Der Standard

Ein Abgesang auf „Game of Thrones“

In der Nacht auf Montag endet die Fantasyser­ie „Game of Thrones“, streng beobachtet von Millionen enttäuscht­en Fans, die statt „Sopranos in Mittelerde“zuletzt nur „Sturm der Liebe“in der Ritterburg sahen.

- ABGESANG: Doris Priesching

Um zu erfassen, was derzeit im sterbenden Universum von Westeros passiert, genügt ein Satz von Goethe: „Gespannte Erwartung wird selten befriedigt.“Die Spannung war groß, Befriedigu­ng fand nicht statt. Und jetzt sind alle beleidigt. Goethe hat recht.

Er würde sich trotzdem wundern, was sich in den vergangene­n Wochen rund um die zweifellos schwache letzte Staffel der megagehypt­en Fantasyser­ie

Game of Thrones abspielte, die in der Nacht auf Montag nach acht Staffeln und 73 Folgen auf Sky zu Ende geht. Sturm und Drang waren ein Witz dagegen! Der Zorn der Fans – und es sind viele – gleicht jenem abgewiesen­er Liebender: DAS KANNST DU MIT MIR NICHT MACHEN!

Und egal, ob Dany, Jon, Tyrion, Bran, Sansa, Arya und die anderen Mitglieder dieser bisweilen schrecklic­h netten Fernsehfam­ilie ein gutes Ende erwarten oder nicht, bleibt die Frage im Raum: Wie konnte das passieren? Wie konnte einem Sender wie HBO, Erfinder von Oz, The Wire, The

Sopranos, Begründer des QualityTVs, Schrittmac­her des „goldenen Zeitalters des Fernsehens“, wie konnte der in seinem Segment wichtigste Serienprod­uzent ausgerechn­et gegen Ende dieser von Zuschauern geradezu vergöttert­en

Blut-, Schweiß- und Tränensaga eine derartige Pleite hinlegen?

Aber was ist überhaupt passiert? (ACHTUNG, jetzt kommt ein SPOILER!) Genau genommen nicht viel – und doch: Fünf Folgen haben gereicht, um den Ruf von

Game of Thrones als ehedem beste Serie der Welt in Grund und Boden zu stampfen. Wie in King’s Landing bleibt nach dem Drachenang­riff der wütenden Sturmtocht­er Daenerys kein Stein auf dem anderen.

Wie „Sturm der Liebe“

An dieser Staffel ist vieles misslungen. Schlampere­ien im Drehbuch, plumpe Dialoge, überzogene Gesten, unlogische Auflösunge­n: Aus „Sopranos in Mittelerde“wurde Sturm der Liebe auf der RitSache terburg. Das Ende ist nah, und es wird gut sein.

Wie es dazu kommen konnte, bleibt ein Rätsel. Bis zu sechs Autoren schreiben an einer Folge von

Game of Thrones, überwacht von den Chefautore­n David Benioff und D. B. Weiss. Und alle diese Profis können nicht leisten, was in Kombinatio­n mit George R. R. Martin so gut gelang?

Wahrschein­lich ist, dass zu viele Köche diesen letzten Brei mitrühren wollten und ihn so verdarben. Zudem legten sie das Augenmerk offenbar zu sehr auf wuchtige Schlachten, die tatsächlic­h in Erinnerung bleiben werden. Der Rest fiel bescheiden aus.

Ein neues Drehbuch für die letzte Staffel, wie es jetzt per Petition von Fans gefordert wird, wird die nicht retten. Schlechte Enden sind in der Seriengesc­hichte keine Seltenheit. Die Abgänge von

Alf und Roseanne waren beschämend sentimenta­l, das Ende Carrie Bradshaws in Sex and the City war zum Fremdschäm­en, Dexter,

True Blood, Lost und House of Cards enttäuscht­en am Ende. Aufhören ist nicht leicht. Die Wahrschein­lichkeit, dass das Ruder in der letzten Folge noch herumgeris­sen wird, ist gering. Zu viel Erde wurde bereits verbrannt. Der Abschied fällt trotzdem schwer.

Thronfolge­r gesucht

An der Nachfolge wird heftig gebastelt. Der Aufgabe stellen sich fast alle großen Stationen: Amazon spielt ab 31. Mai Good Omens nach dem Fantasy-Bestseller von

Neil Gaiman und Terry Pratchett. Direkter peilt der Onlineries­e die Thronfolge mit der Neuauflage von Lord of the Rings an. Amazon hält auch die Rechte am weltweiten Streamingv­ertrieb von Star

Trek: Picard. Skydance Media produziert für Apples neuen TV-Service eine Adaption von Isaac Asimovs Foundation-Zyklus.

Netflix bereitet The Witcher und The Chronicles of Narnia sehr ambitionie­rt vor. Narnia wartet mit 3000 verschiede­nen Charaktere­n auf. HBO setzt auf die Superhelde­n von Watchmen, und nicht zuletzt die versproche­nen Spin-offs von Game of Thrones erhöhen die Freude auf die Post-Thrones-Ära. Gleichzeit­ig steigt die Gefahr, dass sich Goethes Prophezeiu­ng in Zukunft häufiger erfüllt.

 ??  ??
 ??  ?? In der Nacht auf Montag endet „Game of Thrones“nach acht Staffeln. Dann ist die Fantasyser­ie ebenso Geschichte wie King’s Landing.
In der Nacht auf Montag endet „Game of Thrones“nach acht Staffeln. Dann ist die Fantasyser­ie ebenso Geschichte wie King’s Landing.

Newspapers in German

Newspapers from Austria