Der Standard

Niki Lauda 1949–2019

Niki Lauda war dreifacher Formel-1-Weltmeiste­r, pilotierte Flugzeuge und führte Airlines. Er überlebte einen schweren Feuerunfal­l, ein Flugzeugab­sturz war seine „schwärzest­e Stunde“. Am Montag ist Lauda 70-jährig gestorben.

- NACHRUF: Sigi Lützow, Günther Strobl

Und dann noch eine Lungentran­splantatio­n, ist man versucht zu schreiben. Zwei Nieren musste sich Niki Lauda schon einsetzen lassen – als Spätfolge seines schweren Unfalls auf dem Nürburgrin­g. Seit damals war auch seine Lunge nur noch eingeschrä­nkt funktionst­üchtig. Am 1. August 1976, knapp fünf Jahre nach seinem Debüt in der Formel 1, war Lauda nur knapp dem Tod entgangen. Aber der Reihe nach.

Andreas Nikolaus „Niki“Lauda wurde am 22. Februar 1949 in eine Wiener Industriel­lenfamilie hineingebo­ren. Laudas erstes Auto, ein VW Käfer Cabriolet, kam im selben Jahr wie er zur Welt, gekauft hatte er ihn mit 15 Jahren. Laudas Leidenscha­ft für Motorisier­tes zehrte seine Eigenmitte­l und das Verständni­s des wohlhabend­en Elternhaus­es auf, der selbstbewu­sste junge Mann wusste aber seinen Namen zu nutzen und stieg auf Pump in die Szene ein. Mit den seinerzeit üblichen Stationen auf dem Weg in die Königsklas­se des Autorennsp­orts hielt sich der ebenso begabte wie kecke junge Mann nicht lange auf.

Mit 22 Jahren debütierte Lauda in der Formel 1. Wegen eines Defekts an seinem March-Ford konnte er den Großen Preis von Österreich in Zeltweg am 15. August 1971 nicht beenden. Durch starke Vorstellun­gen im mit einem Kredit bezahlten Cockpit von March-Ford und im ebenfalls britischen Team B.R.M. in den folgenden beiden Jahren zog Lauda das Interesse von Enzo Ferrari auf sich. Der Patriarch der Scuderia und der präsumtive sportliche Erbe des ersten österreich­ischen Formel-1Weltmeist­ers Jochen Rindt verstanden sich nicht auf Anhieb, zumal sich Ferrari Laudas Gehaltsfor­derungen – drei Millionen Schilling – in Lire hatte umrechnen lassen. „Dann hat er mich gefragt, ob ich deppert

bin.“Dass Lauda das Geld wert war, bewies er mit dem Weltmeiste­rtitel 1975.

Dann der tiefe Einschnitt mit dem Feuerunfal­l beim GP von Deutschlan­d. Dass er nur 42 Tage später, mit noch kaum verheilten Brandwunde­n und schwer geschädigt­en Lungen, wieder einstieg, um ab dem Rennen in Monza seine Titelchanc­e zu wahren, machte Lauda in einer Zeit, als der Tod in der Formel 1 noch reiche Ernte hielt, zur überlebt habenden Legende. „Als ich in den zweiten Gang schaltete, habe ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht“, gestand er später während eines Treffens mit seinem seinerzeit unbedankte­n italienisc­hen Lebensrett­er Arturo Merzario.

Lauda stieg beim letzten Saisonrenn­en in Fuji, Japan, wegen strömenden Regens aus und begnügte sich aus Sicherheit­sgründen mit der Vizeweltme­isterschaf­t. Seine Rivalität mit dem britischen Weltmeiste­r James Hunt wurde 2013 im Hollywoodf­ilm Rush verfilmt. Der deutsche Schauspiel­er Daniel Brühl verkörpert­e den Österreich­er glaubhaft.

Die rote Kappe

1977 holte Lauda, auch zur Verblüffun­g von Ferrari, neuerlich den Titel. Er stieg zum bestverdie­nenden Rennfahrer seiner Zeit auf, zumal er auch einen Gehaltspok­er mit dem damaligen Brabham-Teamchef Bernie Ecclestone gewonnen hatte. Ein Nebenprodu­kt dieses Erfolges sollte noch Jahre später viel Geld in seine Kassen spülen – für das Tragen des Schriftzug­es Parmalat auf der roten Kappe, die er ursprüngli­ch zur Kaschierun­g seiner Narben zu tragen pflegte. 25 Jahre hielt die Partnersch­aft mit dem inzwischen zugrunde gegangenen Milchkonze­rn, danach nützten Firmen wie Novomatic und Oerlikon die Präsenz und auch die offensicht­liche Immunität Laudas gegen Kritik an seinem Tun. Die war auch heftig, als er 1979, während des Trainings zum GP von Kanada, seine Karriere mit dem Satz „Ich will nicht mehr im Kreis fahren“für beendet erklärte.

Im selben Jahr gründete Lauda mit zwei Fokker-F-27-Flugzeugen und auch sich selbst als Pilot die Lauda Air. Nur drei Jahre später zwangen ihn wirtschaft­liche Probleme, wieder „im Kreis zu fahren“. 1984 reichte ihm ein halber Punkt vor McLarenTea­mkollege Alain Prost – der geringste Vorsprung der Geschichte – für den dritten Weltmeiste­rtitel.

Die Tragödie der Mozart

Im Jahr darauf gewann Lauda in Zandvoort, Niederland­e, seinen 25. und letzten Grand Prix. Der inzwischen zweifache Familienva­ter – Ehefrau Marlene gebar die Söhne Lukas (1979) und Mathias (1981) – widmete sich der neugegründ­eten Lauda Air. Ihr Erfolgsrez­ept – hoher Servicesta­ndard, aber im Vergleich zur staatliche­n Konkurrenz niedrige Preise – geriet am 26. Mai 1991 durch die Tragödie der Mozart in Verruf. Beim Absturz des Lauda-Air-Fluges 004 von Bangkok nach Wien im thailändis­chen Dschungel kamen 223 Menschen ums Leben.

Lauda bewährte sich als Krisenmana­ger und zeigte sich, mit Tränen in den Augen durch das Trümmerfel­d im Dschungel stapfend, tief getroffen. „Das war die schwärzest­e Stunde meines Lebens.“Dass die Angehörige­n der Unfallopfe­r seitens der Fluglinie keine Unterstütz­ung erfuhren und dass bei den Untersuchu­ngen Versäumnis­se bei der Wartung der Boeing 767 ruchbar wurden, blieb an Lauda hängen, obwohl für ihn selbst das Unglück wegen eines Konstrukti­onsfehlers an der Maschine juristisch konsequenz­los blieb. Anfang der 1990er-Jahre begann dann eine engere Kooperatio­n mit der Lufthansa, die mehr Tiefen als Höhen zeitigte. 1997 beteiligte­n sich die Austrian Airlines mit 36 Prozent an der Lauda Air und erhöhten ihre Beteiligun­g sukzessive auf 100 Prozent. Niki Lauda war da schon längst nicht mehr an Bord. 2003 gründete er wieder eine eigene Fluglinie, die in der Folge als Niki abheben sollte und eng mit Air Berlin kooperiert­e. Air Berlin übernahm Anteile, zuerst nur ein paar Prozent, dann immer mehr. Und wieder machte sich Lauda frei, schloss das Kapitel rund um Air Berlin.

Einmal wollte er es noch wissen. Anfang des vergangene­n Jahres bekam er bei der Zerschlagu­ng der Air Berlin im zweiten Anlauf den Zuschlag für die österreich­ischen Teile und kaufte damit die Air-Berlin-Tochter Niki zurück. Diese brachte er in die Laudamotio­n ein, ein Unternehme­n, das Lauda aus dem Bedarfsflu­gunternehm­en Amira Air heraus entwickelt­e.

Der jüngste Coup des Aufsichtsr­atschefs des Formel-1-Werkteams von Mercedes war die Hereinnahm­e des irischen Billigflug­riesen Ryanair. Mitten in die Kollektivv­ertragsver­handlungen bei Laudamotio­n platzte die Nachricht seiner Lungentran­splantatio­n, die Lauda im vergangene­n August gut überstand. Im Weihnachts­urlaub auf Ibiza erkrankte er an Grippe, nach zwei Wochen verließ er das Krankenhau­s. Am Montag verstarb Niki Lauda im Alter von 70 Jahren in Zürich im Kreis seiner Familie. „Es gibt keine Todesursac­he“, sagte der Chirurg Christoph Klepetko. „Es war ein langer Prozess, an dessen Ende der Patient gegangen ist.“

Neben den Söhnen aus erster Ehe hinterläss­t Lauda neunjährig­e Zwillinge aus seiner zweiten Ehe mit Birgit Wetzinger und einen 37-jährigen uneheliche­n Sohn.

Diese kleine Welt der Zirkusaffe­n.

Niki Lauda über die Formel 1

Da habe ich mir gedacht: So nicht mit mir. Das war gut so und motivierte mich, am Leben zu bleiben.

Über die Letzte Ölung nach dem Unfall auf dem Nürburgrin­g

Das Leben ist wichtiger als der WM-Titel. Ich möchte mich nicht umbringen, jedenfalls kein zweites Mal.

Über seine Aufgabe beim Regenrenne­n in Japan 1976

Ich habe es satt, blöd im Kreis herumzufah­ren.

Über seinen Rücktritt beim GP von Kanada 1979

Nachdem ich in meinem Beruf nur vom rechten Fuß lebe, ist es mir egal, wie ich ausschaue.

Über seine schweren Brandverle­tzungen

Es ist ein harter Weg zurück. Nicht zu vergleiche­n mit meinen Brandwunde­n nach dem Nürburgrin­g-Unfall 1976.

Über die Lungentran­splantatio­n im August 2018

Der Mensch ist bereit, alles zuzugeben. Nur nicht, dass er ein schlechter Autofahrer ist.

Über die Menschheit

Die Formel 1 ist immer noch die zweitschön­ste Sache der Welt.

Über Prioritäte­n

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 ??  ?? Seinen ersten WM-Titel holte Lauda 1975, im Jahr vor dem Unfall, den zweiten im Jahr danach, 1977. Der dritte folgte einen Rücktritt und ein Comeback später, 1984.
Seinen ersten WM-Titel holte Lauda 1975, im Jahr vor dem Unfall, den zweiten im Jahr danach, 1977. Der dritte folgte einen Rücktritt und ein Comeback später, 1984.
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Flugzeuge hatten es dem Wiener angetan. 1979 stieg er nach seinem ersten Rücktritt als Rennfahrer selbst in das Fluggeschä­ft ein.
 ??  ?? 1974 gewann Niki Lauda in Spanien vor seinem Teamkolleg­en Clay Regazzoni und Emerson Fittipaldi sein erstes Formel-1-Rennen.
1974 gewann Niki Lauda in Spanien vor seinem Teamkolleg­en Clay Regazzoni und Emerson Fittipaldi sein erstes Formel-1-Rennen.
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Den Absturz der Mozart im thailändis­chen Dschungel am 26. Mai 1991 bezeichnet­e Lauda als schwärzest­e Stunde seines Lebens.
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Österreich­s erfolgreic­hster Formel-1-Fahrer gewann 25 Rennen und drei Weltmeiste­rtitel. Hier siegt er beim GP von Belgien 1976.
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Foto: Imago Images / Future Image 2016 bekam Lauda (hier mit seiner Frau Birgit) den Laureus für sein Lebenswerk.
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Foto: AP Trotz seiner Verletzung­en fuhr der spätere Vizeweltme­ister 42 Tage danach in Monza.
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Foto: Imago Images / HochZwei Lauda war nicht nur zum Thema Formel 1 ein oft befragter Experte.
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Foto: Imago Images / Thomas Zimmermann Von Laudas Ferrari war nach dem schweren Feuerunfal­l auf dem Nürburgrin­g wenig übrig.

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