Eine harte Nuss für die Message-Control: Richter Eckart Ratz folgt auf Herbert Kickl
Es gibt Menschen, die sind harmoniesüchtig. Eckart Ratz gehört definitiv nicht zu ihnen. „Suche keinen Streit, aber weiche ihm nicht aus“– diesen Satz bezeichnete der Jurist, der sechs Jahre lang Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH) war, als sein Lebensmotto, und wer ihn kennt, würde das womöglich als Understatement bezeichnen: Legendär war der Streit in seiner Präsidentenära am OGH, als einige Mitglieder des Gerichtshofs gegen Ratz protestierten, weil sie eine zu starke Einflussnahme des Präsidenten auf ihre Tätigkeit sahen – und Ratz daraufhin nicht nur diese Richter mit Disziplinaranzeigen eindeckte, sondern auch sich selbst.
So ist es einigermaßen erstaunlich, dass der Vorarlberger nun für das Amt des Übergangsinnenministers unter Kanzler Sebastian Kurz ausgewählt wurde. Ebendieser Kanzler ist ja bekannt dafür, in der Regierung die Zügel straff zu halten, vor allem was die Rhetorik betrifft. Bei Ratz könnte die Message-Control an ihre Grenzen geraten. Der 66-Jährige nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn ihn etwas antreibt. Allerdings konnte man das auch von seinem Vorgänger Herbert Kickl nicht behaupten.
Andererseits könnte gerade die Tatsache, dass es ein erfahrener Höchstrichter ist, der nun dem Innenressort vorsteht,
zu Konflikten führen: Einige der unter Türkis-Blau vorbereiteten Reformen spießen sich beispielsweise mit EUrechtlichen Vorgaben und drohen vom Verfassungsgerichtshof wieder gekippt zu werden. Mit Ratz steht dem Innenministerium, in dem besonders viele menschenrechtlich relevante Entscheidungen getroffen werden, ein Rechtsgelehrter bevor, der weiß, wie die europäische Judikatur in Grund- und Menschenrechten gestaltet ist.
Aufklärer statt Scharfmacher
All diese Nachteile aus der Sicht von Kurz könnten aber durch die vorteilhafte Symbolik, die die Figur Ratz für die Übergangsregierung spielt, aufgewogen werden. Schließlich braucht Kurz nun einen sachbezogenen Gegenentwurf zum Scharfmacher Kickl. Niemand scheint diese Rollenbeschreibung besser zu erfüllen als ein honoriger Richter. So stellte der Kanzler den nunmehrigen Innenminister auch gleich als neuen „Aufklärer“vor: Ratz solle nicht nur Licht in die BVT-Affäre bringen, sondern auch dazu beitragen, die Herkunft des IbizaVideos aufzuklären, verkündete Kurz am Dienstag. Ratz ist auch ein Signal an die bisweilen nicht ganz streichelweichen Türkisen im Ländle – was ebenfalls ein Motiv gewesen sein könnte. (sterk)