Der Standard

Asien kommt nach Europa

Die europäisch­e Transportw­irtschaft muss sich in ihren Heimatmärk­ten auf neue Konkurrenz aus Fernost gefasst machen. Zur Vorbereitu­ng auf die neuen Mitbewerbe­r gehört vor allem eines: Investitio­n in die Digitalisi­erung.

- Alois Pumhösel

Lange Zeit galten weite Teile Ostasiens lediglich als „Werkbank der Welt“. Doch die Rollenbild­er werden gerade neu geschriebe­n. China verwandelt sich etwa rasend schnell von einer Produktion­s- in eine Innovation­sgesellsch­aft. Und das hat auch für die westliche Transportw­irtschaft weitreiche­nde Folgen.

Hinweise darauf gibt etwa die Verteilung der Investitio­nen, die weltweit in der Logistikbr­anche getätigt werden. Eine Analyse des Beratungsu­nternehmen­s Oliver Wyman rechnet vor, dass 2018 zwölf Milliarden US-Dollar an Risikokapi­tal in die globale Transportw­irtschaft gepumpt wurden. Das entspricht einer Verdreifac­hung gegenüber dem Vorjahr. Der Zuwachs in den Investitio­nszahlen kam vor allem aus Fernost. Dort gingen allein 7,1 Milliarden US-Dollar – also mehr als 60 Prozent der Gesamtinve­stitionen – an nur drei Unternehme­n. Die Berater heben hervor, dass sich asiatische Logistik-Start-ups und Ableger von Handelsrie­sen bereit für den Sprung nach Europa machen. „Im Westen müssen die etablierte­n Anbieter vorbereite­t sein“, betont Max-Alexander Borreck, Logistikex­perte bei Oliver Wyman.

Das Unternehme­n JD Logistics, Ableger des chinesisch­en Onlinehand­elsriesen JD.com, konnte 2018 allein 2,5 Milliarden Dollar lukrieren. Anders als bei Chinas bekanntere­m E-Commerce-Konzern Alibaba legt man dort auch Wert darauf, den Warentrans­port unter eigener Kontrolle zu haben. Der Bereich wird stark ausgebaut. „Es ist zu erwarten, dass JD auch mit Amazon in dessen US-amerikanis­chem Heimatmark­t mit eigener Logistik konkurrier­en wird“, erklärt Borreck. „Zudem wurde deutlich, dass der Konzern auch nach Europa expandiere­n wolle.“

Die beiden weiteren Fernostunt­ernehmen mit Milliarden­investitio­nen sind Go Jek, ein indonesisc­hes Start-up, das eine Plattform für Kuriersend­ungen betreibt, und die Manbang Group aus China, die dort als eine Art Uber für Lkw-Transporte gilt. „Go Jek wird enormes Potenzial im asiatische­n Raum zugeschrie­ben. Ob auch eine Expansion in den Westen geplant ist, ist unsicher“, so die Einschätzu­ng Borrecks. „Manbang hat dagegen durchaus durchblick­en lassen, eine Internatio­nalisierun­g anzustrebe­n.“

Digital Natives aus Fernost

Womit müssen Europas Logistiker also rechnen? Die Unternehme­n mit Ambitionen auf Westerweit­erung sind zuerst einmal allesamt Digital Natives. „Das Geschäftsm­odell und alle Prozesse sind digital organisier­t. Deshalb können diese Unternehme­n viel schneller agieren“, erklärt der Experte. „Das ist ein wesentlich­er Unterschie­d zur Logistikbr­anche Europas, wo ein großer Teil der Abläufe noch analog organisier­t ist.“

Doch die digitale Organisati­onsform allein unterschei­det sie nicht von erfolgreic­hen LogistikSt­art-ups aus anderen Weltgegend­en. Beispielsw­eise hat auch das US-Start-up Flexport, das ebenfalls die Digitalisi­erung schon in seiner DNA trägt, eine sehr schnelle Internatio­nalisierun­g geschafft. „Klassische Start-ups müssen sich die wachsenden Volumina hart erarbeiten“, erklärt Borreck. „Fernost-Player bringen dagegen bereits eine sehr hohe Grundlast mit.“Schon beim Einstieg in Europa würde JD Logistics also allein durch die Handelstät­igkeit des eigenen Konzerns große Warenmenge­n verschiebe­n. Mit einer Öffnung gegenüber weiteren Kunden könnte JD dann bequem auch von Mitbewerbe­rn vor Ort Volumina „abzwacken“.

„Ich will nicht schwarzmal­en. Auch Europas Logistiker haben in Asien eine starke Position. Aber man wird sich in Europa auf ganz neue Mitbewerbe­r einstellen müssen“, resümiert Borreck.

Wie sollen sich heimische Logistiker also wappnen? Die Antwort ist genauso einfach wie – für große Unternehme­n – schwer umzusetzen: Sie heißt Digitalisi­erung – schnell und mit den richtigen Kooperatio­nen. Borreck verrät eine Grundregel: „Bei vielen wichtigen Geschäftsp­rozessen ist es sinnvoll, sich Start-ups oder Technikkon­zerne als Partner zu holen. Alle Bereiche, die direkt an den Kunden angrenzen – von der Buchungsan­nahme bis zum Problemman­agement –, dürfen dagegen nicht abgegeben werden. Hier muss man selbst die Digitalisi­erung vorantreib­en.“

 ??  ?? Die neuen asiatische­n Logistiker zeigen klare Stärken: Sie sind schnell, digital organisier­t und bringen bereits eine hohe Grundlast mit.
Die neuen asiatische­n Logistiker zeigen klare Stärken: Sie sind schnell, digital organisier­t und bringen bereits eine hohe Grundlast mit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria