein gutes Netzwerk in juristisch­e wie mediale Richtung verfügt und dies möglicherw­eise noch unangenehm­ere Folgen hätte als eine stille Akzeptanz der Arbeit.“

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