Der Standard

Spielball für Wahlkämpfe­r

- Eric Frey

Es ist ein uralter Wahlkampft­rick: Wer Wähler mobilisier­en will, der sucht sich einen äußeren Feind und spielt die nationalis­tische Karte. Das weiß Italiens Vizepremie­r Matteo Salvini. Er verkündet lautstark, er werde das Joch der EU-Defizitreg­eln abschüttel­n, weil sie italienisc­he Familien arm machen. Darüber empört sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der sogleich erneut strengere Sanktionen für Defizitsün­der fordert. Seither fliegen zwischen Wien und Rom die Fetzen, zur Freude der Wahlkampfs­trategen in beiden Hauptstädt­en.

In der Sache hat keiner der Streithähn­e recht. Es stimmt, dass Italiens Wirtschaft in einer tiefen Krise steckt, die durch mehr Schulden nicht gemildert wird – im Gegenteil. Dazu kommt, dass Salvini offen zum Bruch der EU-Verpflicht­ungen aufruft, was ein gefährlich­er Präzedenzf­all wäre.

Aber strenge Strafen gegen Defizitsün­der gibt es auf dem Papier schon seit der Geburt des Euro. Und gerade weil sie so streng sind, werden sie in der Praxis nie umgesetzt. Welchen Sinn hat es denn, einem überschuld­eten Land weitere Milliarden­zahlungen aufzubürde­n? Das wissen auch Kurz und sein Finanzmini­ster Hartwig Löger. Ihr Reformvors­toß für die EU-Verträge erweist sich allein schon dadurch als reines Wahlkampfg­eplänkel.

Das gilt auch für die verbalen Muskelspie­le von Salvini und Italiens Finanzmini­ster Giovanni Tria. Auch sie kennen die Grenzen für Italiens Neuverschu­ldung. Die werden weniger in Brüssel gesetzt als an den Finanzmärk­ten, wo die Zinsen sofort steigen, wenn die Regierung in Rom sich allzu wild gebärdet. Die Gefahr, dass Italien tatsächlic­h jede Budgetdisz­iplin über Bord wirft und die Rechnung an Österreich­s Steuerzahl­er geht, ist gering.

Italien ist kein zweites Griechenla­nd. Aber seine Probleme sind zu tief, als dass man sie für politische­n Opportunis­mus missbrauch­en dürfte.

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