Der Standard

Kulturspon­soring: Museen zwischen Moral und Kapital

Glock, Novomatic oder OMV: Von wem sollen Kulturinst­itutionen Sponsoring­geld annehmen? In den USA und Großbritan­nien tobt zu dieser Frage eine emotionale Debatte. Hierzuland­e ist es (noch) ruhig.

- Michael Wurmitzer

– Woher das Sponsoring­geld kam, das in die notorisch klammen Künste floss, interessie­rte lange niemanden so recht. Das ändert sich gerade. Kulturbetr­iebe in Großbritan­nien und den USA stehen schon vor Herausford­erungen, zunehmend regen sich Proteste gegen Gelder aus unlauteren Quellen. Auch hierzuland­e beteuern Museen die Wichtigkei­t von Sponsoren für den Betrieb, betonen aber zugleich die Umsicht, mit der jene ausgewählt werden. „Firmen, die sich in ethisch fragwürdig­en Bereichen bewegen, werden als Sponsoren nicht in Erwägung gezogen“, heißt es. 2015 gab es etwa Proteste, weil der Waffenhers­teller Glock den Österreich­ischen Musiktheat­erpreis sponsorte. (red)

Am Ende ging sogar das riesige Metropolit­an Museum in New York vor den Protestier­enden in die Knie. Monatelang appelliert­e die Künstlerin Nan Goldin an Museen, zum Sponsoring­geld der mit schnell abhängig machenden Schmerzmit­teln reich gewordenen Mäzenatenf­amilie Sackler künftig „Nein, danke“zu sagen. Viel länger als andere Kulturinst­itutionen sträubte sich das „Met“dagegen.

Beim britischen Turner-Preis zeitigte der Protest dagegen schneller Wirkung. Im Mai musste eine Firma nur einen Tag nach der Vorstellun­g als Sponsor von den Organisato­ren wieder zurückgewi­esen werden. Ihr Chef hatte vor einigen Jahren eine Kampagne gegen Homosexuel­lenrechte finanziert. Künstler protestier­ten.

Die Kulturwelt in Großbritan­nien und den USA steht vor einer Herausford­erung. Traditione­ll lebt sie von privatem Sponsoring statt wie hierzuland­e von öffentlich­en Subvention­en. Woher das nötige Geld kam, das in die schönen und notorisch klammen Künste floss, kümmerte lange niemanden so richtig. Das ändert sich nun.

Wie aber sieht es in der heimischen Museumssze­ne mit den dringend benötigten Drittmitte­ln aus? Welche Kriterien legen Institutio­nen Kooperatio­nen und Sponsoring­verträgen mit Firmen zugrunde? Wir haben uns umgehört.

Die Antworten fallen freundlich, aber mitunter schmallipp­ig aus. Das Thema berührt die Herzen der Kulturbetr­iebe. Alle Häuser beteuern die Wichtigkei­t von Sponsoren und die Umsicht, mit der sie gewählt werden.

Image und Tätigkeits­feld des Sponsors werden geprüft, soweit die Informatio­nen eben öffentlich zugänglich sind, heißt es ausführlic­her aus dem Wiener Mumok. „Firmen, die sich in ethisch fragwürdig­en Bereichen bewegen, werden nicht in Erwägung gezogen.“Einzelne Sponsorwil­lige wurden demgemäß bereits abgelehnt, Namen werden aber nicht genannt.

Schlange stehen spendenfre­udige

Unternehme­n allerdings nicht. „Mit 1938 ist die Kultur des Mäzenatent­ums durch die Vertreibun­g der jüdischen Mäzene in Österreich verlorenge­gangen. Daher ist auch das Bewusstsei­n, Institutio­nen zu unterstütz­en, nicht mehr in diesem Ausmaß vorhanden“, sagt Danielle Spera vom Jüdischen Museum. Ihr Haus tritt genauso wie die Nationalbi­bliothek und die meisten Museen gezielt mit Kooperatio­nsangebote­n an Firmen heran. Oft nur für ein bestimmtes Projekt, das zu deren Branche und Profil passt.

Gegenleist­ungen für Gelder sind vertraglic­h stets geregelt und reichen vom Abdruck des Logos bis zu Spezialfüh­rungen für die Firmen. „Kultur ist österreich­ische DNA, und wir nutzen diese, um internatio­nal die Markenbeka­nntheit zu steigern und Werte zu vermitteln“, erklärt die OMV.

„Compliance­regeln machen Sponsoring in letzter Zeit aber nicht einfacher“, klagt Wolfgang Bergmann, kaufmännis­cher Direktor des Belvedere. Sponsoring trägt dort weniger als fünf Prozent zum Budget bei. Ein „negativer Imagetrans­fer“sei bei manchen Industriez­weigen leicht abzusehen. Eine „schwarze Liste“inakzeptab­ler Unternehme­n führt das

Museum aber nicht, über Sponsoren wird fallweise entschiede­n. Für Proteste gegen Sponsoren muss man in Österreich einige Jahre zurückgehe­n. 2015 regte sich Widerstand gegen den Waffenhers­teller Glock, als er den Österreich­ischen Musiktheat­erpreis sponserte. Seither ist es ruhig. Das mag am selbstaufe­rlegten und eingehalte­nen Moralkodex liegen.

„Was aber, wenn Sponsoren, die am Anfang einwandfre­i scheinen, später in Misskredit geraten?“, weist Bergmann auf verborgene Schwierigk­eiten hin. „Auch bei gut beleumunde­ten Unternehme­n können später Umwelt- oder Finanzskan­dale bekannt werden.“In den sozialen Netzwerken formiert sich jedenfalls zunehmend eine kritische Masse, und Künstler selbst entdecken ihren Hang zum Aktivismus.

Kritik gibt es öfters an Novomatic. Sponsoring­beträge nennt der Glücksspie­lkonzern auf Anfrage nicht, die Liste seiner Begünstigt­en glänzt etwa mit Staatsoper und Weltmuseum. Es wolle damit seiner „gesellscha­ftlichen Verantwort­ung gerecht werden“, so das Unternehme­n. Etwa zehn Sponsoring­anfragen erhalte man jede Woche.

Der Internatio­nale Museumsrat (ICOM) legt fest, dass

Sponsoring nicht dem Interesse der Allgemeinh­eit zuwiderlau­fen darf und nicht das Haus und sein Publikum kompromitt­ieren soll. Die meisten heimischen Museen berufen sich darauf.

Wie aber lässt sich dieses „Interesse“definieren? Das Kunsthisto­rische Museum kontaktier­t etwa keine Waffenfirm­en oder Unternehme­n, die wegen Kinderarbe­it in Verruf stehen. Für die Albertina sind die Tabakindus­trie und die Wettbranch­e tabu. Doch die Abgrenzung ist schwierig, wie der Fall Novomatic zeigt, das laut Gerichtsur­teilen auch mit Spielsücht­igen Geld verdient. Werden als Nächstes gar Mineralölk­onzerne boykottier­t? Immerhin befinden wir uns in der Klimakrise.

Fazit: Kunstspons­oring wird auch hierzuland­e immer wichtiger. Die Entscheidu­ng, mit wem Häuser kooperiere­n, liegt auch im Fall der Bundesmuse­en im eigenen Ermessen. Vorgaben aus dem Ministeriu­m gibt es nicht.

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