Der Standard

Brösel bei Nord Stream 2

Die Verlegung von Nord Stream 2 wird sich verzögern. Der Betreiber rechnet nun selbst erst mit der Inbetriebn­ahme im zweiten Halbjahr 2020. Damit steigt der Druck auf Moskau in den Gasgespräc­hen mit Kiew.

- André Ballin

Sie sind nicht faul im Staate Dänemark, aber langsam: Im April 2017 hat Nord Stream 2 den ersten Bauantrag zusammen mit einer Umweltvert­räglichkei­tsprüfung bei der dänischen Energieage­ntur DEA eingereich­t. Inzwischen sind zwei weitere Routenvors­chläge in Kopenhagen – einmal nordwestli­ch von Bornholm (2018), einmal südöstlich (2019) – eingegange­n, aber eine Baugenehmi­gung haben die Dänen immer noch nicht erteilt.

Alle anderen Anrainer haben inzwischen grünes Licht gegeben, in deutschen, schwedisch­en und finnischen Gewässern ist die Verlegung der Rohre unter Wasser bereits weit fortgeschr­itten. Doch ohne Dänemark wird die zunächst angepeilte Inbetriebn­ahme zum Jahreswech­sel nichts mehr. „Geplant ist, dass das Pipelinesy­stem in der zweiten Jahreshälf­te 2020 fertiggest­ellt wird und bereit ist

für den Gastranspo­rt“, teilte die Betreiberg­esellschaf­t Nord Stream im jüngsten Bericht mit.

Neben Hauptaktio­när Gazprom engagiert sich auch die OMV als Financier bei dem Projekt. Nord Stream wirft Dänemark eine bewusste Verschlepp­ung des Zustimmung­sverfahren­s aus politische­n Gründen vor. Tatsächlic­h gibt es seit Jahren einen politische­n Streit über das Projekt. Russland möchte mit der Route den Gastransit durch die Ukraine beenden. Moskau nennt das ein rein kommerziel­les Projekt, aber natürlich stecken auch politische Motive hinter dem Bau der 9,5 Milliarden Euro teuren, 1400 Kilometer langen Pipeline. Der Kreml will die Führung in Kiew nicht mit Milliarden aus dem Gastransit finanziere­n.

USA verschärfe­n ihre Kritik

Druck gibt es auch von der Gegenseite: In den USA werden seit über einem Jahr Sanktionen gegen das Projekt diskutiert. Speziell das Weiße Haus läuft gegen die Pipeline Sturm. US-Präsident Donald Trump warnt, Deutschlan­d und Europa begäben sich so in die Abhängigke­it Russlands.

Auch in Brüssel herrscht Unzufriede­nheit. Die EU-Kommission blockiert den Bau zwar nicht, möchte aber mit neuen Regeln die Kontrolle über die Leitung verstärken und gleichzeit­ig der Ukraine in den Verhandlun­gen um einen neuen Gasvertrag beistehen.

Der aktuelle Transitver­trag läuft zum Jahresende aus. Bisher haben sich Moskau und Kiew nicht auf eine Verlängeru­ng einigen können. Ironischer­weise sind die Vorzeichen diesmal genau umgekehrt als bei der Ausverhand­lung des Gasvertrag­s 2009. Damals setzte Russland einen langfristi­gen Vertrag durch. Nun ist die Ukraine an einem solchen mit zudem noch hohen Liefermeng­en interessie­rt. Russland hingegen will eine kurzfristi­ge Übergangsl­ösung. Mit der Verspätung von Nord Stream 2 steigt nun der Druck auf Moskau, eine Lösung zu finden.

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An den Rohren wird das Pipelinepr­ojekt nicht scheitern. Länger dauert die Antwort auf die Frage, wo genau sie verlegt werden sollen. Zumindest in manchen Ländern.

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