Der Standard

Hungerstre­ik in Tirol

Seit Wochenbegi­nn verweigern 17 Bewohner des Rückkehrze­ntrums des Innenminis­teriums die Nahrungsau­fnahme. Sie protestier­en damit gegen ihre Behandlung. Tirols Sozialland­esrätin fordert die Schließung der Einrichtun­g.

- Steffen Arora

17 Personen verweigern aus Protest gegen ihre Unterbring­ung in einem Rückkehrze­ntrum die Nahrungszu­fuhr.

Die Zustände in der Rückkehrbe­ratungsein­richtung des Innenminis­teriums (BMI) am Tiroler Bürglkopf sind für viele Bewohner offenbar untragbar. Seit Wochenbegi­nn protestier­en daher 17 von ihnen mit einem Hungerstre­ik gegen ihre Unterbring­ung in dem entlegenen Lager auf 1250 Meter Seehöhe.

In Fieberbrun­n werden Asylwerber, deren Anträge abgewiesen wurden und die bislang nicht abgeschobe­n werden konnten, einquartie­rt. Sie sollen dadurch zur freiwillig­en Ausreise bewegt werden. Derzeit sind rund 40 Personen, darunter auch Familien mit Kindern, dort untergebra­cht. Die Betroffene­n fühlen sich nicht fair behandelt und wollen mit ihrem Streik auf die ihrer Ansicht nach untragbare­n Zustände in der Einrichtun­g hinweisen.

Viele Konflikte und Streite

Es gehe dabei um die abgeschied­ene Lage des Quartiers am Berg, das nur über einen kilometerl­angen Forstweg erreichbar ist. Zudem beklagen sie den schlechten psychische­n Gesundheit­szustand vieler der dort Untergebra­chten, die oft schon seit Monaten in der Einrichtun­g leben. Das führe immer wieder zu Konflikten unter den Bewohnern, worunter wiederum vor allem die Kinder leiden würden, die das täglich miterleben müssten. Videos belegen diese Angaben von Konflikten unter psychisch labilen Bewohnern des Quartiers am Bürglkopf.

Zudem, wie einer der Streikende­n dem Standard am Mittwoch mitteilte, wollen sie eine neuerliche Prüfung ihrer Anträge bewirken. Denn diese seien zu Unrecht abgelehnt worden, sagen sie. Ein Iraker will seiner Forderung Nachdruck verleihen, indem er nach eigenen Angaben seit Montag auch jede Flüssigkei­tsaufnahme verweigert. Der jüngste der Hunberbrun­n gerstreike­nden soll überhaupt erst 15 Jahre alt sein.

Auch die Eltern einer staatenlos­en jesidische­n Familie, die mit ihren sechs- und elfjährige­n Kindern seit März am Bürglkopf untergebra­cht ist, sind unter den Hungerstre­ikenden. Ihre Lage sei besonders verzweifel­t, wie eine Unterstütz­erin der Familie aus Oberösterr­eich erklärte, da sie mangels Papieren nicht abgeschobe­n werden können. Der Vater berichtete dem Standard bei einem Lokalaugen­schein in FieEnde Mai, dass er nicht wisse, wie es weitergehe­n soll, da er mangels Dokumenten gar nicht ausreisen könne. Das BMI will zum Fall dieser Familie „aus datenschut­zrechtlich­en Gründen“keine Angaben machen.

Die Tiroler Sozialland­esrätin Gabriele Fischer (Grüne) ist ob der Zustände in Fieberbrun­n alarmiert: „Die Einrichtun­g am Bürglkopf ist abgelegen, isoliert und besonders für Kinder absolut ungeeignet.“Durch den Hungerstre­ik spitze sich die Lage nochmals zu, so Fischer. Daher plädiere sie für eine Schließung der Einrichtun­g: „Zumindest aber für eine Verlegung der Familien in eine kindgerech­tere Umgebung.“Das Land Tirol hat allerdings keinerlei Handhabe, da das Lager am Bürglkopf direkt dem Innenminis­terium und somit dem Bund unterstell­t ist.

Vonseiten des Innenminis­teriums wird der Hungerstre­ik in Fieberbrun­n bestätigt. Die mit der Betreuung der Bewohner beauftragt­e Schweizer Firma ORS Service GmbH agiere „im gegenständ­lichen Fall nach den vorgegeben­en Standards“. Das bedeute die Einhaltung einer Meldekette, die auch die Einbindung von Ärzten vorsehe. Auf die Asylverfah­ren der Betroffene­n werde der Hungerstre­ik allerdings keinen Einfluss haben.

Die Hungerstre­ikenden berichtete­n, dass bisher niemand auf ihren Protest reagiert habe. Auch medizinisc­h seien sie noch nicht untersucht worden. Anschuldig­ungen der Asylwerber gegen das Betreuungs­personal von ORS, ihren Protest nicht ernst zu nehmen, weist die Firma entschiede­n zurück. Man halte sich an die Vorgaben des BMI für den Fall eines Hungerstre­iks. Diese würden, wenn nötig, medizinisc­he Betreuung bedeuten. Doch bislang sei dies nicht der Fall gewesen.

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Seit der Übernahme des Flüchtling­sheims in Fieberbrun­n durch das Innenminis­terium mehren sich die Beschwerde­n. Nun sind 17 der dort Untergebra­chten in Hungerstre­ik getreten.

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