Der Standard

FPÖ im Parallelun­iversum

- Günther Oswald

Für jeden Politiker, der auch nur einen Hauch von politische­m Anstand besitzt, müsste klar sein, dass HeinzChris­tian Strache nichts mehr in der Politik verloren hat. Nicht heute und nicht in Zukunft. Seit Auftauchen des Ibiza-Videos ist dokumentie­rt, wie der ehemalige Vizekanzle­r wirklich denkt und redet, wenn er davon ausgeht, von ihm Wohlgesinn­ten umgeben zu sein. Dass es sich um ein inszeniert­es Setting gehandelt hat, ändert daran nichts.

Strache ist ein Mann, der ganz offensicht­lich kein Problem damit hätte, Geschäfte zum Schaden der Republik abzuschlie­ßen, wenn dafür im Gegenzug Spenden an parteinahe Vereine fließen. Würde man ein ganz plumpes Drehbuch über einen korrupten Politiker schreiben, man könnte Ibiza-Gate nicht übertreffe­n.

In jeder normalen Partei würde so etwas dazu führen, dass sich die Spitzenfun­ktionäre angewidert abwenden. Die FPÖ ist aber keine normale Partei. Hier wendet sich kaum jemand angewidert ab. Zwar hat Strache sofort seine Funktionen als Parteichef und Vizekanzle­r zurückgele­gt, das aber offenbar nur, weil er gehofft hatte, die Regierung noch retten zu können. Jetzt, wo die Koalition perdu ist, hält die blaue Truppe fast schon sektenarti­g zusammen. Ganz so, als ob nichts gewesen wäre.

Strache wird weder aus der Partei ausgeschlo­ssen noch aufgeforde­rt, seine Mitgliedsc­haft zurückzule­gen. Der designiert­e Obmann Norbert Hofer begründete das allen Ernstes mit dem Satz: „Es werfe derjenige den ersten Stein, der noch nie einen Fehler gemacht hat.“Das war natürlich beschwicht­igend gemeint, indirekt erklärt Hofer damit aber Korruption­sanfälligk­eit zur Normalität. Frei nach dem Motto: Das hätte jedem von uns passieren können.

Wie sehr die Strache-Jünger in ein Parallelun­iversum abgedrifte­t sind, zeigt auch die Debatte über dessen EU-Mandat. Kein Blauer stößt sich daran, dass Strache ernsthaft überlegt, es anzunehmen – oder dass er es teils einer Vorzugssti­mmenkampag­ne der Identitäre­n zu verdanken hat. Der gelernte Zahntechni­ker selbst, der selbsterna­nnte Vertreter des kleinen Mannes und Kämpfer gegen Postenscha­cher, will nicht auf die 9000 Euro Gage verzichten, die ihm der Job im EU-Parlament bringen würde.

Das alles ist die FPÖ im Jahr 2019. Eine Partei, die aus Angst vor Knittelfel­d II paralysier­t ist. Als Koalitions­partner kann sie jetzt nicht mehr infrage kommen. Das sollte nicht nur die SPÖ, sondern auch die ÖVP klarstelle­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria