Der Standard

Tag 5 der Krise

Kanzler Sebastian Kurz will die Leitung der verwaisten FPÖ-Ministerie­n nun Topbeamten übertragen – am liebsten schon am Mittwoch. Seine baldige Absetzung wurde damit wahrschein­licher.

- Katharina Mittelstae­dt

Niki Lauda wurde am Dienstag die wohl höchste letzte demokratis­che Ehre zuteil. Der Bundespräs­ident persönlich sprach der Rennfahrer­legende im Livefernse­hen des ORF am Tag nach deren Tod seine Bewunderun­g aus. Danach auch gleich noch der Kanzler. Was das mit der österreich­ischen Regierungs­krise zu tun hat? Eigentlich schaltete der öffentlich­rechtliche Rundfunk zum Pressestat­ement von Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz in die Präsidents­chaftskanz­lei, um zu erfahren, wie sie nun weiter vorgehen wollen – die beiden schoben ein kurzes Gedenken ein.

Dann ging es aber doch um die Zukunft der Republik. Und die gestaltet sich – zumindest vorerst – wie folgt: Kurz wird die fünf verwaisten FPÖ-Ministerie­n alsbald neu besetzen. Heinz-Christian Strache hatte bereits am Montag seinen Rückzug als Vizekanzle­r beim Präsidente­n deponiert, Innenminis­ter Herbert Kickl (beide FPÖ) wurde auf Wunsch von Kurz am Dienstag entlassen. Die restlichen blauen Minister wollten in Solidaritä­t mit ihrem Kollegen ebenfalls gehen, dem stimmte Van der Bellen zu. Bloß Karin Kneissl – die bereits in der Vergangenh­eit laufend betont hatte, parteilos und nur auf einem FPÖ-Ticket Außenminis­terin geworden zu sein – möchte ihr Amt behalten.

Misstrauen­svotum am Montag

Konkret sind jetzt also Inneres, Verteidigu­ngsministe­rium, das Sozialress­ort, das Infrastruk­turministe­rium sowie die Agenden Sport und öffentlich­er Dienst von Strache vakant. Wer für die Posten infrage kommt? „Fachlich und über Parteigren­zen hinweg anerkannte“Persönlich­keiten, wie Van der Bellen erläuterte. Kurz war sichtlich erfreut, denn er kann diese Fachexpert­en laut Verfassung nun auswählen. Es gibt bloß einen Haken: Die geplante Übergangsr­egierung hat wohl keine Mehrheit im Nationalra­t. Will heißen: Sie kann jederzeit gestürzt werden.

Und diesbezügl­ich liegen bereits Pläne auf dem Tisch. Die Liste Jetzt (ehemals Pilz) wird am Montag bei einer parlamenta­rischen Sondersitz­ung einen Misstrauen­santrag gegen Kanzler Kurz einbringen. Dieses Votum gegen ein Regierungs­mitglied, und dann auch noch den Chef persönlich, könnte – erstmals in der Geschichte der Republik – erfolgreic­h sein.

Denn die Sozialdemo­kraten fordern eine Übergangsr­egierung ohne Kurz, die ausschließ­lich aus honorigen Experten besteht – das ist nun nicht der Fall. Man halte sich offen, dem Regierungs­chef das Misstrauen auszusprec­hen, sollte er wirklich allein und ohne den „Dialog mit den anderen Parlaments­parteien zu suchen“, eine neue Regierung angeloben. Die FPÖ droht, dass sich Kurz von seinem Exkoalitio­nspartner ohnehin kein Vertrauen mehr erwarten dürfe. Die Stimmen der beiden Parteien würden reichen, um ihn abzusetzen.

Darüber hinaus hat der Kanzler bereits angekündig­t, auf „Spitzenbea­mte und ehemalige Spitzenbea­mte“setzen zu wollen. Das wurde in der SPÖ schon im Vorfeld befürchtet. Die Sorge: Kurz holt sich türkise Vertrauens­leute aus dem Beamtensta­b und leitet de facto eine reine ÖVP-Regierung. Dann könne er sich bis zur Wahl als strahlende­r Alleinherr­scher gerieren.

Van der Bellen hat keinen Plan B

Apropos Wahl: Wann die stattfinde­t, steht noch immer nicht fest. Die Opposition ist aber auch diesbezügl­ich verärgert. Denn eigentlich wollten SPÖ, Neos und Liste Jetzt, dass schon diese Woche eine Nationalra­tssondersi­tzung einberufen wird. Dort kann dann auch der entspreche­nde Neuwahlant­rag eingebrach­t werden. Parlaments­präsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) stellte sich aber quer – was er kann –, und nun findet die Regierungs­krise erst kommenden Montag offiziell Eingang in den Nationalra­t. Van der Bellen hatte sich für einen Wahltermin Anfang September ausgesproc­hen.

Noch nicht offiziell bekannt ist auch, wann die neue Regierung angelobt werden soll – dem Vernehmen nach aber möglichst schon am Mittwoch. Kurz wollte Van der Bellen alsbald seine Vorschläge für die FPÖ-Nachfolge übermittel­n. Die Zeit drängt aus der Sicht von Kurz auch deshalb, weil die Freiheitli­chen am Dienstag noch ein kleineres demokratis­ches Attentat verübt hatten: Kickl erließ – unakkordie­rt – noch schnell eine Verordnung zur Senkung des gemeinnütz­igen Stundenloh­ns für Asylwerber auf 1,50 Euro.

Sollte auch die neue Regierung am Montag platzen, hat Van der Bellen übrigens noch keinen Plan B parat, wie er sagt. Er gehe davon aus, dass die Parteien nun „sorgsam abwägen“und dass alles klappe.

„ Es geht Kurz offensicht­lich vor allem darum, die eigene Macht auszubauen. Misstrauen­santrag der Liste “Jetzt, Auszug

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