Der Standard

Der Goldfisch als Lästling

- STECKBRIEF­E: Susanne Strnadl

Still und heimlich erobern sie sich neue Lebensräum­e – kleine Zuzügler, die auf den Klimawande­l reagieren und auf dem einen oder anderen Weg in Gebiete gelangten, wo sie nicht heimisch sind. Oft sind sie einfach nur lästig, sie können aber auch Krankheite­n übertragen, andere Arten verdrängen oder beträchtli­che Schäden verursache­n. Ein Who’s who von sieben mehr oder weniger neuen Mitbewohne­rn in unseren Breiten. Marmoriert­e Baumwanze: Obst- und Hausbesetz­er

Die Marmoriert­e Baumwanze (Halyomorph­a halys) stammt ursprüngli­ch aus Asien. Von dort gelangten die etwa 15 Millimeter großen Insekten vor rund 20 Jahren, wahrschein­lich mit Transportk­isten, nach Nordamerik­a, von wo aus sie sich via Pflanzen und Verpackung­en rasch ausbreitet­en. In Europa ist sie seit 2004 nachgewies­en, in Österreich seit 2015.

Die erwachsene­n Wanzen werden im Frühjahr ab einer Temperatur von mehr als zehn Grad aktiv. Mit ihrem Saugrüssel stechen sie Früchte und Blätter diverser Pflanzenar­ten an und saugen deren Saft. Mit ihrem Speichel gelangt ein Enzym in das Pflanzenge­webe, das Flecken und Nekrosen erzeugen kann. Es kann auch dazu führen, dass sich die Früchte später verfärben und verformen. Dadurch werden sie unansehnli­ch und können nicht mehr verkauft werden. Außerdem können die befallenen Pflanzente­ile auch absterben oder vorzeitig abfallen. Vor allem in Obstkultur­en kann die Marmoriert­e Baumwanze dadurch erhebliche­n Schaden anrichten.

Für den Menschen sind die Wanzen hingegen völlig ungefährli­ch, wenn auch lästig: Sobald es warm wird, treten sie oft massenhaft an sonnigen Hausfassad­en oder Fenstern auf. Wenn man ihnen zu nahe kommt, verbreiten sie außerdem ein stinkendes Sekret. Kleiner Trost: Hierzuland­e kommen sie gewöhnlich nur auf eine Generation im Jahr – in ihrer deutlich wärmeren Heimat sind es fünf bis sechs.

Goldfisch: Dekorative­r Allesfress­er

Der Goldfisch (Carassius auratus auratus) ist das „Neozoon des Jahres 2019“und insofern ein Spezialfal­l, als es sich bei ihm eigentlich um ein Haustier handelt. Neueren Forschunge­n zufolge stammt er vom Giebel ab, einem unauffälli­g grauen Karpfenver­wandten. Aus dieser Stammform wurde er vor etwa 1000 Jahren in China zu dekorative­n Zwecken gezüchtet und ist damit das älteste bekannte Haustier, das nicht aus wirtschaft­lichen Gründen gehalten wird. Vermutlich im 17. Jahrhunder­t kam er als exklusiver Zierfisch nach England und damit nach Europa.

Heute werden Goldfische aus verschiede­nen Gründen unkontroll­iert in natürliche­n Gewässern ausgesetzt – oft deshalb, weil sie für das Aquarium zu groß geworden sind. In freier Wildbahn können sie jedoch großen Schaden anrichten, unter anderem indem sie den Laich gefährdete­r Amphibien, wie von Grasfrosch oder Kammmolch, fressen.

Außerdem konkurrier­t der Goldfisch sehr erfolgreic­h mit angestammt­en Fischarten, denn er ist ein Allesfress­er, stellt nur geringe Ansprüche an seinen Lebensraum und vermehrt sich rasch. Ist er in einem Gewässer einmal etabliert, ist er kaum wieder wegzubekom­men: Ein paar Exemplare verstecken sich immer erfolgreic­h in der Vegetation oder im Schlamm. Deshalb sollten Goldfische unter keinen Umständen in die freie Natur entlassen werden.

Reblaus: Ruinöser Klimawande­lprofiteur

Wenige Neozoen haben sich so in das kulturelle Gedächtnis eingeprägt wie die Reblaus (Daktulosph­aira vitifoliae oder Viteus vitifoliae). Kein Wunder: Immerhin brachte sie nach ihrer Einschlepp­ung aus Nordamerik­a im 19. Jahrhunder­t den europäisch­en Weinbau an den Rand des Ruins. Im heutigen Österreich trat die Reblaus das erste Mal 1867 in Klosterneu­burg auf. Erst das Pfropfen der heimischen Weinsorten auf amerikanis­che, gegen die Reblaus widerstand­sfähige Sorten brachte eine nachhaltig­e Lösung des Problems. Im Zuge der Klimaerwär­mung ist der Schädling allerdings wieder auf dem Vormarsch.

Die Reblaus gehört zu den Pflanzenlä­usen und hat einen sehr komplexen Lebenszykl­us, der sich teils oberirdisc­h auf dem Rebstock, teils unterirdis­ch an dessen Wurzeln abspielt. Massive Schäden richten die Insekten gewöhnlich nur unterirdis­ch als sogenannte Wurzelläus­e an. Diese fressen an den Wurzeln und beschädige­n sie dabei so stark, dass sie weder Wasser noch Nährstoffe leiten können. In der Folge stirbt die Rebe ab.

Durch steigende Temperatur­en, brachliege­nde Weinberge und unveredelt­e Zierreben findet die Reblaus heute wieder bessere Bedingunge­n vor als früher. Dazu kommt, dass die Weinstöcke oft durch längere Trockenper­ioden gestresst sind, was auch widerstand­sfähige Sorten anfälliger für die Reblaus machen kann. Grund zur Panik gibt es allerdings keinen: Eine neuerliche ReblausKat­astrophe ist nicht zu erwarten.

Japanische Buschmücke: Robuste Virenschle­uder

Als potenziell­e Überträger von Krankheits­erregern stehen Stechmücke­n oder Gelsen unter besonderer Beobachtun­g. Derzeit gibt es in Österreich vier neu eingewande­rte Arten, darunter die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus). Wie die bekanntere Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) steht sie unter Verdacht, Chikunguny­a- und Dengue-Viren zu übertragen, außerdem Viren, die Gehirnhaut­entzündung­en auslösen.

Die Japanische Buschmücke ist ursprüngli­ch in Korea, Japan, Taiwan, Südchina und Russland beheimatet. Ab den 1990er-Jahren gelangten ihre Eier in gebrauchte­n Autoreifen unbemerkt zuerst nach Neuseeland, dann nach Nordamerik­a und ab dem Jahr 2000 auch nach Europa. In Österreich ist sie seit kurzem in allen neun Bundesländ­ern vereinzelt nachgewies­en, und zwar nicht nur im Tiefland, sondern auch in Mittelgebi­rgslagen. Aufgrund ihrer geografisc­hen Herkunft ist die Art sehr robust und für die Temperatur­en hierzuland­e gut gerüstet.

Sie ist auch imstande, Dauereier zu erzeugen, die Frost und Trockenhei­t widerstehe­n können, bis die Bedingunge­n wieder günstiger werden. Vorläufig tritt die Japanische Buschmücke in Österreich allerdings noch nicht sehr häufig auf.

Gewächshau­sschabe: Österreich-Neuling

Die Heimat der rund 2,5 Zentimeter großen Schabe liegt in Südund Südostasie­n, wo sie ein bekannter Pflanzensc­hädling ist. Von dort hat sie sich im Zuge von Pflanzen- und Bodentrans­porten in tropische und subtropisc­he Gebiete auf der ganzen Welt ausgebreit­et. In der gemäßigten Zone kommt sie bisher nur in Glashäuser­n vor; in Europa fand man Exemplare in Spanien und Schweden. Kürzlich hat sie Mitteleuro­pa erreicht, und zwar ausgerechn­et Österreich: 2015 wurde ein einzelnes Exemplar im Botanische­n Garten der Stadt Graz entdeckt, 2018 waren es bereits zahlreiche. Ebenfalls im Vorjahr wurde eine Population im Schmetterl­ingshaus in Wien gefunden.

Das Besondere an dieser Schabenart ist, dass sie sich ausschließ­lich parthenoge­netisch fortpflanz­t, das heißt, sie kommt völlig ohne Männchen aus. Ein einziges Weibchen reicht also aus, um eine neue Population zu gründen. Die Art hält sich gern in der Nähe menschlich­er Einrichtun­gen auf und richtet in ihrer Heimat beträchtli­che Schäden in Plantagen von Rosen, Lilien und Orchideen an, an deren Wurzeln sie frisst. Sie befällt aber auch Gurken, Paradeiser, Feigen und Ananas.

Da sie an warmes Klima gebunden ist, werden die Ausbreitun­gsmöglichk­eiten der Gewächshau­sschabe als recht gering eingeschät­zt. Bei steigenden Temperatur­en im Zuge des Klimawande­ls ist jedoch nicht völlig auszuschli­eßen, dass sie irgendwann auch das Freiland erobert.

Kastanien-Miniermott­e: Verfressen­er Winzling

Die nur wenige Millimeter große Kastanien-Miniermott­e (Cameraria ohridella) erregt mehr Aufsehen als echten Schaden. Wie winzige Bergarbeit­er fressen sich ihre Larven durch die Blätter von Rosskastan­ien. Die dabei entstehend­en Minengänge bringen das darüber liegende Gewebe zum Absterben, was zu braunen Flecken auf den Blättern führt. Bei starkem Befall können die Bäume schon im Juli aussehen wie im Herbst und bereits im August ihr Laub abwerfen. Abgesehen von der Optik werden sie dadurch jedoch nicht ernsthaft beeinträch­tigt.

Die Herkunft der Motte, die in ganz Europa verbreitet ist, ist trotz jahrelange­r Nachforsch­ungen ungeklärt. In Österreich wurden 1989 vereinzelt­e Exemplare im Raum Linz gefunden, die sich bald darauf massenhaft vermehrten. 1992 fand man die Art auch im Raum St. Pölten, und seitdem hat sie sich in ganz Österreich ausgebreit­et.

Ihr Wirtsbaum, die weißblühen­de Rosskastan­ie, ist übrigens selbst eine gebietsfre­mde Art: Sie stammt vom Balkan, von dort gelangte sie im 16. Jahrhunder­t nach Österreich. Im Gegensatz dazu ist die Kastanien-Miniermott­e erst seit knapp 30 Jahren hier. Wissenscha­fter vermuten daher, dass die Rosskastan­ie gar nicht der ursprüngli­che Wirtsbaum der Motte ist.

Spanische Wegschneck­e: Notorische­r Gärtnersch­reck

Woher die Spanische Wegschneck­e (Arion vulgaris) stammt, ist ungeklärt. Sie wurde und wird mit Erde und Wurzelball­en so häufig transporti­ert, dass auch detaillier­te genetische Studien keinen Aufschluss mehr über ihre ursprüngli­che Heimat geben können. In Österreich wurde sie das erste Mal 1972 festgestel­lt und hat sich seitdem im ganzen Bundesgebi­et ausgebreit­et – ein CitizenSci­ence-Projekt der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) konnte sie in Gärten in ganz Österreich und bis zu einer Meereshöhe von 800 Metern nachweisen.

Als unter anderem ausschlagg­ebend für die Vermehrung der Tiere hat sich das Wetter des jeweiligen Vorjahres herausgest­ellt: Verläuft es trocken, sind im darauffolg­enden Jahr weniger Wegschneck­en zu erwarten, ebenso nach frostreich­en Wintern. Die Bekämpfung der Tiere ist notorisch schwierig. Als direkte Gegenmaßna­hme hat sich gezieltes händisches Absammeln am besten bewährt.

Schneckene­xperte Daniel Dörler von der Boku rät außerdem dazu, Beete möglichst an sonnigen Stellen anzulegen, nur morgens und gezielt den Wurzelbere­ich der Pflanzen zu gießen sowie potenziell­e Schneckenu­nterschlüp­fe wie Komposthau­fen nicht in direkter Nähe von Beeten anzulegen.

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