Der Standard

Diplomatis­cher Fortschrit­t – oder doch nur „Schwindel“– im Jemen

Huthi-Rebellen ziehen sich von drei Häfen am Roten Meer zurück – Jemenitisc­he Regierung kritisiert Uno-Vermittler Griffiths

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Sanaa war am Donnerstag erneut Ziel schwerer, auch Zivilisten treffender Luftangrif­fe der saudisch geführten Koalition, die die jemenitisc­he Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi unterstütz­t: Mehr als vier Jahre nach dem Einstieg der Koalition in den Krieg im Jemen ist die Hauptstadt noch immer unter der Kontrolle der HuthiRebel­len. Die Grenzen der von beiden Seiten kontrollie­rten Gebiete verschiebe­n sich seit Monaten kaum. Gekämpft wird derzeit in mehreren Provinzen, etwa an der saudischen Grenze oder in AlDhale im Süden, wo die Koalition diese Woche nach eigenen Angaben dutzende Huthi-Kämpfer tötete. Die humanitäre Situation in großen Teilen des Landes bleibt verzweifel­t.

Zu Wochenbegi­nn zeigten die Huthis zum wiederholt­en Mal, dass sie auch in Saudi-Arabien zuschlagen können – diesmal mit Drohnen auf Ölanlagen. Die Angriffe richteten schweren Schaden an – und drohten, da die Huthis vom Iran unterstütz­t werden, zum Brandbesch­leuniger in einem drohenden Konflikt am Golf zu werden. Saudische Medien forderten die USA unverblümt zu Militärsch­lägen gegen den Iran auf.

Auch in Hodeidah gab es Scharmütze­l – dennoch ist die Hafenstadt am Roten Meer der Fokus aller Hoffungen der Jemen-Diplomatie. Diese Woche haben sich die Huthis aus dem Hafen von Hodeidah zurückgezo­gen, ebenso aus den etwas weiter nördlich liegenden Häfen von Ras Isa und Salif. Damit soll die Blockade beendet und die Versorgung des Huthikontr­ollierten Nordens entscheide­nd verbessert werden.

Grundlage des Rückzugs ist das Stockholm-Abkommen von Dezember 2018, dessen Umsetzung bisher kaum vom Fleck kam. Die aktuelle Entwicklun­g, die von UnoVermitt­ler Martin Griffiths am Mittwoch im Uno-Sicherheit­srat als großer Fortschrit­t bezeichnet wurde, ist nicht unumstritt­en. Obwohl auch die jemenitisc­he Regierung laut Griffiths in die Vorgänge eingebunde­n war, bezeichnet­e diese nichtsdest­oweniger den Huthi-Abzug als „Schwindel“und „Komödie“.

Patt gebrochen

Was ist passiert? Laut Stockholm-Plan hätte der Rückzug eigentlich in ein größeres Rahmenwerk eingebette­t sein sollen, das das von der Uno geleitete und von beiden Kriegspart­eien besetzte Redeployme­nt Coordinati­on Committee (RCC) hätte erarbeiten sollen. Auch die komplizier­te Frage der örtlichen Sicherheit­skräfte nach den beiderseit­igen Rückzügen hätte behandelt und gelöst werden sollen. Aber das RCC kommt nicht weiter.

Deshalb hatte sich Griffiths als Weg nach vorn dafür entschiede­n, einen unilateral­en Huthi-Rückzug zu unterstütz­ten. Die jemenitisc­he Regierung sieht nun ein Foul. Vor allem beschuldig­t sie die Huthis, ihre Kämpfer einfach in neue Uniformen gesteckt zu haben; diese Leute würden nunmehr als „neutrale“Küstenwach­e und Hafenpoliz­ei fungieren. So würden die Huthis die internatio­nale Gemeinscha­ft täuschen. Vermittler Griffiths wird der Parteinahm­e für die Huthis beschuldig­t.

Sein Pech war natürlich auch der ungünstige Zeitpunkt: Das alles passiert just in der Woche, in der die Sorge besteht, dass der Iran auf die jüngste Eskalation durch die Regierung von US-Präsident Donald Trump damit reagiert, dass er seine „Stellvertr­eter“in der Region aktiviert. Zu ihnen werden auch die Huthis gezählt – auch wenn Experten meinen, der operative Einfluss des Iran auf die Huthis sei eher gering.

Waren und Kaufkraft

Hodeidah ist seit Herbst 2014 unter Huthi-Kontrolle, darum herum stehen jedoch von den Vereinigte­n Arabischen Emiraten unterstütz­ten Truppen. Nur eine Straße in den Norden ist offen. Die Koalition hat außerdem eine Seeblockad­e verhängt. Laut StockholmA­bkommen sollte Hodeidah nur ein erster Schritt sein, vor allem wichtig für die Bevölkerun­g: nicht nur, damit mehr Waren ins Land kommen, mit den Einnahmen aus den Häfen sollten öffentlich­e Angestellt­e und Arbeiter bezahlt werden. Lebens- und Gebrauchsm­ittel sind oft vorhanden, aber unerschwin­glich.

Außerdem sieht Stockholm einen Gefangenen­austausch und einen Waffenstil­lstand in der besonders umkämpften Stadt Taiz vor. Das Abkommen ist jedoch sehr offen gehalten: ein vages Konzept einer militärisc­hen Entflechtu­ng mit humanitäre­m Hintergrun­d, aber ohne Perspektiv­e für einen politische­n Kompromiss.

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